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THEMA:   Dichterbriefe

 122 Antwort(en).

Literaturfreund begann die Diskussion am 13.11.05 (11:01) :

Ein Dichter an den Dichterfreund:

Wer schrieb diesen Brief, fragt die ZEIT in dieser Woche?

*

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/Bat6W9Ofa


 angelottchen antwortete am 13.11.05 (13:10):

Der erste Brief Schillers an Goethe ...
Müsste sich im Goethe/Schiller-Archiv in Weimar befinden, wo allein 90% der von circa 3350 Absendern mehr als 20000 Briefe (die amtliche Korrespondenz nicht eingeschlossen) an Goethe überliefert, von denen bislang nur etwa 8000 – verstreut in mehr als 600 Ausgaben – ganz oder in Auszügen gedruckt vorliegen.
(Quelle: https://www.weimar-klassik.de)

Hier kann man stöbern:

Internet-Tipp: https://ora-web.swkk.de:7777/swk-db/db_all.html


 angelottchen antwortete am 13.11.05 (20:03):

nicht von einem Dichter - aber vo wem wird wohl dieser Brief stammen?

"Gnad vnd fride yn Christo zuuor, gestrenger, ernuester, lieber herr
geuatter. Euch ist wol wissentlich, wie ich E.g. vngeferlich fur dreyen
jaren gebeten, daß myr das gut "_Booß_" myt seynen zugehorungen vmb
eynen gewonlichen zynß zu meyner teglichen hawßhaltung wie eynem andern
mochte gelassen werden, als denn auch meyn lieber herr bey doctor
Brug diselbige zeyt deshalben hat angeregt; ist aber dasselbig mal
vorblieben, daß ichs mecht bekommen, vylleycht daß doselbst nicht loß
ist gewesen von seynem herrn, der es vmb den zynß hat ynnen gehabt. Ich
byn aber unterrichtet, wie der kruger von Brato, welcher es dysse zeyt
ynnengehabt, soll iezund solch gut loßgeschrieben haben, wo solchs also
were, ist meine freuntliche bytte an Euch also mynen lieben gevattern,
wollt myr zw solchem gut fodderlich seyn vmb denselbigen zynß, ßo eyn
ander gybt, wyll ichs von herczen gerne annehmen vnd die zynße deglich
an zwen orth vberychen. Bitte gancz freuntlich, e.g. wolde myr Ewer
gemueth wyder schreyben vnd das beste rathen yn dyssem fall vnd
anzceygen, wo ich etwas hyrin vnbyllichs begert vnd woldet denen nicht
stadgeben myt yrem argkwone, alß ßolde ich solchs gut fur mich odder
meyne kinder erblich begeren, welche gedanken yn meyn hercz nie kommen
synd. Hoffe zu gott, er werde meynen kindern, ßo sie leben vnd sich
fromlich vnd ehrlich halten wurden, wol erbe beschern, bytte alleyne,
das myrs ein jar odder zwey vmb eynen zymlichen geburlichen zynß mochte
gelassen werden, damyt ich meyne haushaltung vnd vyhe deste bekwemer
erhalten mochte, weyl man alles alhier vfs tewerst kewfen muß vnd myr
solcher ort, der nahe gelegen, ßer nuezlich seyn mochte. Ich habe meynen
lieben herrn iczt yn dvßer sachen nicht wollen beschweren, an Euch
zuschreyben, der sunst vyl zu schaffen, ist auch on noth, daß E.g.
solchs meyn antragen ferrer an ymandes odder an m. g'sten herrn wolde
gelangen lassen, ßunder ßo Ir solche myne bytte fur byllich erkennet,
daß Irs myt dem schoßzer zw Seyda bestellen wolt, daß myr solch gut vmb
eynen geburlichen zynß wie eynen andern mochte eyngethan werden. Domyt
seyet gott bepholen.


 Miriam antwortete am 13.11.05 (20:55):

Das ist ein Brief von Frau Käthe, die ihren Gevatter Landrentmeister Hans von Taubenheim schreibt, weil sie ein landwirtschaftliches Gut pachten möchte.

Frau Käthe ist die treue Gattin Martin Luthers. Sie hiess Katharina von Bora, und war eigentlich eine Nonne, die 1524 aus dem Kloster Nimbschen geflohen war.

Und dieses Thema ist ein höchst amüsanter Einfall, werde mich bemühen Euch mit einem fast unzumutbaren Dichterbrief schlaflose Nächte zu bereiten.

Aber bis dann wünsche ich Euch eine gute Nacht

Miriam


 angelottchen antwortete am 13.11.05 (21:08):

:-) Der gute Herr Käthe, jawoll :-))
Ein wahrlich schönes Thema und nun suche ich erst einmal einen Brief heraus, den man NICHT so schnell im Netz findet :-)


 Miriam antwortete am 13.11.05 (21:48):

"Ich bin wieder in Berlin wo ich hingehör denn ich setze mich immer wieder dorthin. Unbegreiflich! Von hier aus reist man im Gedanken oft nach anderen Städten, hier will man wenigstens fort, wo anders aber findet man Pendants, ich meine ähnliche Menschen wie man selbst ist, wenn auch verkitschte im prunkenden Rahmen. Ich bin lebensmüde und will abenteuerlich sterben. Ich habe alles satt, selbst das Laub an den Bäumen. Immer grün und immer grün. Wenn mir doch einmal zaubernde Menschen begegneten, ich meine solche, die große Wünsche hätten, sie sind alle ernsthaft, nur ich bin ernst. Ich bin so einsam - wer mich lange ansieht, fällt in einen Schacht. Sie sind glücklich, Cardinal, alle Menschen mit blauen Augen sind glücklicher als die, welche unbegreiflich in sich sehen, wie durch schwarz Seidenpapier. Ich wollt jemand schenkte mir einen Stern, mit dem ich mich ab und zu sichtbar machen könnte. Ich bin ruhlos aus banger Langweile geworden, was ich tue, wird zur Eigenschaft und gähnt. Sie verstehen mich und darum richte ich an Sie diesen Brief, vielleicht den letzten Brief, den ich überhaupt schreibe, mein entgültiges Abenteuer."

Ende des Zitats.

Um es vorweg zu sagen: im Brief gibt der/die schreibende Person wieder, was sie eigentlich einem dritten gerne schreiben würde...

Soweit von mir korrekt recherchiert, hat es keinen Sinn sich im Googeltaumel zu verlieren für diesen Text...


 Literaturfreund antwortete am 13.11.05 (22:32):

Interessanter Brief, Miriam! Ein Melancholier an einen "Cardinal"? Na, da bin ich gespannt auf die Auflösung!
*
Und wer schrieb…:

KÖNIGLICHE MAJESTAET!

Durch einen Erlaß des KÖNIGLICHEN hochpreislichen Consistoriums vom 29. November vorigen Jahrs wurde ich für den Fall, daß ich meine Stelle noch immer nicht ohne Gehilfen sollte versehen können, aufgefordert, um Pensionirung bis zu meiner Wiederherstellung allerunterthänigst zu bitten. Da ich jedoch das Amt mit heurigem Frühling allein zu übernehmen mir getraute und nur über die Wintermonate noch einen Vikar mir erbat, so wurde diesem Gesuch in der Voraussetzung entsprochen, daß ich mein Vorhaben alsdann um so gewißer würde vollziehen können. Ich fuhr sonach fort, mich neben meinem Gehilfen in allen Theilen des Amtes zu üben und zwar, einige kleinere Anstöße meiner Gesundheit abgerechnet, im Ganzen nicht unglücklich und guter Hoffnung voll. Allein die leztre trübte sich, nachdem ich erst wieder allein stand, sehr bald. Ein allgemeines Schwächegefühl, das mich seit Jahren eigentlich nie verlassen hat und sich bei jeder Art von länger fortgesezter Anstrengung, vornemlich bei der physisch geistigen der öffentlichen Rede zeigte, ist kürzlich in Folge meiner neu übernommenen ungetheilten Amtsthätigkeit, in erhöhtem Grade eingetreten. Vermehrter Blutandrang nach dem Kopfe, Schwindel, Kopfschmerz, ein heftiges, nicht selten die Sprache hinderndes Herzklopfen und gegen das Ende ein auffallender Nachlaß der Kräfte waren die Anzeigen, die meine neuesten Vorträge und kirchlichen Verrichtungen theils begleiteten, theils ihnen folgten; besonders auch macht eine, mehr nur im Anfang meiner Krankheit bemerklich gewesene Schwäche der rechten Seite des Körpers, zumal im Fuße, sich neuerdings wieder sehr fühlbar. Bei meiner lezten Katechisation und Taufhandlung, nachdem ich für die Vormittagspredigt bereits die Hilfe eines benachbarten Geistlichen hatte in Anspruch nehmen müssen, ward mir so schlimm, daß die Gemeinde sowohl als ich selber jeden Augenblick mein Umsinken erwartete. Unter solchen Umständen bin ich nun freilich nicht nur für die nächste Zeit zu allen Geschäften unfähig, sondern ich sehe nach den gemachten Erfahrungen ein, daß, wenn auch, wie ich hoffe, mein gegenwärtig verschlimmerter KrankheitsZustand ein vorübergehender ist und auf diejenige mittlere Stufe der Besserung zurückzuführen seyn wird, auf welcher ich mich noch bis vor wenigen Wochen erhielt, ein wiederholter Versuch, meinem Beruf selbständig nachzukommen, bevor das Grundübel gehoben ist, einen gleichen, wo nicht einen weit nachtheiligern Erfolg haben würde; ich sehe ein, daß mir im leztern Fall durch ein noch schwereres Erkranken alle Aussicht, der Kirche noch einmal zu dienen, ja auch nur meine Existenz auf erträgliche Art zu erhalten, für immerdar geraubt wäre.
*
Forts. folgt.
*
Ein nicht direkt verräterisches Bild soll ihn illustrieren.

