Zur Seniorentreff Homepage

Neues ChatPartnersuche (Parship)FreundeLesenReisen LebensbereicheHilfe



Archivübersicht | Impressum

THEMA:   Die lukrative Jagd nach ehrenamtlich Tätigen muß aufhören!

 18 Antwort(en).

Arno_Gebauer begann die Diskussion am 06.12.06 (21:48) :

Hallo, Forumsbeteilgte,

14 Millionen Deutsche engagieren sich, ohne einen Cent
dafür zu bekommen - beim Roten Kreuz oder beim THW, bei
Greenpeace oder Amnesty International, bei Caritas,
Diakonie, Freiwillige Feuerwehr und unzähligen
Kleinprojekten.
Gemeinsam leisten sie jährlich sechs Milliarden Stunden
unbezahlter Arbeit.
Ins Bruttosozialprodukt geht die Ehrenamtarbeit nicht ein!
Ehrenamtliche Tätigkeiten sind vielfältig wie nie zuvor
und werden immer öfter von Arbeitslosen und Praktikanten
ausgeübt. Für beide Spezies bleibt in der Regel der
erhoffte "Klebe-Effekt" für eine Nachfolgeanstellung aus.
Die Grenzen zwischen Freiwilligkeit und latenter Ausbeutung
sind fließend.
Arbeitsmarktexperten stellen immer mehr fest, daß bezahlte
Festanstellungen in ehrenamtliche Tätigkeiten aufgesplittet
werden. Selbst das bayrische Kultusministerium bedient sich
zusehends Ehrenamtlicher (Eltern) als billige Reserve.

Dabei werden die Ehrenamtlichen in der Gesellschaft gar
nicht wirklich geachtet, wenn sie primär nur Ehrenamtler
sind.
Wenn ein Ehrenamtler gleichzeitig Versicherungsmanager ist,
dann adelt dieses "soziales Engagement" den Versicherungs-
managerstatus zusätzlich!
Die durch die Ehrenämtler vollbrachte Arbeit verleiben sich
die Hilfsorganisationen kostenlos ein, wodurch das Ansehen
und die Akzeptanz der Hilfsorganisation in der Bevölkerung
steigt.
Ist nicht jedes Ehrenamt eine selbstakzeptierte Ausnutzung?

Viele Grüße
Arno


 maggy antwortete am 06.12.06 (22:07):

Arno, bzgl. Ehrenamt läuft gerade eine Diskussion unter
Allgemeine Themen

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/threads/thread3180.php


 Arno_Gebauer antwortete am 06.12.06 (22:42):

Hallo, maggy,

ich habe bewußt dieses Thema hier eröffnet, weil durch die
von Karl favorisierte steuerrechtliche Vergünstigungen der
Ehrenamtler das derzeitige Ehrenamtsystem als ein
Ausbeutungssystem verfestigen hilft.
In der Themenbeschreibung habe ich aufgeführt, wie
zunehmend das Ehrenamt mißbraucht wird.
Die Steuervergünstigungen sind hier nicht das Thema,
sondern die längst überfällige Reform für die Einbindung
von Ehrenamtlern in Organisationen und Behörden.
Ich wäre damit aber auch einverstanden, wenn Karl dieses
Thema hier "ausschneidet" und als Beitrag in in sein Thema
einfügt.

Viele Grüße
Arno


 Gerdi antwortete am 07.12.06 (05:32):

"Ist nicht jedes Ehrenamt eine selbstakzeptierte Ausnutzung?" (Arno)

Würden die Leute Ehrenämter annehmen,
also sich sozial engagieren,
wenn sie sich ausgenutzt fühlten?

Abschaffung von Ehrenämtern
würde Diminuierung sozialen Volksempfindens bedeuten,
welch letzteres bei uns sowieso nicht gerade sehr frequentiert ist.


 Arno_Gebauer antwortete am 07.12.06 (08:53):

Hallo, Gerdi,

warum Menschen ein Ehrenamt annehmen, hat sicherlich sehr
verschiedene Gründe.
Die meisten Ehrenamtler wollen durch ihr Ehrenamt aus ihrer
persönlichen Einsamkeit/Isolierung heraus und Kontakt zu
andenen Menschen haben, andere glauben wiederum, etwas
Sinnvolles nach dem Ruhestand noch tuen zu müssen, usw.,
usw..
Anders verhält es sich bei denen, die unter Druck von
der Bundesagentur für Arbeit, usw. ein "Ehrenamt" annehmen
müssen. Dieser Personengruppe empfindet das Ehrenamt als
eine gesellschaftlich aufgezwungenen Tätigkeit (Ausnutzung).

Wenn die Erwartungshaltungen der Ehrenamtler erfüllt
werden, nehmen sie die selbstakzeptierte, wie auch die
aufgezwungene Ausnutzung als kleineres Übel in Kauf.

Wie Du siehst, sind die Motivationen für ein Ehrenamt
sehr unterschiedlich.

Ich bin nicht für eine Abschaffung des Ehrenamtes, Gerdi!
Ich bin aber für eine grundlegende Reform des Ehrenamtes,
oder besser, für eine ehrlichere Organisation der
Ehrenämter!

