145 tote Dörfer.
Ich beginne hier in meinem Blog eine Serie von Reiseberichten. Sie schildern den Zustand einiger Gebiete des Sudetenlandes im Jahre 1998. Zu jener Zeit erforschten meine damalige norwegische Freundin Anna Duus und ich, vor allem Südböhmen und das Egerland, um die Überreste der, dort Jahrhunderte geblüht habenden, deutschen Kultur zu erkunden und zu fotografieren. Hier also der erste Bericht, weitere werden folgen:
148 TOTE DÖRFER
Hier wollen wir dem Schicksal einiger jener 2500 Dörfer nachgehen, die von den Tschechen in den Jahren nach 45 in die Luft gesprengt, von Panzern beschossen, unter Müll begraben, oder mit Bulldozzern eingeebnet wurden. Keine Spur sollte bleiben, von dem, was Jahrhunderte hindurch deutsch war.
Das erste Dorf, das wir in seinen Resten noch auffinden wollen, liegt sehr dicht an der tschechisch deutschen Grenze - 40 Jahre war hier Niemandsland. Aber, wie dahin gelangen. Endlich finden wir eine schmale, gesperrte Straße, die von dem, ebenfalls völlig zerstörten, Neuhäusl aus, in den dichten, unheimlichen Wald an der böhmisch-bayerischen Grenze führt.
Wir vermuten hier - unserer Karte nach - die einstigen Dörfer
Reichenthal, Neulosimthal, Hinter - und Vorder-Waldheim, Leierwinkel, Altfürstenhütte, Böhmdorf, Altpocher, Neufürstenhütte.
Der Weg zieht sich durch den, immer dichteren Wald, hin. Kaum zu glauben, dass hier früher ein fruchtbares Acker- und Weideland gewesen sein könnte.
Wir haben Angst wegen der, eigentlich gesperrten, Straße, aber es kommt uns kein Auto entgegen. Nach etwa 5 Kilometern sehen wir dann, mitten in dem Baumdickicht, eine Gruppe von drei Eichen, dazwischen ein einfaches Holzkreuz. Die Inschrift sagt, dass es von den einstigen Bewohnern 1991 hier in der Ortsmitte (!) von Reichenthal errichtet worden sei.
Die Ortsmitte… aber keine Spur mehr von den 8 stattlichen Höfen, die einst diesen Platz säumten, von dem Gasthaus, von der Kirche.
1938 gab es in Reichenthal 53 Häuser in denen 344 Deutsche lebten. Heute steht hier kein einziges Haus mehr. Es gibt nur noch, im Dunkel unter den Bäumen, einige Mauerreste. Weiter oben auf einem Schutt-Hügel überdauert das einstige Kriegerdenkmal.
5 Kilometer weiter kommen wir an die Stelle, wo einmal das Dorf Neulosimthal stand. Auch hier ist von den einst 93 Häusern, von der Kirche nichts mehr zu sehen.
Dafür entdecken wir links im Gelände einen Polizeiwagen, dessen Insassen offenbar den Schmuggel über die, hier sehr nahe, Grenze überwachen wollen. Uns, in unserem kleinen Auto, beachten sie nicht.
Das heute ganz verschwundene Dorf Neulosimthal existierte hier, wo jetzt der dichte Wald die Gegend beherrscht, über 300 Jahre lang. Im Jahre 1930 lebten 530 Deutsche hier und es gab 93 Häuser, von denen keines die barbarische Zeit nach 1945 überstand. In der Ortsmitte stand eine grosse Kirche, - von ihr blieb nur ein Schutthügel. Davor erhob sich das Kriegerdenkmal. Heute steht es mitten im Wald, von den ehemaligen Einwohnern restauriert…
Das was einzig, weit vor den verschwundenen Häusern, auf einer Wiese, noch zu finden ist, ist der ehemalige Friedhof.