Internet-Tipp: https://www.tagblatt.de/homepages/diegel/beb1.jpg


 Literaturfreund antwortete am 13.11.05 (22:33):

Ein Pastor an seinen Landesherrn und Bischof:
(Forts. )

Nachdem ich auf das Neue in mein Amt hineingegangen war, mit ganzem und redlichem Willen, und, setze ich nicht ohne Grund hinzu, mit einer innerlich entschiedenen Liebe zur Sache, - wie ich mir selbst und jeder der mir näher steht, auch sicherlich meine Gemeinde, gewissenhaft das Zeugniß geben kann -, so finde ich mich nun in meiner anfänglichen Hoffnung zwar schmerzlich getäuscht und kann die Nothwendigkeit einer gänzlichen Änderung meiner bisherigen Verhältnisse, wobei nur in Einer Rücksicht, der gesundheitlichen, etwas für mich zu gewinnen, in jeder andern aber nur zu verlieren ist, nicht anders als beklagen. Doch eben das Bewußtseyn, mit Aufbietung aller meiner Kräfte das Meinige gethan zu haben, macht es mir möglich, mit größerer Ruhe, als ich sonst könnte, auf meine derzeit sehr ungewiße Lage hinzublicken, und mich an die Großmuth Eurer KÖNIGLICHEN MAJESTAET mit unbegränztem Vertrauen ehrfurchtsvollst zu wenden.
Ich bin ohne Vermögen, und habe an den Opfern, die ich meiner Familie als Sohn und als Bruder gebracht, noch jezt zu tragen. Ob und in wie weit ich im Stande seyn werde, künftig, neben der Sorge für meine körperliche Wiederherstellung, durch Privatarbeiten etwas für meine Subsistenz zu thun, ist höchst zweifelhaft. In dem nächsten Jahre habe ich mir davon entweder Nichts, oder, mit Benützung einzelner Stunden, nur sehr wenig zu versprechen.
Nach dieser ganzen, der lautersten Wahrheit gemäßen, Darstellung, und unter Beilegung eines ärztlichen Zeugnisses, wage ich denn, Eurer KÖNIGLICHEN MAJESTÄT die Bitte um gnädigste Enthebung vom PredigtAmt und huldvolle Verleihung einer Pension unterthänigst zu Füßen zu legen.

In tiefster Ehrfurcht verharrend
EURER KÖNIGLICHEN MAJESTÄT
allerunterthänigst
treugehorsamster
………., Pfarrer. (Selbstverfaßt.)


 Marina antwortete am 13.11.05 (23:30):

Mörike?


 Miriam antwortete am 14.11.05 (10:07):

Literaturfreund schrieb gestern:

"Interessanter Brief, Miriam! Ein Melancholier an einen "Cardinal"? Na, da bin ich gespannt auf die Auflösung"

Die Auflösung gibt es noch nicht.
Aber nochmals den Hinweis: Die schreibende Person stellt sich vor, was sie dem "Cardinal" gerne in einem Brief schreiben möchte, und teilt diesen Phantasiebrief den Adressaten, also einer Drittperson, mit. Eher ironisch gemeint die Vorstellung eines solchen Briefes, ist der Cardinal kein Kirchenfürst, sondern eher ein "Fürst" seines Metiers. Wir alle kennen ihn, und ich denke, dass die meisten ihn auch lieben.

Ich setze in der Folge noch einen Teil des Briefes hier ein.


 Miriam antwortete am 14.11.05 (10:43):

Fortsetzung des Briefes des Schriftstellers/in, den Ihr erraten solltet:

"Ich liebe keinen Menschen mehr auf der Welt, ich will auch von denen nichts wissen, die mir gut taten. Böstaten stacheln wenigstens an. Also wenn Sie mir meinen Wunsch nicht erfüllten, würde ich Ihnen im Grunde dankbar sein, wohlwissend - Sie verschmähen die Dankbarkeit. Früher war ich Schauspielerin, nun sitz ich in der Garderobe und verbrenne den Zuschauern die Mäntel und Strohhüte. Ich bin eben enttäuscht. Ich habe immer nach der Hand gesucht, und was lag in meiner Hand - wenns gut ging - ein schwedischer Handschuh. Mein Gesicht ist nun wie Stein, ich habe Mühe es zu bewegen. Soll man stolz darauf sein, es braucht einem kein Denkmal mehr gesetzt werden. Wenn ich wenigstens an Festtagen geschmückt würde. Je mehr Angst ich habe, desto enormer wächst meine Furchtlosigkeit. Aber Angst habe ich immer, wo flattert ein Vogel in mir, kann nichtmehr aufsteigen. Wenn ich tot bin, wird eine Dame ihn am Hut tragen. Das tiefste und das schiefste Vermächnis, das jemand hinterließ. Oder wollen Sie ihn haben im Glaskasten über Ihren Schreibtisch? Vielleicht fängt er morgens zu singen an. Auf dies Lied wartete ich ein Lebenlang. Also endlich mit der Sprache heraus, heil Dir im Siegerkranz - ich hat einen Kameraden - nun das österreichische Nationallied, den Marsch der Schellen und Dudelsäcke zu Theben - wollen Sie mein Journal der wilden Juden so unter Hand mitdrucken lassen, die [...] merkts gar nicht und ich habe eine Existenz.

Ihr Sie bewundernder [...].

Meinst Du er täts [...]?"

Ende des Briefes. Aber dieser Brief ist Teil eines wunderschönen, witzig-melancholischen Briefwechsels.

Bei der Wiedergabe des Briefes, habe ich, wie Ihr sieht, drei Worte, besser gesagt Namen, ausgelassen.


 Marina antwortete am 14.11.05 (11:30):

Die Schreiberin des Briefes klingt mir sehr nach Else Lasker-Schüler, kann das sein? Die Unterschrift könnte lauten: "Ihr Sie bewundernder Jussuf, Prinz von Theben", so nannte sie sich u. a, und sie erwähnt ja auch "Dudelsäcke zu Theben". Aber an wen der Brief ging? Sie hatte ja viele Freunde, u. a. Peter Hille und Gottfried Benn. Ich bin gespannt, ob ich richtig liege.


 Enigma antwortete am 14.11.05 (12:09):

Hallo, ich bin auch wieder da...
Und schließe mich den Worten meiner "Vorrednerin" an. Ich glaube auch, dass es um Else-Lasker-Schüler geht, denn meines Wissens hat sie Karl Kraus "Cardinal" genannt.
Und befreundet war sie u.a. auch noch mit Franz Marc.
Und bei der Vorliebe von Miriam für die Malerei könnte er es auch gewesen sein, dem sie schrieb??
Miriam, uns nun spann uns nicht länger auf die Folter..:-))


 Marina antwortete am 14.11.05 (12:14):

*freu*, dann liegen wir bestimmt richtig. Ich bin auch gespannt. Aber auch Literaturfreund muss sein Rätsel noch auflösen, das ist genauso spannend.


 Enigma antwortete am 14.11.05 (12:18):

Auch bei "Mörike" stimme ich Marina zu. :-)


 pilli antwortete am 14.11.05 (12:20):

wenn es denn Else-Lasker-Schüler ist, :-)

dann darf der hinweis von Literaturfreund auf die dichterin nicht fehlen, der im link angegeben ist.

"Karl Kraus schrieb von Else Lasker-Schüler, sie sei „die einzige männliche Erscheinung der heutigen deutschen Literatur“. Er hat ihr sein Buch „Epigramme“ gewidmet. Er achtete Else Lasker-Schüler sehr hoch, hat einmal für sie Geld gesammelt und oft bewundernd auf sie hingewiesen. Doch zugleich konnten ihre Schwächen ihm nicht entgehen. Als sie, laut Zeitungsnachrichten, ihren fünfzigsten Geburtstag feierte, meinte er: „Wie man jung wird!...“ Einmal sagte er: „In ihr steckt ein Erzengel und ein Marktweib.“ Ein anderes Mal: „Sie hat zuweilen so einen Zug um die Mund­winkel, der bedeutet ‘Ihr seid mir schön hereingefallen’.“

...

fein, dass es google hat und möglich ist, lesenswerte themen miteinzubeziehen.

:-)

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/threads4/thread1114.php


 Miriam antwortete am 14.11.05 (12:22):

Hallo Marina,

gut geraten! Es ist einer der Briefe von Else Lasker-Schüler an ihren wunderbaren Freund, Franz Marc.

Der Brief fängt mit den Worten an:

"Mein lieber blauer Reiter,

du freust Dich über meine <neue Liebe> - Du sagst das so leicht hin und ahnst nicht, daß Du eher mit mir weinen müßtest - denn - sie ist schon verloschen in seinem Herzen, wie ein bengalisches Feuer, ein brennendes Rad, es fuhr mal eben über mich."

Weiter im Brief, stellt Elschen sich folgendes vor:

"Ich werde eine Zeitschrift gründen, die wilden Juden, eine kunstpolitische Zeitschrift und ich schreib an Karl Kraus einen Brief, ungefähr so, hör: Lieber, verehrter, venezianischer Cardinal. Wie kommts, dass ich so oft Lust habe politische Briefe an Sie zu schreiben..."

In der Zeile "Ihr Sie bewundernder [...]."

heisst es natürlich:

"Ihr Sie bewundernder Jussuf, Prinz."

und korrekt heisst es dann am Ende des Briefes:

"Meinst Du er täts Franzlaff?"