Viele Grüße
Arno


 Gerdi antwortete am 07.12.06 (10:40):

" die unter Druck von
der Bundesagentur für Arbeit, usw. ein "Ehrenamt" annehmen
müssen."

Arno,
sorry,
das klingt so unglaublich,
daß ich gern eine Quelle wüßte,
um mich darüber zu informieren,
ehe ich weiter zu diesem Thema schreibe :-)


 schorsch antwortete am 07.12.06 (10:57):

Die Ehrenamtlichen werden heute von der Allgemeinheit nur noch dann registriert, wenn eine grosse Zeitung wieder mal etwas gefunden hat, das einem überforderten Ehrenamtlichen zur Last gelegt werden kann.


 Gerdi antwortete am 07.12.06 (12:09):

Hallo Arno,
erspar' Dir erst einmal eine Krise:
ich bin schon auf die Suche gegangen
und wühle zur Zeit gerade hier drinne
--->
https://www.sozialgesetzbuch-bundessozialhilfegesetz.de/_buch/sgb_i.htm

Internet-Tipp: https://www.sozialgesetzbuch-bundessozialhilfegesetz.de/_buch/sgb_i.htm


 Arno_Gebauer antwortete am 07.12.06 (14:09):

Hallo, Gerdi,

meine Quellen sind die FAZ, die Süddeutsche Zeitung, WAZ
und verschiedene Informationssendungen im Fernsehen.
Die Bundesagentur für Arbeit veranlaßt ihre Klientel zur
Aufnahme von 1€ - Jobs in Behörden. Wenn diese Menschen
dann nicht bereit sind, z. B. Umzugs- ,Aufräumtätigkeiten,
usw. durchzuführen, wird ihnen auch noch die letzte
Unterhaltshilfe gestrichen. Oder ich denke an die zu
ehrenamtlichen Tätigkeiten verurteilten jugendlichen
Straftäter.
Die Liste ehrenamtlicher Tätigkeiten, die auf Grund der
Ausübung von Zwang zu Stande kommt, ist erweiterbar, aber
hier nicht Thema.

Viele Grüße
Arno


 Gerdi antwortete am 07.12.06 (14:30):

Ok, Arno, so weit bin ich nun orientiert.
Bin ein Polit-Muffel und höre bei so etwas nie so richtig hin.

Frage: geht es aber hier nicht darum, daß man die Faulpelze, die jegliche Arbeit verweigern, dazu vergattert, wenigstens e t w a s zu tun -, auch, damit sich vielleicht bei dieser Minder-Bezahlung die Arbeits-Moral wieder verbessert?

Mag ja sein, daß solche Maßnahmen nicht in einen demokratischen Staat passen. Aber ich finde: weshalb sollen denn die Arbeitswilligen die sozialen Kassen für die Faulpelze auffüllen müssen?

Oder stehe ich mit dieser Auffassung neben Deinem Thema?


 Arno_Gebauer antwortete am 07.12.06 (15:23):

Hallo, Gerdi,

es geht doch um ehrenamtliche Tätigkeiten, die freiwillig
oder unter Zwang - beide ohne Arbeitsentlohnung -
geleistet werden.
Bei der lukrativen Jagd der Behörden, Verbänden, sozialen
Vereinen und Firmen nach möglichst vielen ehrenamtlich
Tätigen spielt weder die Motivation für die freiwillige
Aufnahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit noch die Art und
Weise der Zwangausübung für die Aufnahme einer solchen
ehrenamtlichen Tätigkeit eine Rolle.

Ehrenamt heißt im Prinzip "kostenloser Dienst oder
kostenlose Arbeitsleistung". Das Wort Ehre beinhaltet
für den "ehrenvollen" Wehrdienst auch den "ehrenvollen Soldatentod"!!!

Viele Grüße
Arno


 Gerdi antwortete am 07.12.06 (15:44):

Arno,
wir reden ein bißchen aneinander vorbei -, denke ich.

Aber so wie Du es meinst,
sollte man vielleicht den Begriff "Ehren-"Amt abschaffen.

An diesen Begriff hatte ich mich mit meinem Eingangs-Geschreibsel (07.12.06 (05:32)) zu sehr gehalten.


 maggy antwortete am 07.12.06 (18:44):

Ich differenziere den Begriff "Ehrenamt". Menschen, die für ehrenamtliche Tätigkeit Geld bekommen, sind für mich keine Ehrenamtlichen in dem Sinne.

Arno hat recht. Die Bundesregierung betont immer wieder, dass es ohne das ehrenamtliche Engagement von Menschen in vielen Bereichen nicht klappen würde.
Auf der einen Seite werden horrende Gehälter und Abfindungen gezahlt und auf der anderen Seite sollten sich Menschen ehrenamtlich ohne Bezahlung einbringen.
Aber, viele Töpfe sind leer und darum befürchte ich, dass die Jagd nach ehrenamtlichen Tätigen noch lange nicht aufhören wird.