Heute liegt er im, Jahrzehnte hindurch gesperrten, Niemandsland - ganz nah an der deutschen Grenze. Kaum ein Mensch ausser uns verirrt sich auf dieser verbotenen Strasse in die Vergangenheit, - hierher, zu diesen, nun zweifach gestorbenen, Toten, denen nicht einmal ihre ehemaligen Wohnhäuser erhalten blieben.
Weiter in das verbotene Gebiet zu den anderen verschwundenen Dörfern sind wir an diesem Tage nicht vorgedrungen.
Auf dem Rückweg über Neuhäusl, Hesselsdorf kamen wir in die Gegend des früheren Wusleben.
Hier - heute mitten im Wald - soll es Jahrhunderte hindurch ein blühendes Dorf gegeben haben. 1945 kamen dann die Amerikaner und mit ihnen die Tschechen, die im Krieg keinen Schuss gegen die Deutschen abgegeben hatten. Die Amerikaner brannten 22 Häuser nieder, ihre Bewohner wurden vertrieben. Dann wurde der, öde gewordene, Flecken Grenz- und Sperr-Gebiet.
In den 60er Jahren standen von der Kirche noch einige Mauern.
Heute gibt es da, wo sie einst stand, nichts mehr. Keine Spur finden wir unter den in 5o Jahren aufgewachsenen Bäumen. Nichts auch von den einstigen Häusern rings um den Platz vor der Kirche. Einzig blieb hier übrig der Sockel des verwahrlosten Kriegerdenkmals, geschmückt mit einigen Blumen - wer weiss, von wem.
So wie diesen zehn, hier betrachteten, einst blühenden deutschen Ansiedlungen, erging es im Sudetenland etwa 2500 (!) Ortschaften. Kaum eine Spur ist, dank der Sprengkommandos und Planierraupen der Tschechen, von ihnen geblieben.
Nicht nur, dass die Menschen vertrieben wurden, - blinder Hass und barbarische Zerstörungswut machten auch vor 300jährigen Kirchen, vor stattlichen Höfen, vor Rathäusern und Schulen, ja selbst vor Friedhöfen nicht halt.
Eines Tages machten wir uns auf die Suche nach dem früheren Glöckelberg. Wir entdeckten eine kleine Strasse, die von Salnau aus, nach rechts zur Moldau hinunterführte. Kurz nach den Überresten von Parkhof überquerten wir die Moldau und passierten nach und nach die wenigen, noch gebliebenen, armselig verfallen, Häuser von Olberg und von Gehäng. In einer Kurve vermuteten wir rechterhand die Überreste von Raschkowald und kamen dann in die Gegend des planierten, einstigen Neuofen.
Die ganze Gegend war ein einziger Friedhof einst stattlicher Dörfer. Es folgte, entlang des früheren Schwarzenberg-Kanals eine völlig einsame Strecke durch dichten Wald. Nach 5 Kilometern hätte Hüttenhof kommen müssen, aber es war nichts mehr davon zu entdecken, ebenso fehlte jede Spur des Dorfes Josefstal. Hier überall hatten die Planierraupen der Tschechen ganze Arbeit geleistet.
Dann, nach weiteren einsamen Kilometern, sahen wir endlich, in völliger Waldeinsamkeit, in 845 Metern Höhe, das, was von Glöckelberg geblieben war. Wie aus dem Nichts ragte eine weisse Kirchenfassade vor uns auf, davor, unterhalb einer Hausruine, ein Kreuz und einige verstreute Grabsteine.
In unserem, tschechisch herausgebenen, "Reiseführer" steht, dass diese Kirche (und der Friedhof) durch die "Arge Böhmerwald" aus Linz 1992 renoviert wurde. Eine Tafel an der, fest verschlossenen und mit Brettern verrammelten, Kirche verkündet ähnliches.