Der Briefwechsel zwischen Else Lasker-Schüler und Franz Marc, nennt sich:

"Der Blaue Reiter präsentiert Eurer Hoheit sein Blaues Pferd"
Karten und Briefe

und ist bei Prestel erschienen. Das Buch ist bei Amazone erhältlich, und ist wunderschön, nicht nur wegen der Briefe, sondern auch wegen der Karten, also der Bilder, mit denen Franz Marc die Briefe von Else erwiderte.

Lieben Gruß - wir rätseln weiter - ja?

Miriam

Internet-Tipp: " target="_blank">


 Miriam antwortete am 14.11.05 (12:29):

Als ich an Marina anfing zu schreiben, (dauerte etwas, da ich ein blaues Pferd auch einsetzen wollte und es suchte - ausserdem telefonierte ich)

und da hatten die anderen Schreiberinen sich noch nicht zu Wort gemeldet. Also gillen jetzt natürlich meine Zeilen auch an alle die sich noch eingeklinkt haben, und die ich nicht "sehen" konnte.

Miriam


 Enigma antwortete am 14.11.05 (12:58):

Es geht weiter, und zwar mit einem Brief einer Frau an einen Schriftsteller:

"Joey, Lieber -
Es ist ganz schrecklich - 6 mehr oder weniger nette Briefe hab ich von dir - und du hast nicht einen von mir, und durch dich verdiene ich mein täglich Brot! Es gibt keine Entschuldigung außer daß ich schwer zu tun habe mit der Tournee - und drei heftige Erkältungen und ein Husten und drei Ärzte und eine Pflegerin und zwei Abende versäumt - und mehr als einmal 9 Vorstellungen die Woche und die letzte Woche in New York elf Vorstellungen, zehn davon Tanqueray - und ein Szenenbild mit ein paar Worten der Melisande, und achtmal........."(lasse ich weg, sonst ist es zu leicht :-)
Wenn ihr es nicht schon wisst, schiebe ich auch ein paar Informationen nach...
Bis bald. Da ich weg war, muss ich jetzt erstmal einkaufen.


 Marina antwortete am 14.11.05 (12:58):

Danke, Miriam, für die Auflösung und die Anregungen sowie auch das schöne Bild. Ich freue mich, dass ich richtig geraten habe. Solche Rätsel machen Spaß, viel mehr als politische Diskussionen, endlich mal wieder etwas Entspannendes. :-) Ich werde mich bemühen, auch mal eins zu finden. Heute habe ich nicht mehr viel Zeit, aber vielleicht morgen.


 Marieke antwortete am 14.11.05 (13:53):

Betr.Literaturfreund vom 13.11.:

meine Meinung auch "Mörike". Enigma und Marina schrieben das schon, wie ich dann sah.
Bin gespannt! Bitte mehr davon!!


 Literaturfreund antwortete am 14.11.05 (23:43):

Ja, der Brief, der die Pensionierung zu einem jämerlichen Betrag einleitete, war von Eduard Mörike, der damit die Pfarrstelle in Cleversulzbach aufgab, um dann nach Stuttgart zu ziehen.

Hier ist wieder Post da! Neu!
*
Ein Brief, geschrieben an einen wichtigen Mann des Deutschen Kaiserreiches:

19. Juni 1895
Ew. Durchlaucht!

Vielleicht hatten einzelne meiner literarischen Arbeiten das Glück, von Ew. Durchlaucht bemerkt zu werden. Ich denke: vielleicht meine Aufsätze über den französischen Parlamentarismus, die im Feuilleton der „Neuen Freien Presse“ unter den Titeln „Wahlbilder aus Frankreich“ und „Das Palais Bourbon“ erschienen sind.
Gestützt auf diese fragwürdige und geringe Autorität, bitte ich Ew. Durchlaucht, mich zu einem politischen Vortrage zu empfangen.
Ich will mir nicht etwa auf diese Weise ein Interview erlisten.
Durchlaucht gewährten übrigens zuweilen einem Journalisten diese Gunst, und unter andern erfuhr ja auch ein Herausgeber meiner Zeitung in Wien die Auszeichnung, vorgelassen zu werden. Aber ich denke an nichts dergleichen. Ich gebe, wenn es gewünscht wird, mein Ehrenwort, daß ich nichts von dieser Unterredung in Zeitungen veröffentlichen werde, wie kostbar sie auch für meine Erinnerung werden möge.
Und worüber will ich den politischen Vortrag halten? Über die Judenfrage. Ich bin ein Jude und als solcher ad causam legitimiert.
Euer Durchlaucht haben übrigens schon einmal mit einem ebenfalls mandatlosen Juden, Lassalle, über nicht rein jüdische Angelegenheiten gesprochen.
Und was habe ich zur Judensache vorzubringen? Es ist eigentlich recht schwer, das Wort auszusprechen. Denn wenn ich es heraussage, muß die erste Regung jedes vernünftigen Menschen sein, mich aufs Beobachtungszimmer zu schicken Abteilung der Erfinder von lenkbaren Luftballons.
Ich glaube die Lösung der Judenfrage gefunden zu haben. Nicht »eine Lösung«, sondern »die Lösung«, die einzige.
Das ist ein sehr umfangreicher, komplizierter Plan. Ich habe ihn, nachdem er fertig geworden, hier zwei Juden mitgeteilt, einem sehr reichen und einem armen; letzterer ist ein .gebildeter Mann. Ich will wahrheitsgemäß sagen, daß der Reiche mich nicht für verrückt hielt. Oder tat er nur aus Delikatesse, als ob ich ihm noch gesund vorkäme? Genug, er ging auf die theoretische Möglichkeit ein und meinte nur schließlich: »Dazu kriegen Sie die reichen Juden nicht, die sind nichts wert.« (Ich flehe Ew. Durchlaucht an, dieses Familiengeheimnis nicht zu verraten.)
Beim armen Juden aber war die Wirkung anders. Er schluchzte bitterlich. Anfangs meinte ich - ohne darüber erstaunt zu sein -, daß ich seinen Verstand überwältigt und sein Herz erschüttert habe. Nein! Er hatte nicht als Jude geschluchzt, sondern als Freund. Er war um mich besorgt. Ich mußte ihn aufrichten, ihm schwören, daß nach meiner festen Überzeugung zweimal zwei noch immer vier sei, und daß ich den Tag nicht kommen sehe, an dem zwei parallele Linien zusammentreffen könnten.
Er sagte: »Durch diese Sache machen Sie sich lächerlich oder tragisch!«
*
Forts. folgt.


 Literaturfreund antwortete am 14.11.05 (23:45):

Forts.:
Ew. Durchlaucht, lassen Sie sich meinen Plan vortragen! Im schlimmsten Falle ist er eine Utopie, wie man vom Thomas Morus bis Bellamy deren genug geschrieben hat. Eine Utopie ist um so lustiger, je weiter sie sich von der vernünftigen Welt entfernt.
Daß ich aber jedenfalls eine neue, also unterhaltende Utopie mitbringe, wage ich zu versprechen. Diesem Briefe lege ich einen von mir in der „Neuen Freien Presse“ vor zwei Jahren publizierten Leitartikel über die »Arbeitshilfe« bei. Nicht als merkwürdige schriftstellerische Leistung schicke ich ihn, sondern weil das Prinzip der Arbeitshilfe einer der vielen Pfeiler ist, auf denen mein Gebäude ruht.
Ich wußte, als ich hier vor zwei Jahren alle diese Anstalten studierte und darüber schrieb, nicht, daß mir das später für die Lösung der Judenfrage dienen würde. Dennoch müßte ich diesen Aufsatz meinem Vortrage vorausschicken. Ich bitte also, ihn vorläufig zur Kenntnis zu nehmen. Es wird ja daraus hervorgehen, daß ich kein Sozialdemokrat bin.
Es wird Ew. Durchlaucht ein leichtes sein, in Hamburg, Berlin oder Wien Erkundigungen einzuholen, ob ich bisher als vernünftiger Mensch galt und ob man mich könne ins Zimmer kommen lassen - bien que ca n'engagerait pas 1’avenir. Aber wie ich mir den Fürsten Bismarck vorstelle, brauchen Sie gar keine Erkundigungen mehr, nachdem Sie diesen Brief zu Ende gelesen haben. Wer so in den Gesichtern, in den Eingeweiden der Menschen liest, der versteht auch das Innere einer Schrift. Nur der Mann, der mit seiner eisernen Nadel das zerrissene Deutschland so wunderbar zusammengenäht hat, daß es gar nicht mehr aussieht wie geflickt nur der ist groß genug, mir endgültig zu sagen, ob mein Plan ein wirklich erlösender Gedanke ist oder eine scharfsinnige Phantasie.
Ist es ein Roman, so genoß ich die Gunst, Ew. Durchlaucht ein wenig zerstreuen zu dürfen, und stillte dabei meine alte Sehnsucht, mit Ihnen einen Augenblick zu verkehren - eine Sehnsucht, die ich ohne eine so bedeutende Veranlassung nie zu äußern gewagt hätte. Ist es aber wahr, habe ich aber recht, so gehört der Tag, an dem ich nach Friedrichsruh komme, in die Geschichte. Wer will es noch wagen, meinen Plan einen hübschen Traum zu nennen, nachdem der größte lebende Staatskünstler seinen Stempel darauf gedrückt hat? Und für Sie, Durchlaucht, ist es die mit allen stolzen Werken Ihres ruhmvollen Lebens in sittlichem, nationalem und politischem Einklange stehende Beteiligung an der Lösung einer Frage, die, über die Juden weit hinaus, Europa quält.
Die Judenfrage ist ein verschlepptes Stück Mittelalter, mit dem die Kulturvölker auf andere als die von mir geplante Weise auch beim besten Willen nicht fertig werden können. Man hat es mit der Emanzipation versucht, sie kam zu spät. Es nützt nichts, plötzlich im Reichsgesetzblatt zu erklären: »Von morgen ab sind alle Menschen gleich.«
Dergleichen glauben nur die Politiker auf der Bierbank und ihre höheren Kollegen, die Kathederschwätzer, die Klubfaselhänse. Und es fehlt den letzteren sogar das Beste jener minder gelehrten Übungen, nämlich das Bier!
Hätte man die Juden nicht lieber allmählich zur Emanzipation aufsteigen lassen und bei diesem Aufstieg sanft oder energisch, je nachdem, assimilieren sollen? Vielleicht! Wie? Man hätte sie durch die Mischehe hindurchsieben können und für einen christlichen Nachwuchs sorgen. Aber man mußte die Emanzipation hinter die Assimilation setzen, nicht davor. Das war falsch gedacht. Jedenfalls ist es auch dafür zu spät.
*
2. Forts. folgt.