 Arno_Gebauer antwortete am 08.12.06 (14:59):

Hallo, maggy,

stell Dir mal vor, all die ehrenamtlich in den
Kirchenvereinen tätigen Frauen würden sich die
"heiligen Bevormundungen" nicht mehr gefallen
lassen und würden das kirchliche Ehrenamt aufgeben!
Du glaubst gar nicht wie schnell die "Hirten" die
Unterdrückung der Frauen aufheben.

Viele Grüße
Arno


 Ummel antwortete am 09.12.06 (21:20):

Nun habe ich mir die Meinungen und (Vor)Urteile über das Ehrenamt als solches alle durchgelesen. Auch die Stimmungen für - mehr aber wider das Ehrenamt und derer Menschen, die solche “Ämter” bekleiden.

Ich bin erschüttert!

Und frage mal in die Runde: Wer von den hier Schreibenden ist denn ehrenamtlich tätig ?

Ich selbst “arbeite” ehrenamtlich in einem InternetCafe für Senioren. 2-mal wöchentlich für jeweils drei Stunden. Ich bin 58, arbeitslos und “lebe” von HARTZ-IV. Für meine Tätigkeit bekomme ich einen Fahrtkostenzuschuss, den ich auch benötige: Ich wohne ziemlich außerhalb der Stadt, bin auf den Bus angewiesen und könnte mir die Fahrten zu besagtem InternetCafe nur schwerlich von meinem Budget abzweigen.

Ich muss dazusagen: Die Einrichtung, in der ich - zusammen mit noch drei Ehrenamtlichen - arbeite, wird von der Diakonie unterhalten.

Vergangene Woche gab’s - wie jedes Jahr - für alle ehrenamtlichen Mitarbeiter der Diakonie und der AWO - die obligatorische Weihnachtsfeier. Ausgerichtet als Frühstück, bei dem dann so ziemlich alle Ehrenamtlichen zusammen kommen, die dort tätig sind.
Man trifft Menschen, auch jüngere, die sich in Kindergärten engagieren, es kommen Leute, die im Altenheim tätig sind und dort mit den alten Menschen spazieren gehen, ihnen vorlesen oder einfach “nur da sind”, Kolleginnen und Kollegen, die eine Schreibwerkstatt für Senioren auf die Beine gestellt haben, Ehrenamtliche, welche eine Telefonkette aufrecht erhalten, Leute aus der Bücherei der Einrichtung, und, und und. Die Liste wäre noch lang ....

Es sind meist Rentnerinnen und Rentner, welche diese Ehrenämter bekleiden. Und ich denke - nein: ich behaupte - dass nicht eine/r davon irgendeinen finanziellen “Vorteil” aus ihrem/seinem Engagement ziehen möchte !

Neben mir saß übrigens die Frau eines Kollegen aus “meinem” InternetCafe.
Sie engagiert sich ehrenamtlich in der Sterbebegleitung.

Peter


 pilli antwortete am 09.12.06 (23:20):

das alles, was du hier genannt hast Peter

tun sicherlich viele andere menschen auch; nur ohne den anspruch zu haben, ein "Ehrenamt" auszuführen und mit händen und füssen würden sie sich, wie ich erfahren durfte, dagegen wehren, nun "Ehrenamtler" zu sein.

für sie und mich ist es einfach selbstverständlich mitzumachen, wenn unterstützung gefragt ist und es bedarf sicherlich keines kostenlosen frühstückes oder verbilligter eintrittskarten oder anderer vergünstigungen zur motivation!

wer meint, sich so ein schild plakativ vor die stirne zu kleben, bitte sehr...

:-)


 Claude antwortete am 09.12.06 (23:28):

pilli ,
das sehen wir genauso Pilli, wir handeln auch danach!!! Aber wir reden nicht darüber.
Gruß Claude


 pilli antwortete am 09.12.06 (23:50):

ich weiß das Claude :-)

und von vielen, vielen anderen habe ich ähnliches erfahren; helfen wenn es notwendig scheint und die gegebenheiten es erlauben.


 doris16 antwortete am 14.01.07 (02:17):

Ein Problem bei diesem Thema ist wohl die Bezeichnung "Ehrenamt". Im Englischen heisst es "volunteer", was eine entschieden zutreffendere Bezeichnung ist. Ich war mal angestellt als "Voluntaer" (in Deutschland), d.h. ich bekam Kost und Logis aber keinen Lohn. Dieser Titel unterschied sich von "Lehrling" dadurch, dass ich Oberschulabschluss hatte.
Seit 1957 lebe ich in Kanada und bin seither - auch waehrend meiner Berufstaetigkeit - ein "volunteer" bei gemeinnuetzigen Organisationen. "Volunteer work" ist hier recht hoch angesehen, und wird bei Bewerbungen (Lebenslauf/Resume) immer angegeben. Viele solcher Organisationen koennten garnicht ohne volunteers existieren. Behoerden und sonstige finanzielle Quellen erwarten, dass diese Organisationen nicht nur bezahltes Personal sondern auch volunteers haben.
Ich habe in den verschiedensten Situationen viel gelernt, habe aber auch Gelegenheit, meine akademischen und sonstigen Kenntnisse, unbezahlt, beizutragen. Das ist vor allem wichtig, wenn man - wie ich seit 20 Jahren - im Ruhestand ist.