Die Ruine oberhalb soll das ehemalige Lebensmittelgeschäft sein. Von den vielen stattlichen Häusern des einstigen Dorfes, die früher rings um die Kirche standen, finden wir nicht die geringsten Spuren mehr.
Nicht nur die Menschen wurden von den Tschechen ermordet und vertrieben, auch ihren Wohnstätten hat man ein gleiches Schicksal bereitet. Der Hass richtete sich nicht nur gegen Menschenleiber, - nein, auch Mauern und Fenster und Heilige und Kreuze und Gärten und Gräber fielen ihm zum Opfer…
An einem der nächsten Tage brachen wir wieder zu unserer Suche nach verschwundenen Dörfern auf. Wir folgten der altbekannten Route über Röhrnbach, Freyung, Philipsreut über die tschechische Grenze.
Wer weiss noch, dass es direkt hinter der Grenze das alte sudetendeutsche Dorf Landstrassen gab. Heute gibt es keine Spur mehr davon. Stattdessen säumen unzählige Stände mit Gartenzwergen den Weg.
Bei Kuschwarda gerieten wir in eine heimtückische Radarfalle, bezahlten die 500 Kronen und überlegten dabei, ob diese Polizisten wohl echt waren, hatten wir doch genug von Gaunern in Polizeiuniformen gehört...
Bei Leimsgrub bogen wir nun rechts von der Hauptstrasse ab und bemerkten sofort, dass die Federung unseres kleinen Vehikels wohl nicht für tschechische Nebenwege ausgelegt war.
Es ging durch sehr viel Wald. Ihn hatten sie nicht zerstören können, nicht so wie das Menschenwerk.
An einer kleinen Kreuzung stand unter den Bäumen eine hölzerne Bank, dahinter erhob sich ein Granitstein mit der Inschrift SCHILLERBERG 1752 - 1956.
Das war das Grab eines ganzen Dorfes, das war alles, was von ihm noch übrig war. Stummes Denkmal und Mahnmal für alle die zweitausendfünfhundert Dörfer, die nach 1945 ein gleiches Schicksal erleiden mussten...
Weiter drin im Wald gab es noch einen Grabstein,
von irgendjemand vor Jahren mit einem Zaun umgeben. Die Schrift war kaum mehr zu lesen. Hatte hier einst der Friedhof gestanden? Lagen unter den hohen Bäumen die anderen Toten, die Reste jener Menschen, die Jahrhunderte hindurch in den Häusern dieses, einst blühenden, Dorfes gelebt hatten...
Wir haben es nicht erfahren, gibt es doch von allzuvielen niedergelegten Dörfern nur wenige Dokumente, kaum Fotos, geschweige denn, welche von den jeweiligen Friedhöfen...
An einem der folgenden Tage bemerkten wir zwischen Schönau und Salnau eine kleine Nebenstrasse, die links von unserer Fahrbahn abbog. Wir folgten ihr und kamen bei den zwei letzten Häusern des verschwundenen Dorfes Hintring an ein Sperrschild. Die Durchfahrt war gesperrt, da hier ein riesiges, früheres Militärgelände begann.
Wir wagten es trotzdem und durchquerten nun einen schier endlosen Wald. Dann gab es einen Feldweg, der holprig nach rechts unter die dichten Bäume hineinführte. Wir vermuteten dort im Wald, die Reste des verschwundenen Dorfes Uhligstal, konnten dem aber nicht nachgehen.
Nach 6 Kilometern Waldeinsamkeit erreichten wir die einzig übriggebliebenen Häuser von Ernstbrunn.
Dann kam eine Querstrasse und wir fuhren instinktiv nach rechts.
Sehr bald tauchte nach einer Wegbiegung ein hässlicher, kasernenartiger Bau auf. Rechts daneben eine Kirche mit weitem, verwilderten Vorplatz. Der Karte nach mussten dies die Überreste des einstigen Christianberg sein.