 Literaturfreund antwortete am 14.11.05 (23:46):

2. Forts.:

Drängen Sie die Juden gewaltsam zum Lande hinaus, und Sie haben die schwersten wirtschaftlichen Erschütterungen. Ja, selbst eine Revolution, ausschließlich gegen die Juden gerichtet - wenn so etwas denkbar wäre -, brächte den unteren Schichten auch beim Gelingen keine Erleichterung. Das bewegliche Kapital ist unfaßbarer als je geworden. Es versinkt augenblicklich spurlos im Boden, und zwar in der Erde fremder Länder.
Ich will aber nicht von Dingen reden, die unmöglich, zu spät, sondern die an der Zeit sind. Höchstens ist es noch zu früh - denn an das Romanhafte meiner Ideen glaube ich nicht, bevor ich es aus Ihrem Munde höre.
Ist mein Plan nur verfrüht, so stelle ich ihn der deutschen Regierung zur Verfügung. Man wird ihn benutzen, wann man es für gut findet.
Nun muß ich, als ein Planmacher, mit allen Eventualitäten rechnen. Auch auf die, daß Ew. Durchlaucht mir gar nicht antworten oder meinen Besuch ablehnen.
Dann ist mein Plan ein Roman. Denn klarer als ich in diesem Briefe die Berechtigung des Wunsches, Ew. Durchlaucht meine Lösung vorzutragen, nachgewiesen habe klarer kann ich auch die Möglichkeit der Lösung selbst nicht nachweisen. Dann bin ich auch beruhigt. Dann habe ich einfach geträumt, wie die Utopisten, vom Kanzler Thomas Morus angefangen bis Bellamy.
Ich bitte Ew. Durchlaucht, die Versicherung meiner tiefen Ehrfurcht und Bewunderung entgegenzunehmen.

Dr. ..... .....
(Pariser Korrespondent der Neuen Freien Presse)


 nasti antwortete am 15.11.05 (00:27):

AAAAch, das sind wunderschöne Briefe! Voller Geist und Esprit.
Besonders gefiel mir Miriam Ihr ernster Brief, dass…"Ich bin wieder in Berlin…

Wenn ich so gut schreiben könnte, denke ich auch so ähnlich, wären das meine Worte


 Marina antwortete am 15.11.05 (00:40):

Könnte Theodor Herzl sein. Biref an Kaiser Wilhelm II?

Internet-Tipp: https://schule.judentum.de/projekt/herzl.htm


 Enigma antwortete am 15.11.05 (07:59):

Guten Morgen,

Marina, ich bin mal wieder auch deiner Meinung (die Kandidatinnen erhalten 100 Punkte für Übereinstimmung) :-)), dass es um Herzl ging, der ja, wie auch dein Link beweist, der geistige Vater der Idee eines Judenstaates war.
Und um diese Idee zu realisieren, schrieb er ja auch alle möglichen einflussreichen Leute an.
Nur denke ich, dass er sich nicht direkt an Wilhelm II. wandte, sondern vielleicht eher an Bismarck, den er sehr verehrt haben soll??


 Enigma antwortete am 15.11.05 (08:21):

Und jetzt lasse ich mal den Schriftsteller seiner Briefpartnerin (she. 14.11., 12.58 Uhr!) mit einem Auszug aus einem Brief etwas mitteilen. Das ist jetzt keine direkte Antwort auf ihren Brief, von dem ich einen Teil eingestellt hatte, sondern der Schriftsteller antwortet ihr hier zu einer völlig anderen Situation:

"....(Name der Frau): treibe nicht dein Spiel mit mir.Du weißt sehr gut, du brauchst nur um eine denkbar winzigste Schattierung nobel und gekränkt auszusehen, und mein steinernes Herz wird zu Wasser; und das darfst du nicht bloß so zum Spaß machen - Katz und Maus - nicht daß ich dir den Spaß nicht gönne, durchaus nicht, aber als ich zurückkam, wußtest du nicht, was du mit mir anfangen solltest, und hieltest es für nötig, dich unangenehm zu zeigen, um mich wieder loszuwerden.
Als du neulich mit einem erzwungenen Lächeln die Tür hinter mir schlossest und "Uff" sagtest als sie zuschlug, da sagte ich mir: "Es hat also alles in allem nur einen Monat gedauert!" Und dann fiel mir ein, daß es mitten im Sommer begann, und daß es ein ganzes Jahr dauerte. Ein ganzes Jahr bin ich um deinetwillen ein Heiliger gewesen....
Und das Jahr ist kaum vorbei.da sagst du "Geh und liebe eine andere und laß mich in Ruhe."
Ich gebe zwar nichts darauf, was du sagst. Aber du bist von Natur eine derartige Schauspielerin, daß du dich ohne es zu wissen von Kopf bis Fuß verwandelst und vor den verblüfften Augen deiner Verehrer plötzlich eine andere darstellst.

Fortsetzung!


 Enigma antwortete am 15.11.05 (08:41):

Fortsetzung!

Ehe du meiner müde wurdest und wieder in die alte Ansicht vom Theater zurückfielst,die Ich, meine Gnädigste, erledigt hatte, und ins Soupieren und Dinieren mit diesen lieben netten Gespenstern von Nichtstuern, zu denen ich Deinetwegen so freundlich bin, da hast du dich für mich mit Schönheit geschmückt. Als du dich an mir sattgesehen und mich, sozusagen, hinuntergespült hattest, und mit Behagen wieder deine alten Ansichten über mich und alles andere hervorholtest,zeigtest du mir die kalte Schulter und konntest so wundervoll die Lippen und Augen zukneifen und den Hals in Falten ziehen und dich in die Brust werfen wie ein Täuberich, daß du auf mich genau so wirktest, wie ein Schweineschnitzel. Ich hätte es nicht für möglich gehalten: es interessierte beinahe ebenso den Kritiker, wie es den Mann kränkte. Aber ich bin ein Heiliger und ein Vegetarier, und ich will meine eigene..... (Name) haben und niemanden sonst. Ich will meine Harfe haben und nicht die Ziehharmonika, die du dir stattdessen zulegtest." (....)

Ich kann euch versichern, dass dieser Briefwechsel eine erhebliche Bandbreite an Gefühlen und Situationen umfasste,
für mich ungemein interessant zu lesen.
Und ich kann euch auch versichern, dass er damit noch nicht zu Ende war und noch lange, lange andauerte...
:-))


 Marina antwortete am 15.11.05 (17:25):

Uff, Enigma, das hat mich viel Überlegung und Suche gekostet. Ich wollte es unbedingt rauskriegen, war zwischendurch länger mal auf einem völlig falschen Dampfer. Und obwohl ich diesen Briefwechsel nicht kenne, glaube ich, dass ich's habe. "Bei Gott, jetzt hat sie's". Text aus einem Stück des Schriftstellers, stimmt's? Das war wirklich schwer, und ich weiß ja auch noch nicht, ob ich's wirklich habe.
Briefwechsel zwischen Stella Patrick Campbell und George Bernhard Shaw? Ist das richtig?

Du hättest wenigstens die Nationalität angeben können, um es leichter zu machen. :-) But if it's right, I would be happy. If not, I would be frustrated. :-)


 Miriam antwortete am 15.11.05 (17:32):

Hallo Enigma,

du schreibst:

"Ich kann euch versichern, dass dieser Briefwechsel eine erhebliche Bandbreite an Gefühlen und Situationen umfasste."
Schon aus den beiden Texten, also ihrem Brief, dann seinem Brief, spührt man, dass es keine Langweiler waren. Und, dass sie wahrscheinlich die ganze Klaviatur hinauf und hinunter gespielt haben. Gespielt, nicht im Sinne von "es war bloss ein Spiel...".

Ich komme nicht auf die Verfasser der Briefe, und bin sicher, dass wir im Nachhinein sagen werden, dass es doch eindeutig "diese beiden" waren.

Gibst du uns noch einen kleinen Hinweis? Zum Beispiel: sind die Briefe auf Deutsch geschrieben?


 Marina antwortete am 15.11.05 (18:23):

Ha, jetzt kommt meine Rache. Wer schrieb diesen Brief? An wen, werdet ihr nicht rauskriegen, das kann man kaum wissen, wenn man den Briefwechsel nicht kennt. Aber um welche Schriftstellerin handelt es sich hier?

"Ich neige nun einmal zu etwas krankhaft stark ausgeprägten Depressionen – und Lust- und Unlustgefühle sind bei mir stärker als bei gesunden Durchschnittsmenschen und streifen leicht das Gebiet des Pathologischen. Vielleicht könnte ich keine Bücher schreiben, wenn es nicht so wäre. Daher wohl auch die Neigung zum Alkohol, die aber nicht das Primäre, sondern eine reine Sekundärerscheinung ist. Ich bin manchmal traurig und ängstlich, wenn ich darüber nachdenke, daß ich so abgrundtief scheußliche, irrenhausreife Depressionen habe. Ich leide manchmal ganz abscheulich in Zeiten, wo ich innerlich nicht weiterkomme. Manche Fehler, die allgemein menschlich sind und die ich an anderen gern toleriere, hasse ich an mir wie die Pest. So zum Beispiel Eitelkeit und primäre Geltungssucht. Und Selbstbelügen. Dann kritisiert man Schwächen an anderen, nur weil sie naiver zum Ausdruck gebracht werden – man selber hat aber dieselben Schwächen. Ich habe manchmal eine solche Wut auf mich, daß ich mir selber den Hals zuwürgen könnte. Ich bin mir selber nicht übermäßig interessant – aber schließlich lebe ich mit keinem so viel zusammen wie mit mir selber, und darum muß ich aus Selbsterhaltungstrieb einen erträglichen Umgang mit mir machen – für mich. Manchmal – so wie jetzt – hat man da so einen qualvollen Stillstand in seiner menschlichen und Arbeitsentwicklung. Man muß dann wohl ein bißchen Geduld mit sich haben und etwas warten können. Weißt Du, mein Kleines, die vornehmste Arroganz ist, von sich selbst mehr zu verlangen als von anderen. Natürlich ist das arrogant – aber ein bißchen wollen wir das ja auch sein und bleiben. Nur eben auf unsere Art.
Mein Kleines soll mich vorerst nicht anrufen. Wenn ich Geld habe, muß es nächsten Samstag kommen. Und wenn es bis Montag bleiben kann, werden wir am Samstag abend etwas bummeln und lachen. In [. . .] haben wir das ja auch gemacht, und es war immer zuletzt lustig und positiv.

Es küßt Dich – Deins"


 mart antwortete am 15.11.05 (18:41):

Marlen Haushofer?


 Miriam antwortete am 15.11.05 (18:51):

Hallo Marina,

als ich zuvor mich an Enigma wandte, hatte ich nicht gesehn, was du einige Minuten zuvor geschrieben hattest.

Und Enigma hüllt sich in Schweigen...

Was deinen Brief betrifft: auch ein Juwel an Rätselhaftem.
Ich sage nun was mir durch den Kopf schoß: bei den ersten Zeilen, da werden Depressionen und auch Alkohol erwähnt. Und ich dachte an Ingeborg Bachmann. Der zweite Teil aber stimmte nichtmehr, denn ich dachte dabei natürlich an Hans Werner Henze. Und sie wird ihn wohl nicht "mein Kleines" genannt haben...
Ich weiss, dass sie auch eine andere grosse Liebe hatte, es fällt mir leider nicht ein wer das war?


 Miriam antwortete am 15.11.05 (18:52):

Jetzt habe ich leider Mart übersehn, entschuldigt...


 mart antwortete am 15.11.05 (19:01):

oder Dora Dunkel?


 Enigma antwortete am 15.11.05 (19:08):

Hallo Marina,

Yes, you`ve really got it. Congratulation!
Wo immer du auch gräbst, da gräbst du sehr erfolgreich.:-))
Ja, die Nationalität hätte ich angeben können. Hätte ich auch nachgeschoben. Aber ich dachte mir gleich, dass ihr das eigentlich überhaupt nicht braucht.
Na bitte, der Beweis ist da!


Hallo Miriam,
ja, auch ein ganz wichtiger Hinweis, den ich mir schon überlegt hatte, nämlich anzugeben, dass die Briefe nicht im Originaltext, sondern in einer deutschen Übersetzung erschienen waren und so von mir eingestellt wurden.
Aber du warst ja auch schon ganz, ganz nahe dran.

Darf ich morgen noch zwei Briefauszüge von beiden einstellen?
Interessiert euch das?

Jetzt kommen einige Mails mit Beiträgen von euch, aber ich schicke das jetzt erstmal so ab...


 Marina antwortete am 15.11.05 (19:16):

*freu*, welch wunderbares Erfolgserlebnis. Und das war wirklich schwer. Enigma, du überschätzt uns.

Miriam, Ingeborg Bachmanns andere, wohl wichtigste Beziehung war die zu Max Frisch, mit dem sie jahrelang zusammenlebte, aber auch mit Paul Celan verband sie eine lange Freundschaft und Liebe. Sie ist es aber nicht, schreibt auch viel weniger einfach, bei ihr ist manches oft ein wenig konfus und schwer verständlich, aber literarisch ist sie eindeutig anspruchsvoller als die hier von mir eingestellte Schriftstellerin.
Haushofer ist es auch nicht. Es ist eine deutsche Schriftstellerin.


 Enigma antwortete am 15.11.05 (19:25):

Hallo Marina, zu deiner "Rache":
Ich habe zwar von Irmgard Keun nur "Das kunstseidene Mädchen" gelesen. Aber ihre Lebensdaten könnten zu dem Beitrag passen.
Aber an wen der Brief dann gegangen wäre?? Sorry, da müßte ich noch recherchieren!!
Oder du hilfst mir, wenn es überhaupt stimmt, auf die Sprünge!


 Marieke antwortete am 15.11.05 (19:31):

Marina-
Annette v.Droste-Hülshoff??
-Aber nein, der Schreibstil ist "neuer".
War halt so eine Idee-.


 Marina antwortete am 15.11.05 (19:58):

Bravo Enigma, sehr gut geraten, es ist Irmgard Keun. Der Brief ist an Arnold Strauss, ein jüdischer Arzt, mit dem sie eine lange Bziehung hatte, zumindest über Briefe. Er emigrierte 1933 nach Amerika und unterstützte sie auch finanziell.

Jetzt warte ich aber immer noch auf die endgültige Auflösung von Literaturfreund. Er lässt einen ja gerne schmoren. :-)


 Miriam antwortete am 15.11.05 (21:02):

Ich werde mich nicht rächen, so lieb bin ich halt, sondern zitiere aus einem Briefwechsel zweier berühmter Menschen. Es sind keine Schriftsteller, und ich denke, diesmal ist das Rätsel gut zu entziffern.
Leider liegt mir die Antwort auf diesem Brief nicht vor.

Dieses Schreiben ist eigentlich ein Begleitbrief zu den "Werken" des Verfassers, die er seinem Freund anvertraut.

"Sie sind, wahrlich, die Frucht einer langen und mühevollen Anstrengung, die aber durch die mir von einigen Freunden erweckte Hoffnung wenigstens zum Teil aufgewogen erscheint, eine Hoffnung, die mich ermutigt und mir vorschmeichelt, daß diese Werke mir eines Tages zu einigem Trost gereichen werden. Du selbst, teuerster Freund, hast bei Deinem letzten Aufenthalt in dieser Stadt mir Deine Zufriedenheit mit ihnen bezeugt. -
Diese Deine Zustimmung ermutigt mich vor allem, sie Dir zu empfehlen, und läßt mich hoffen, daß sie Dir Deiner Gunst nicht ganz unwürdig erscheinen werden. -
Möge es Dir also gefallen, sie wohlwollend aufzunehmen und
Ihnen Vater, Führer und Freund zu sein. Von diesem Augenblick an trete ich alle meine Rechte über sie an Dich ab; ich bitte Dich deshalb, ihre Fehler, die das parteiische Vaterauge mir verhehlt haben kann, mit Nachsicht anzusehen und trotz ihrer Deine großherzige Freundschaft dem weiter zu bewahren, der sie so sehr schätzt, der mit ganzem Herzen verbleibt

Dein aufrichtigster Freund"

????????????????????

Bin gespannt wer diese Handschrift erkennt.


 Enigma antwortete am 16.11.05 (07:53):

Hallo Miriam,

geht es da um einen Maler, der seine Gemälde irgendjemandem übereignet hat?
Ich bin aber nicht drauf gekommen, wer das sein könnte.
"Ich brauche mehr Details..." :-))
Ein kleiner, wichtiger Hinweis tut es auch....vielleicht.


 Marieke antwortete am 16.11.05 (07:54):

Miriam,
ist es Schiller?(an Goethe?) Oder liege ich wieder voll daneben?!
Allen großen Dank für die eingestellten Rätsel!


 Miriam antwortete am 16.11.05 (08:22):

Hallo, Ihr schon zu früher Stunde ratende...

es sind keine Schriftsteller, und es sind keine Maler.
Ihre Briefe sind in deutscher Sprache geschrieben.
Jeder von uns (so nehme ich fest an) liebt die beiden.
Der Verfasser des Briefes ist wesentlich jünger als derjenige, dem er seine Werke zusendet.

Jetzt habe ich aber schon sehr viel gesagt...
Ich gehe mal Kaffee trinken - vielleicht habt Ihr inzwischen eine Antwort?


 kropka antwortete am 16.11.05 (08:43):

... Mozart an Haydn ? ...