Die Kirche war verschlossen. Als wir uns nach rechts wendeten, sahen wir eine grobe Umzäunung um eine verwilderte Wiese. Als wir näher hinschauten, bemerkten wir, dass es sich um einen ehemaligen Friedhof handeln musste. Es gab verschiedene, aus dem hohen Gras ragende Grabsteine und Kreuze.
Später fanden wir in einer Zeitung ein Foto des Friedhofes im Jahre 1965. Von den dort noch sichtbaren Steinen waren jetzt, mehr als 30 Jahre später, offenbar viele verschwunden...
Zwei ältere Menschen arbeiteten dort, entfernten Unkraut zwischen den Steinen. Wir sprachen sie an und es waren dagebliebene Deutsche aus Ernstbrunn, die einmal in der Woche hierherkamen, um die Reste des einstigen Friedhofs zu erhalten.
Diese zwei waren es auch gewesen, die vor einigen Jahren viele Grabsteine, die von den Tschechen in sinnloser Zerstörungswut in den Wald geschleppt worden waren, unter der dichten Vegetation wieder aufgefunden, sie mühsam an ihren einstigen Ort gebracht und wieder aufgestellt hatten.
Als wir so miteinander sprachen, spürten wir aus dem verwahrlosten Mietshaus linkerhand die feindseligen Blicke von Roma, die sich dort eingefunden hatten. Vielleicht waren sie es einst gewesen, die diesen Friedhof zerstört hatten, so wie ja auch das zugehörige Dorf vernichtet worden war…
Von Deutsch Beneschau bei Kapplitz führt eine kleine, sehr einsame Strasse durch den dichten, in fünf Jahrzehnten hier gewucherten, Wald.
Niemand, der es nicht von früher her weiss, vermutet im Dunkel unter den schwarzen Stämmen ringsum - die Überreste der einstigen Dörfer St. Gabriela, Hermannschlag, Kloppen, Wölschko, Uhretschlag, Pilsenschlag, Radlnetschlag, Laschnitz.
Danach kommen wirklich noch ein paar übriggebliebene Häuser. Der Karte nach müssen wir im früheren Theresiendorf sein. Wir erklimmen eine treppenartige, gepflasterte Strasse die hinaufführt zu der Ruine der Kirche. Aus den geduckten Häusern rechts folgen uns die argwöhnischen Blicke der Roma, die sich hier eingenistet haben.
Die Kirchentür wurde wohl jahrzehntelang nicht mehr geöffnet. Unkraut versperrt den Weg.
Rechts, vor einer "Schule" das ehemalige Kriegerdenkmal. Die Namen sind fast ausgelöscht. Für was oder wen diese alle einst gefallen sind -, wir wissen es nicht, - an diesem verfluchten Ort noch viel weniger.
So bleibt es den "Neusiedlern" überlassen, in den Überresten der einstigen Kultur und Zivilisation ein Leben zu fristen. Grade so, wie die Barbaren, die einst das römische Weltreich ausgelöscht haben.
Von Theresiendorf führt ein schwer befahrbarer, gefährlicher Waldweg noch bis zur Grenze.
Dort hinten, in, nun dicht herangewucherter Waldeinsamkeit, muss es liegen, dieses Gespenst eines, einst blühenden deutschen Dorfes, - Buchers. Wir sind niemals bis dort hingelangt.
1998 soll die Ruine der Kirche ganz zusammengefallen sein, beinahe dabei zwei einsame Wanderer erschlagend.
Ausser diesen, von uns besuchten, toten Ansiedlungen sind in diesem Gebiet noch einhundertundvierzig weitere, einst blühende Dörfer total von der Erdoberfläche verschwunden...
148 TOTE DÖRFER
Hier wollen wir dem Schicksal einiger jener 2500 Dörfer nachgehen, die von den Tschechen in den Jahren nach 45 in die Luft gesprengt, von Panzern beschossen, unter Müll begraben, oder mit Bulldozzern eingeebnet wurden. Keine Spur sollte bleiben, von dem, was Jahrhunderte hindurch deutsch war.