 Literaturfreund antwortete am 16.11.05 (08:58):

Nachtrag zu Herzls Brief vom 19. Juni 1895 an „Ew. Durchlaucht!
- Marina und Enigma hatten natürlich Recht: Der Brief ging aber an Fürst Bismarck.
*

Miriams schöner Brief beschäftigt mich noch; aber da es keine Dichter sind, bin ich ratlos! Wer spricht von seinem „Vaterauge“, wenn er nicht Texte meint..?
Ein Komponist doch nicht von einer Partitur, aber ein Künstler von seiner Grafik oder seinen Aquarellen?
Aber warum übergibt er sie…?
Na, ich bin gespannt.
*
Hier nur ein kurzer Brief:

1856 an einen Schriftstellerkollegen geschrieben:

„Ich gehöre zu den glücklichsten Menschern, die auf der Erde leben, mein innerer Friede wächst von Tag zu Tage, und da mein Glück nicht darauf beruht, daß mein Acker eine tausendfältige Frucht trägt, sondern darauf, daß ein Körnlein mir mehr ist, als ändern eine ganze Ähre, so brauche ich nicht einmal stark vor der Nemesis zu zittern. Dabei komme ich mir gar nicht genügsam und demütig vor, sondern ich fühle mich überschwenglich mit allem, was ich als Mensch verlangen kann, gesegnet..."

(Den Brief habe ich übrigens nicht vollständig und nicht als Buch; im Netz gibt es den Text auch nicht, glaube ich. Für Weihnachten habe ich mir den Briefwechsel „aufgeschrieben“.)

*

Sein eigenes Glück (nach schweren Kindheits- und Jugendjahren…) genießend, wurde der Dichter zu neuem Schaffen angeregt – wegen einer Frau (ja, in Wien, wenn jetzt jemand die richtige Spur schon aufgenommen hat...)

In einem damaligen Gedicht hat er die Widerspiegelung seines eigenen Ichs gesehen: vom „Meisenglück“, in dem sich der Vogel flatternd auf den schwachen Halm niederlässt, die Flügel brauchen muss, um ihn nicht zu knicken und sich dann jubelnd ins Blaue erhebt.
Die vier Strophen des Gedichts halten sich in den Grenzen der Gelegenheitspoesie im Biedermeier.

Das „Meisenglück“-Gedicht ist anderswo zu finden.
Ich habe es mit zwei anderen "Meisen-Gedichten" eingestellt; aber ohne den Dichter dort zu verraten...


 Miriam antwortete am 16.11.05 (09:08):

Ja, Kropka -

es stimmt, diesen Brief schrieb Mozart an Haydn am 1.Sept. 1783.

Den ersten Satz des Briefes hatte ich unterschlagen, denn dieser war im Google zu finden:

«Ein Vater, der sich entschlossen hat, seine Kinder in die weite Welt hinaus zu schicken, betrachtet es als seine Pflicht, sie der Obhut und Führung eines berühmten Mannes seiner Zeit zu überantworten, der - welch Glück - gleichzeitig sein bester Freund ist. Hier also, oh berühmter Mann und teurer Freund, meine sechs Kinder.»

Die sechs Kinder von denen Mozart spricht, sind seine sechs Streichquartette "Opus 10".
Im Köchelverzeichnis habe ich nur zwei dieser Quartette wiederfinden können, es sind: Streichquartett G-dur, KV 387 und Streichquartett C-dur, KV 465.

Dazu noch ein Text, den ich von der CD des Quatuor Sine Nomine zu diesen Werken Mozarts, übernehme.

"Die Russischen Quartette, die sein älterer Zeitgenosse 1782 komponierte, hatten Mozart zutiefst beeindruckt. Später bekannte er, dass er alles, was er über die Komposition dieser anspruchsvollen Gattung wisse, von Haydn gelernt habe. Unter dem starken Eindruck dieser Erkenntnis machte er sich selbst daran, sechs neue Quartette zu schreiben."


 Miriam antwortete am 16.11.05 (09:11):

Wieder dieses Zeitgleichschreiben!

Natürlich sind diese Erläuterungen für alle, aber auch eine Antwort auf die Fragen, die Literaturfreund stellte.


 Enigma antwortete am 16.11.05 (09:18):

Gratulation an kropka!

@Literaturfreund
Das "Meisenglück" hat mich auf die Spur gebracht, dass es Christian Friedrich Hebbel sein müsste..??

Und wer kommt jetzt mit neuen Briefen?
Weitergraben bitte! :-))

Internet-Tipp: https://gutenberg.spiegel.de/hebbel/gedichte/0htmldir.htm


 Miriam antwortete am 16.11.05 (09:26):

Auch ich war bereits auf den Spuren Hebbels geraten, aber nur durch das "Meisenglück".
Und wenn ich so weiter schnüffle, dann wird nix aus meinem heutigen Alltagsprogramm!


 Enigma antwortete am 16.11.05 (10:37):

Mir ist etwas in die Hände gefallen.
Es geht hier zwar nicht um einen Briefwechsel zwischen zwei Dichtern, obwohl einer von den Schreibenden u.a. auch als Erzähler und Lyriker bekannt geworden ist. Aber er war noch mehr. Das möchte ich aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht einstellen.
Dieser Briefwechsel hat sich entwickelt nach einem Geschehnis. Und unser Erzähler und Lyriker steht seinem Briefpartner, der etwas getan hat und mit dem in Folge dieser Tat etwas geschehen ist, schriftlich bei.

Nun ein Auszug aus einem der Briefe:

"Lieber........
Wenn ich doch die Möglichkeit hätte, Dich heute zu sehen. Ich bin krank vor Enttäuschung und empört und angewidert, wenn ich denke, wie Deine Internierung weitergeht. Aber wenn ich käme, käme ich nicht nur deshalb. Sondern auch deshalb, ...., um Dir zu sagen, wieviel Respekt ich vor Deiner stoischen Haltung habe und vor der beiläufigen Art,in der Du über diesen neuen Rückschlag schreibst oder richtiger: diesen nur erwähnst. Ich weiß, nichts liegt Dir ferner als die pompöse Rolle eines Märtyrers. Aber der echte Märtyrer, der wünscht niemals, einer zu sein, er ist einfach dazu verurteilt, einer zu werden; er kann nichts dagegen tun, gegen seinen eigenen Willen einer zu werden.Märtyrer sind immer gemacht worden, und gemacht werden sie auch heute noch. Gemacht nämlich von denjenigen, die aus Blindheit und Phantasielosigkeit versuchen, die Stimme der Wahrheit zu unterdrücken. Glaub mir, ...., ich fühle mich klein vor Dir, wenn ich denke, in welcher Haltung Du das Schicksal, zu einem Märtyrer gemacht zu werden, auf Dich nimmst. Du zeigst, daß Du dieser Rolle, die Du nicht gewünscht hast,gewachsen bist.. (...)

Das soll es erstmal sein.

Der Briefwechsel wurde ursprünglich englisch geführt.
Unser Erzähler, dessen Muttersprache deutsch war, übersetzte die Briefe seines Briefpartners und seine eigenen Texte.


 Miriam antwortete am 16.11.05 (11:14):

Sehr spannend, Enigma, leider habe ich keine Zeit jetzt.
Aber der Internierte könnte Oscar Wilde sein?


 Marina antwortete am 16.11.05 (13:55):

Könnte sein, Oscar Wilde, aber mich irritiert der Satz, in dem es heißt: " . . . die Stimme der Wahrheit zu unterdrücken". Außerdem schreibt Enigma von "einem Geschehnis". Das klingt eher, als wäre es jemand, der wegen seiner bestimmten Haltung in einer Sache bzw. wegen einer bestimmten Gesinnung, die nicht im Einklang mit der Obrigkeit war, eingesperrt worden. Ist es denn ein Engländer oder Amerikaner? Ich komm jedenfalls nicht drauf.


 Enigma antwortete am 16.11.05 (15:52):

Hallo Miriam, hallo Marina,

der Internierte ist Amerikaner gewesen.
Und er hatte etwas getan (hatte etwas tun müssen!?), das tausendmal schlimmer gewesen ist als alle Dinge, die man Oscar Wilde insgesamt zur Last gelegt hat.

Und jetzt werdet ihr wissen, um was es ging, denke ich...


 Marina antwortete am 16.11.05 (17:16):

Es gibt einen Briefwechsel zwischen Günter Anders und dem Hiroshima-Piloten Claude Eatherly (Buchtitel: "Off Limits für das Gewissen"), der nach seiner Tat zwar nicht in einem Gefängnis, aber in einer Nevenanstalt interniert wurde, weil er im Unterschied zu einem anderen Bomber-Piloten, Paul Tibbets, nicht damit fertig wurde. Ist es der vielleicht?


 Enigma antwortete am 16.11.05 (17:49):

Marina, ich sage nur: Wieder mal "gesucht und gefunden."
:-)
Genau der Briefwechsel ist es.
Den hatte ich vor ca. 30 Jahren gelesen, und jetzt ist er mir wieder eingefallen.