Das erste Dorf, das wir in seinen Resten noch auffinden wollen, liegt sehr dicht an der tschechisch deutschen Grenze - 40 Jahre war hier Niemandsland. Aber, wie dahin gelangen. Endlich finden wir eine schmale, gesperrte Straße, die von dem, ebenfalls völlig zerstörten, Neuhäusl aus, in den dichten, unheimlichen Wald an der böhmisch-bayerischen Grenze führt.
Wir vermuten hier - unserer Karte nach - die einstigen Dörfer
Reichenthal, Neulosimthal, Hinter - und Vorder-Waldheim, Leierwinkel, Altfürstenhütte, Böhmdorf, Altpocher, Neufürstenhütte.
Der Weg zieht sich durch den, immer dichteren Wald, hin. Kaum zu glauben, dass hier früher ein fruchtbares Acker- und Weideland gewesen sein könnte.
Wir haben Angst wegen der, eigentlich gesperrten, Straße, aber es kommt uns kein Auto entgegen. Nach etwa 5 Kilometern sehen wir dann, mitten in dem Baumdickicht, eine Gruppe von drei Eichen, dazwischen ein einfaches Holzkreuz. Die Inschrift sagt, dass es von den einstigen Bewohnern 1991 hier in der Ortsmitte (!) von Reichenthal errichtet worden sei.
Die Ortsmitte… aber keine Spur mehr von den 8 stattlichen Höfen, die einst diesen Platz säumten, von dem Gasthaus, von der Kirche.
1938 gab es in Reichenthal 53 Häuser in denen 344 Deutsche lebten. Heute steht hier kein einziges Haus mehr. Es gibt nur noch, im Dunkel unter den Bäumen, einige Mauerreste. Weiter oben auf einem Schutt-Hügel überdauert das einstige Kriegerdenkmal.
5 Kilometer weiter kommen wir an die Stelle, wo einmal das Dorf Neulosimthal stand. Auch hier ist von den einst 93 Häusern, von der Kirche nichts mehr zu sehen.
Dafür entdecken wir links im Gelände einen Polizeiwagen, dessen Insassen offenbar den Schmuggel über die, hier sehr nahe, Grenze überwachen wollen. Uns, in unserem kleinen Auto, beachten sie nicht.
Das heute ganz verschwundene Dorf Neulosimthal existierte hier, wo jetzt der dichte Wald die Gegend beherrscht, über 300 Jahre lang. Im Jahre 1930 lebten 530 Deutsche hier und es gab 93 Häuser, von denen keines die barbarische Zeit nach 1945 überstand. In der Ortsmitte stand eine grosse Kirche, - von ihr blieb nur ein Schutthügel. Davor erhob sich das Kriegerdenkmal. Heute steht es mitten im Wald, von den ehemaligen Einwohnern restauriert…
Das was einzig, weit vor den verschwundenen Häusern, auf einer Wiese, noch zu finden ist, ist der ehemalige Friedhof.
Heute liegt er im, Jahrzehnte hindurch gesperrten, Niemandsland - ganz nah an der deutschen Grenze. Kaum ein Mensch ausser uns verirrt sich auf dieser verbotenen Strasse in die Vergangenheit, - hierher, zu diesen, nun zweifach gestorbenen, Toten, denen nicht einmal ihre ehemaligen Wohnhäuser erhalten blieben.
Weiter in das verbotene Gebiet zu den anderen verschwundenen Dörfern sind wir an diesem Tage nicht vorgedrungen.
Auf dem Rückweg über Neuhäusl, Hesselsdorf kamen wir in die Gegend des früheren Wusleben.
Hier - heute mitten im Wald - soll es Jahrhunderte hindurch ein blühendes Dorf gegeben haben. 1945 kamen dann die Amerikaner und mit ihnen die Tschechen, die im Krieg keinen Schuss gegen die Deutschen abgegeben hatten. Die Amerikaner brannten 22 Häuser nieder, ihre Bewohner wurden vertrieben. Dann wurde der, öde gewordene, Flecken Grenz- und Sperr-Gebiet.
In den 60er Jahren standen von der Kirche noch einige Mauern.
Heute gibt es da, wo sie einst stand, nichts mehr. Keine Spur finden wir unter den in 5o Jahren aufgewachsenen Bäumen. Nichts auch von den einstigen Häusern rings um den Platz vor der Kirche. Einzig blieb hier übrig der Sockel des verwahrlosten Kriegerdenkmals, geschmückt mit einigen Blumen - wer weiss, von wem.
So wie diesen zehn, hier betrachteten, einst blühenden deutschen Ansiedlungen, erging es im Sudetenland etwa 2500 (!) Ortschaften. Kaum eine Spur ist, dank der Sprengkommandos und Planierraupen der Tschechen, von ihnen geblieben.
Nicht nur, dass die Menschen vertrieben wurden, - blinder Hass und barbarische Zerstörungswut machten auch vor 300jährigen Kirchen, vor stattlichen Höfen, vor Rathäusern und Schulen, ja selbst vor Friedhöfen nicht halt.
Eines Tages machten wir uns auf die Suche nach dem früheren Glöckelberg. Wir entdeckten eine kleine Strasse, die von Salnau aus, nach rechts zur Moldau hinunterführte. Kurz nach den Überresten von Parkhof überquerten wir die Moldau und passierten nach und nach die wenigen, noch gebliebenen, armselig verfallen, Häuser von Olberg und von Gehäng. In einer Kurve vermuteten wir rechterhand die Überreste von Raschkowald und kamen dann in die Gegend des planierten, einstigen Neuofen.
Die ganze Gegend war ein einziger Friedhof einst stattlicher Dörfer. Es folgte, entlang des früheren Schwarzenberg-Kanals eine völlig einsame Strecke durch dichten Wald. Nach 5 Kilometern hätte Hüttenhof kommen müssen, aber es war nichts mehr davon zu entdecken, ebenso fehlte jede Spur des Dorfes Josefstal. Hier überall hatten die Planierraupen der Tschechen ganze Arbeit geleistet.
Dann, nach weiteren einsamen Kilometern, sahen wir endlich, in völliger Waldeinsamkeit, in 845 Metern Höhe, das, was von Glöckelberg geblieben war. Wie aus dem Nichts ragte eine weisse Kirchenfassade vor uns auf, davor, unterhalb einer Hausruine, ein Kreuz und einige verstreute Grabsteine.
In unserem, tschechisch herausgebenen, "Reiseführer" steht, dass diese Kirche (und der Friedhof) durch die "Arge Böhmerwald" aus Linz 1992 renoviert wurde. Eine Tafel an der, fest verschlossenen und mit Brettern verrammelten, Kirche verkündet ähnliches.
Die Ruine oberhalb soll das ehemalige Lebensmittelgeschäft sein. Von den vielen stattlichen Häusern des einstigen Dorfes, die früher rings um die Kirche standen, finden wir nicht die geringsten Spuren mehr.
Nicht nur die Menschen wurden von den Tschechen ermordet und vertrieben, auch ihren Wohnstätten hat man ein gleiches Schicksal bereitet. Der Hass richtete sich nicht nur gegen Menschenleiber, - nein, auch Mauern und Fenster und Heilige und Kreuze und Gärten und Gräber fielen ihm zum Opfer…
An einem der nächsten Tage brachen wir wieder zu unserer Suche nach verschwundenen Dörfern auf. Wir folgten der altbekannten Route über Röhrnbach, Freyung, Philipsreut über die tschechische Grenze.
Wer weiss noch, dass es direkt hinter der Grenze das alte sudetendeutsche Dorf Landstrassen gab. Heute gibt es keine Spur mehr davon. Stattdessen säumen unzählige Stände mit Gartenzwergen den Weg.