Ich gebe noch einmal einen Link ein. Dort ist das folgende und noch mehr zu dem Thema gesagt:

(....)
In diese Zeit fiel der berühmt gewordene 70 Briefe umfassende Schriftwechsel mit dem Philosophen Günther Anders, der sich zu einer wahren Brieffreundschaft entwickelte, die für beide Seiten sehr wertvoll wurde. Als Eatherly die Nervenklinik verlassen hatte, verstärkte sich seine Korrespondenz mit zahlreichen Persönlichkeiten und Gruppen, die ein Ende des Rüstungswettlaufs forderten. Sein Engagement wurde von den Behörden als psychischer Defekt interpretiert und führte abermals zu einer Einweisung ins Hospital, diesmal auf eine geschlossene Abteilung. In dieser Situation durfte Eatherly auch keine Briefe mehr nach draußen schicken. Im Herbst 1960 floh er aus dem Hospital, versteckte sich bei Freunden und beschloß, nach Mexico auszuwandern. Im Dezember 1960 wurde Eatherly jedoch von einer Polizeistreife aufgegriffen, nachdem kurz zuvor eine Großfahndung ausgelöst worden war, und erneut in das Militärhospital eingewiesen. Eatherly gelang 1962 noch einmal die Flucht aus dem Hospital. Obwohl die zuständigen Behörden Kenntnis von seinem Aufenthaltsort hatten, reagierten sie nicht mehr. Der Briefwechsel zwischen Eatherly und Anders wurde in siebzehn Sprachen übersetzt – er erschien in politisch so unterschiedlichen Ländern wie dem francistischen Spanien und der Sowjetunion.
Unter allen Teilnehmern an den beiden Atombombardements war Claude Eatherly wohl der einzige, der der Versuchung widerstand, sich als Held feiern zu lassen. Für Anders (1982, S. 359) war er „der erste, der das Kennzeichen unserer Epoche in die Sprache persönlichen Lebens übersetzt hat – der erste, dessen persönliches Leben ausschließlich von den Gegebenheiten und Ängsten des Atomzeitalters bestimmt worden ist –, der erste, der es abgelehnt hat, mit dem Verhalten konform zu gehen, das eine konformistische Gesellschaft fordert –, der sich selbst darauf beschränkt hat, zu warnen statt sich darauf zu verlegen, die Gefahr zu verharmlosen, zu übertreiben oder Nutzen aus ihr zu ziehen, wie man es von uns erwartet. (…) Der Fall Eatherly ist nicht überholt, er ist vielmehr Inbegriff und Verkörperung des Gewissens in einer Welt, deren Millionen damit eingelullt werden, daß man ihnen weismacht und sie auch selber glauben, die Folgen ihrer Handlungen seien nicht ihre Sache.“
(....)

Internet-Tipp: https://www.uni-muenster.de/PeaCon/wuf/wf-95/9510901m.htm


 Miriam antwortete am 16.11.05 (18:02):

Dabei fällt mir auf, was man alles noch lesen könnte - in diesem Falle sollte man fast schon sagen: lesen müsste.

Marina, du bist toll - es macht richtig Spass mit Euch!


 Marina antwortete am 16.11.05 (18:19):

Das hätte ich jetzt tatsächlich selber nicht gedacht, dass ich hier richtig liege. Schon wegen des Ausdrucks "Märtyrer", den Anders gebraucht hat. Dabei habe ich einige der Briefe mal in einem anderen Buch von Anders gelesen, aber nicht alle. Und von daher wäre ich nicht einmal drauf gekommen. Aber ich freue mich natürlich, dass ich richtig geraten habe.


 Marina antwortete am 16.11.05 (19:22):

Ich glaube, jetzt kommt etwas für dich, Miriam. Wer schrieb diesen Brief an wen?

"10. Dezember

Mein reizender [. . . ]

Ich bekomme alle Ihre Briefe, und Sie wissen gar nicht, welche Freude sie mir machen. Sie müssen mir noch öfter schreiben, jeden Tag, wenn Sie wollen, es gibt kein festes Limit. Und Briefe zu bekommen verändert alles. Ich liebe Sie, mein süßer Kleiner. Ihre letzten Briefe waren sehr traurig. Sie müssen sich in Geduld fassen und vor allem nicht verbissen grämen. Meine kleine Blume, denken Sie daran: wenn ich Sie wiedersehe, dann wird es für immer sein. Und denken Sie auch daran, daß ich überhaupt nicht unglücklich bin. Stellen Sie sich im Gegenteil vor, was es für einen Schriftsteller bedeuten kann, sein ganzes Publikum zu kennen und genau für dieses Publikum zu schreiben – und für einen Bühnenautor, seine Stücke selbst zu inszenieren und zu spielen. Ich habe ein Weihnachtsspiel geschrieben, das die Leute offenbar sehr rührt, so daß einer der Schauspieler beim Spielen weinen muß. Ich spiele die Rolle des Weisen aus dem Morgenland. Morgens schreibe ich am Stück, und nachmittags proben wir. Dreißig Personen. Ich habe hier zwei oder drei Leute kennengelernt, die mich wirklich interessieren, und mit einer ganz neuen Form der Theaterkunst Fühlung aufgenommen, für die viel zu tun ist. Ich lese Heidegger und habe mich nie so frei gefühlt. Ich liebe Sie mit aller Kraft, mein süßer Kleiner."


 Literaturfreund antwortete am 16.11.05 (20:17):

Ist der Briefempfänger d i e s e r H...:(Aus der Frühzeit der Freundschaft...)

Dann später:
H... entzündete sich an einem Gemälde (Rembrandts „Bathseba“) ganz offensichtlich in der Erinnerung an genossene Freuden mit H.
Sein Brief vom 21.2.37 spricht von der Beseeltheit des Fleisches, läßt jedenfalls keine Leerstelle, die «Seele» heißen müßte, offen.
In diesem offenen Tonfall schließt der Kunstbrief aus Paris ab:

«Du, Meine, weißt Du noch, daß ich der Mann bin, der das Lot hat, Deine Tiefen auszuloten – de das Anker hat, sich in Dir zu verankern – de den Erdbohrer hat, der alle die lebendigen Quellen der Lust aus Dir hervorspringen macht – den Pflug hat, Dich so durchzupflügen, dass alle nährenden Säfte in Dir lebendig werden?
Du, H…, sehnst Du Dich auch nach mir, wie ich mich sehne nach meinem Meer, nach meinen Hafen, nach meinen Quellen, nach meiner eigenen Erde?

Ich küsse Dich um und um, küsse mich an Dich heran, in Dich hinein; ich will wieder in die Arme, zwischen die Beine, auf den Mund, auf die Brüste, in den Schoß meiner Frau.

Dein H...."

**

Dass früher der "Heidegger" so interessant war für H., dessen trübsinnige Eskapaden und Doubletten an Frauen jetzt in Briefen und Kommentaren seiner Frau vorliegen...!


 Miriam antwortete am 16.11.05 (21:47):

Mensch, ist das schööööööön!

Nein, ich weiss nicht wer diese Briefe geschrieben hat, aber empfinde so etwas wie Eifersucht.

Darf man das hier gestehen?


 Miriam antwortete am 16.11.05 (21:57):

Ist es Hannah?

die Doubletten liegen, denke ich, der Enkeltochter Gertrude vor. Sie hat das Buch "Mein liebes Seelchen!"
herausgegeben. Das Seelchen war Elfriede, Ehefrau des Martin.

War es Heidegger der so schön schrieb? Meine Eifersucht hat sich verflüchtigt. Ich möchte keine Doubletten erhalten. Nur Original-und Originellschriften...


 Marina antwortete am 16.11.05 (22:46):

Vielleicht ist es ein Brief von Heidegger an Hannah Arendt? Mit ihr war er ja eine Zeitlang verbandelt, was kein Mensch so richtig versteht, da sich ja inzwischen einwandfrei herausgestellt hat, dass er doch länger als man dachte, ein überzeugter Nazi war.
Mein Briefschreiber ist ein ganz anderer, aber in der gleichen Zeit schreibend. Auch die Empfängerin war sehr berühmt. Dies als kleine Hilfe.


 Enigma antwortete am 17.11.05 (08:46):

Hallo Marina,

also, erstmal vorweg: Ich glaube nicht, dass ich diesen Brief schon mal gelesen habe. Der wäre mir vermutlich aufgefallen und im Gedächtnis geblieben.
Es würden mir zwar einige Zeitgenossen von Heidegger einfallen, die sowohl Schriftsteller als auch Bühnenautor waren, aber ich habe im Moment Probleme damit, die gefühlsmäßigen Äußerungen (...ich liebe Sie, mein süßer Kleiner..") mit einer offenbar ebenso berühmten Frau in Verbindung zu bringen. Das klingt mir so etwas verniedlichend.Aber man weiß ja nie, auch bei GBS hätte ich nie gedacht, dass solche Töne von dem Spötter und Sarkasten kommen könnten.

Ist der Schreiber ein Deutscher oder nur ein Deutschsprachiger?


 wanda antwortete am 17.11.05 (08:46):

das finde ich hier ganz ausgezeichnet, wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich sofort mitmachen.
Bin in einem Hauptseminar Briefliteratur. Hier behandeln wir die Briefe, bezw. die Korrepondenz zwischen Herder und Caroline Flachsland, Bettina von Arnim und Caroline von Günderode, Kleists Briefe an Ulrike von Kleist und Wilhelmine von Zenge, Flauberts Briefe an Louise Colet, Rilke Briefe an Lou Andreas Salome, und den Briefwechsel zwischen Hugo Ball und Emmy Ball-Hennings.
Ich wünsche hier viel Freude und gutes Raten.


 Marina antwortete am 17.11.05 (08:48):

Hallo Enigma,
beide sind Franzosen. Und jetzt ist es ganz leicht. :-)


 Literaturfreund antwortete am 17.11.05 (09:06):

Ja, zu Marinas Brief:
dann also die Simone an den - na...! - Aber von dem eigenartigen Paar habe ich wenig - und nie einen Brief gelesen.
*
Mein Tipp lag also völlig daneben.
*
Als Erklärung zu meinem Brief vom Metaphernmeister der weiblichen und männlichen Lust:

Es war Heinrich Blücher (1899-1970; frühes KPD-Mitglied; ab 1952 Philosophie-Professor in New York) in dem schönen Band "Hannah Arendt und Heinrich Blücher: Briefe 1936 - 1968". Bei Piper 1996. (Sie begegneten sich 1936 in Paris; Eheschließung 1940.)