Bei Kuschwarda gerieten wir in eine heimtückische Radarfalle, bezahlten die 500 Kronen und überlegten dabei, ob diese Polizisten wohl echt waren, hatten wir doch genug von Gaunern in Polizeiuniformen gehört...
Bei Leimsgrub bogen wir nun rechts von der Hauptstrasse ab und bemerkten sofort, dass die Federung unseres kleinen Vehikels wohl nicht für tschechische Nebenwege ausgelegt war.
Es ging durch sehr viel Wald. Ihn hatten sie nicht zerstören können, nicht so wie das Menschenwerk.
An einer kleinen Kreuzung stand unter den Bäumen eine hölzerne Bank, dahinter erhob sich ein Granitstein mit der Inschrift SCHILLERBERG 1752 - 1956.
Das war das Grab eines ganzen Dorfes, das war alles, was von ihm noch übrig war. Stummes Denkmal und Mahnmal für alle die zweitausendfünfhundert Dörfer, die nach 1945 ein gleiches Schicksal erleiden mussten...
Weiter drin im Wald gab es noch einen Grabstein,
von irgendjemand vor Jahren mit einem Zaun umgeben. Die Schrift war kaum mehr zu lesen. Hatte hier einst der Friedhof gestanden? Lagen unter den hohen Bäumen die anderen Toten, die Reste jener Menschen, die Jahrhunderte hindurch in den Häusern dieses, einst blühenden, Dorfes gelebt hatten...
Wir haben es nicht erfahren, gibt es doch von allzuvielen niedergelegten Dörfern nur wenige Dokumente, kaum Fotos, geschweige denn, welche von den jeweiligen Friedhöfen...
An einem der folgenden Tage bemerkten wir zwischen Schönau und Salnau eine kleine Nebenstrasse, die links von unserer Fahrbahn abbog. Wir folgten ihr und kamen bei den zwei letzten Häusern des verschwundenen Dorfes Hintring an ein Sperrschild. Die Durchfahrt war gesperrt, da hier ein riesiges, früheres Militärgelände begann.
Wir wagten es trotzdem und durchquerten nun einen schier endlosen Wald. Dann gab es einen Feldweg, der holprig nach rechts unter die dichten Bäume hineinführte. Wir vermuteten dort im Wald, die Reste des verschwundenen Dorfes Uhligstal, konnten dem aber nicht nachgehen.
Nach 6 Kilometern Waldeinsamkeit erreichten wir die einzig übriggebliebenen Häuser von Ernstbrunn.
Dann kam eine Querstrasse und wir fuhren instinktiv nach rechts.
Sehr bald tauchte nach einer Wegbiegung ein hässlicher, kasernenartiger Bau auf. Rechts daneben eine Kirche mit weitem, verwilderten Vorplatz. Der Karte nach mussten dies die Überreste des einstigen Christianberg sein.
Die Kirche war verschlossen. Als wir uns nach rechts wendeten, sahen wir eine grobe Umzäunung um eine verwilderte Wiese. Als wir näher hinschauten, bemerkten wir, dass es sich um einen ehemaligen Friedhof handeln musste. Es gab verschiedene, aus dem hohen Gras ragende Grabsteine und Kreuze.
Später fanden wir in einer Zeitung ein Foto des Friedhofes im Jahre 1965. Von den dort noch sichtbaren Steinen waren jetzt, mehr als 30 Jahre später, offenbar viele verschwunden...
Zwei ältere Menschen arbeiteten dort, entfernten Unkraut zwischen den Steinen. Wir sprachen sie an und es waren dagebliebene Deutsche aus Ernstbrunn, die einmal in der Woche hierherkamen, um die Reste des einstigen Friedhofs zu erhalten.
Diese zwei waren es auch gewesen, die vor einigen Jahren viele Grabsteine, die von den Tschechen in sinnloser Zerstörungswut in den Wald geschleppt worden waren, unter der dichten Vegetation wieder aufgefunden, sie mühsam an ihren einstigen Ort gebracht und wieder aufgestellt hatten.
Als wir so miteinander sprachen, spürten wir aus dem verwahrlosten Mietshaus linkerhand die feindseligen Blicke von Roma, die sich dort eingefunden hatten. Vielleicht waren sie es einst gewesen, die diesen Friedhof zerstört hatten, so wie ja auch das zugehörige Dorf vernichtet worden war…
Von Deutsch Beneschau bei Kapplitz führt eine kleine, sehr einsame Strasse durch den dichten, in fünf Jahrzehnten hier gewucherten, Wald.
Niemand, der es nicht von früher her weiss, vermutet im Dunkel unter den schwarzen Stämmen ringsum - die Überreste der einstigen Dörfer St. Gabriela, Hermannschlag, Kloppen, Wölschko, Uhretschlag, Pilsenschlag, Radlnetschlag, Laschnitz.
Danach kommen wirklich noch ein paar übriggebliebene Häuser. Der Karte nach müssen wir im früheren Theresiendorf sein. Wir erklimmen eine treppenartige, gepflasterte Strasse die hinaufführt zu der Ruine der Kirche. Aus den geduckten Häusern rechts folgen uns die argwöhnischen Blicke der Roma, die sich hier eingenistet haben.
Die Kirchentür wurde wohl jahrzehntelang nicht mehr geöffnet. Unkraut versperrt den Weg.
Rechts, vor einer "Schule" das ehemalige Kriegerdenkmal. Die Namen sind fast ausgelöscht. Für was oder wen diese alle einst gefallen sind -, wir wissen es nicht, - an diesem verfluchten Ort noch viel weniger.
So bleibt es den "Neusiedlern" überlassen, in den Überresten der einstigen Kultur und Zivilisation ein Leben zu fristen. Grade so, wie die Barbaren, die einst das römische Weltreich ausgelöscht haben.
Von Theresiendorf führt ein schwer befahrbarer, gefährlicher Waldweg noch bis zur Grenze.
Dort hinten, in, nun dicht herangewucherter Waldeinsamkeit, muss es liegen, dieses Gespenst eines, einst blühenden deutschen Dorfes, - Buchers. Wir sind niemals bis dort hingelangt.
1998 soll die Ruine der Kirche ganz zusammengefallen sein, beinahe dabei zwei einsame Wanderer erschlagend.
Ausser diesen, von uns besuchten, toten Ansiedlungen sind in diesem Gebiet noch einhundertundvierzig weitere, einst blühende Dörfer total von der Erdoberfläche verschwunden...
Kommentare (2)
tilli †
Der Reisebericht aus der Vergangenheit, ist für Menschen
die es erlebt haben, ein Zurück in die Zeit des Schreckens.
Ja, wir sollten es nicht vergessen.
Freilich sind wir jetzt zufrieden, das unsere Dörfer leben
und schön sind.Aber dein Beitrag ist ein Mahnmal, das es
schon niemals unsere Kinder treffen sollte.
Danke Bernhard Tilli
die es erlebt haben, ein Zurück in die Zeit des Schreckens.
Ja, wir sollten es nicht vergessen.
Freilich sind wir jetzt zufrieden, das unsere Dörfer leben
und schön sind.Aber dein Beitrag ist ein Mahnmal, das es
schon niemals unsere Kinder treffen sollte.
Danke Bernhard Tilli
Wir fanden dort einen Friedhof, der zweigeteilt war.
Ein tschechische und auf dem anderen Teil fanden wir mehrere sehr gut erhaltene Gräber
von Deutschen. Wir waren sehr positiv überrascht, denn die Gräber schienen gepflegt.
Sonstige(Maritt)
Grüße von Maritt