 Enigma antwortete am 17.11.05 (09:12):

Doch wohl nicht Sartre??
Dann stimmte das ja mit "...mein Kleiner.."??
:-)


 Miriam antwortete am 17.11.05 (09:18):

Literaturfreund schreibt:

dann also die Simone an den - na...! -

M.E. ist das nicht Sartres Stil. Soooooo sentimental? Nein.
Unter anderem sagt er, er habe ein Weihnachtsstück geschrieben - na, Jean Paul ein Weihnachtsstück?

Dass da "mein Kleiner" steht, ist eine etwas falsche Übersetzung. Geläufig im Französischem: "mon petit" - aber das müsste in der Übersetzung "mein Kleines" heissen.

Ich weiss es noch immer nicht!


 Enigma antwortete am 17.11.05 (09:19):

Ich habe Quatsch geschrieben. Jean Cocteau und Jean Marais natürlich...


 Enigma antwortete am 17.11.05 (09:23):

Und Sartre hatte eine Beziehung zu Simone de Beauvoir.
Und jetzt gebe ich es auf....:-))


 Literaturfreund antwortete am 17.11.05 (09:24):

Dann muss Marina das doch mal klären...!
*

Ein neues Beispiel:
Brief eines Dichters an eine ihm persönlich unbekannte Frau:
(27. Dezember 1921)

Sie haben diesmal ein Ihriges, überaus Liebes dazu beigetragen, der unwillkürlich gesteigerten Erwartung der Weihnachtszeit recht zu geben: Ihr Brief kam am Weihnachts Abend zu mir , und, was sein Wunderbarstes sein möchte, daß alles Seinige so völlig dieser eigentümlichen stillen Stunde gewachsen , ihr so im Ganzen rein beiträglich war: alles, was Sie erzählen konnten. Ja, wissen Sie denn (frag ich mich oft seither) wie viel es ist, und ahnen Sie's denn genug voraus, was Ihnen später (wie das Leben sich auch gestalte) diese Jahre der Leistung und Befreundung im Besten des Menschlichen und des Irdischen bleiben werden? Ach glauben Sie's nur, es ist viel, es ist das Meiste, was Einem gewährt sein kann, dieses Gebückt- und Gebundensein in eine greifbarste Arbeit, zugleich mit der fortwährenden Bewährung einer liebevoll einverständigten gleichgesinnten Freundschaft; zugleich mit dem Gedeihen und Aufwachsen Ihres Kindes, dem so viel Wachstum zum herzhaftesten Beispiel, in seinen Spielen, ausschlägt. Und wenn d a s nicht genügte, Sie zu überzeugen, so bestätige die Reinheit Ihres Aufblicks Ihnen die Stärke, die Gnade, das unsägliche Rechthaben Ihrer Verfassung: wie Sie die Maßlosigkeit der Stadt erleben durften und gleich daneben das Maß der Geige und gleich darauf das Übermaß des Meers: und alles, wie ein Engel es erleben würde, der für eine Weile durchs Menschliche ginge! Ich sage Ihnen das alles so ausdrücklich, daß Sie nur begreifen, wie sehr es ein Weihnachts-Brief geworden war, denn damit allein, Ihnen Ihr Erlebnis in einem tiefen steigernden Spiegel zurückzuzeigen, kann ich Ihrer schönen Zuwendung hinreichend dankbar sein. Nennen Sie das, was Sie da brachten, nicht »Allzupersönliches«. Nur ein kleiner Schritt noch und es wäre ja wieder das Allgemeinste, zuletzt Gültige, das Gründliche des Lebens, der Drang nach seinen Grundfarben und zuletzt wieder nach dem unendlichen Licht, in dem sie alle, unerschöpflich, sich aufgeben. (...)


 Marina antwortete am 17.11.05 (09:48):

Hallo, ihr tollen Rater, ihr habt recht, es ist Sartre an Beauvoir. Er schreibt ihr von der Front, wo es für die Franzosen nichts zu tun gab, deshalb der "drole de guerre". Die Anrede lautete "Mein reizender Castor", sie nannten sich ja Castor und Pollux. Und diese Briefe sind sehr liebreizend, voller Süße und Schmelz, wer hätte das gedacht. :-) Das sind eben die vielen Seelen in der Brust auch der großen Philosophen. :-)

Jetzt muss ich auch zur Uni, dann denke ich über das neue Rätsel nach. :-)


 Enigma antwortete am 17.11.05 (10:21):

Hallo Literaturfreund,

das ist aber jetzt ein Witz!
Weil ich gerade ein Bändchen vor mir liegen habe.
Und das heißt: "Rainer Maria Rilke - Briefe an eine junge Frau" (Insel-Bücherei Nr. 409). Da steht tatsächlich noch der Kaufpreis von damals mit Bleistift drauf (3 Mark)!
Und daraus hatte ich vielleicht auch was hier posten wollen.
Aber das ist jetzt schon geschehen...:-))


 Miriam antwortete am 17.11.05 (10:23):

Bin sprachlos, Marina!

Diesen Sartre kenne ich gar nicht.
Und dass er sagt:
"wenn ich Sie wiedersehe, dann wird es für immer sein" - klang für mich auch nicht nach Sartre, denn er lebte so gar nicht monogam, lehnte die Monogamie auch ab.

Und er hat ein Weihnachtsspiel geschrieben?

Danke Marina, es war Anlaß nachzudenken, zu recherchieren - und auch wenn man doch nicht das Richtige am Ende findet, ist das allemal von großen Vorteil.

Meine "Rache" kommt, aber ich habe jetzt keine Zeit.


 Marina antwortete am 17.11.05 (15:32):

Hallo Miriam,
so kann man sich täuschen. Aber so ganz falsch war ja Sartres Hinweis „für immer“ auch wieder nicht. Er war zwar nicht monogam wie sie auch, das war ja unter ihnen vereinbart, aber trotzdem sind sie immer zusammen geblieben und haben ihre Beziehung nie aufgegeben.

Über Literaturfreunds Brief muss ich mir ja jetzt keine Gedanken mehr machen, weiß auch nicht, ob ich es rausgekriegt hätte.

Hier kommt ein neuer etwas ungewöhnlicher, aber origineller Briefausschnitt (der ganze Brief wäre zu lang):

„Lieber Mingo,
du liegst gerade, ein weißer Knäuel, unter dem Sofa, im Zimmer des blonden Engels, und wartest auf Konrad, der dir aus seiner Fabrik etwas mitbringen wird; einen Wurstzipfel oder einen Knochen vom Kalbskotelett oder sonst etwas Eingewickeltes. Hättest du die Freundlichkeit, einmal zuzuhören? Komm heraus! He! Komm! Mies – mies – mies! Mingo! Mingo!
Du wärst keine richtige Katze, wenn du kämst. Und so muß ich mich denn vor das Sofa legen, platt auf den Boden, und dir unter die geschweiften Beine des Möbels herunterflüstern, was ich dir zu sagen habe ... Hör zu.
Daß du in die Malerei eingegangen bist, weißt du ja. Die Japaner ... Ja, mach die Augen zu und schnurre im traumlosen Schlaf – es ist nicht neu. Aber in der Literatur, da muß man dich schon suchen; so viele gute Katzenbücher gibt es nicht. Wenn ein Sohn einmal promoviert, kannst du ihn ja eine Dissertation schreiben lassen “Die Katze in der Geschichte der Völker mit besonderer Berücksichtigung auf die Literatur des 18. Jahrhunderts“. Sieh, was ich hier habe! Du siehst kaum auf. Fauler. Atmendes Kissen. Es ist ein kleines Buch, weiß wie du, heißt “Katzen“ und ist von [...]. Und – zerkratz den Deckel nicht – und ist bei Herbert Stuffer in Berlin erschie - - du sollst die Pfoten vom Deckel nehmen! Untier! Drache! Geschöpf! Mingo, das ist das allerreizendste Buch, das mir seit langem unter die Kritikerkrallen gekommen ist.
Der muß dich sehr liebhaben, der [...] – der muß dich sehr genau kennen, dich und die ganze Katzenfamilie. Er versteht dich, weil er zugibt, dich nicht zu verstehen. Deine Zähigkeit, mit der du am Leben hängst; die Sinnlosigkeit dieses Lebens ... Und wie noch eine verwilderte Katze eine Dame ist, bis in die letzte Schwanzspitze, und wie man eigentlich immer ein bißchen Angst vor dir haben muß, solche Angst, wie man sie vor einer Pistole hat, von der man nicht weiß, ob sie geladen ist oder nicht . . . Man weiß nicht. Mingo, was denkst du? Ach, lach mich nicht aus.
Ja, großmütig bist du, voll von einer stillen Verachtung für uns alle. In einem seiner ersten Romane hat Max Brod entdeckt, wie sich die Tiere über die Menschen heimlich lustig machten ... Du verschmähst sogar das. Du siehst uns gar nicht mehr. Wie du ins Leere schaust! Wohin blickst du? In welcher Zeit lebst du? In deiner eigenen – in unserer nur, wenn du etwas zu fressen haben willst. Übrigens sehe ich dich nicht gern essen; die kleinen ruckenden, bösen Bewegungen, mit denen du schluckst ... Verzeih. Und hör mal, [...] schreibt da zwei Dinge, die ich ihm gar nicht glauben will, du weißt das ja besser... Lieben sich Katzen auf dem Frühstückstisch? Am hellerlichten Tag? Und läuft eine Katze von ihren noch nassen Jungen fort, nach einem Tag? Sag mal – Mingo! Schläft. Nein, schläft nicht – blinzelt durch den dünnsten Spalt der Augenlieder mich an, ich kann doch den Kopf nicht dauernd auf den Fußboden legen, wenn man auch von ihm – natürlich – essen könnte . . . Mingo! Komm heraus. Kommt nicht."

Der Brief geht noch weiter und schließt:
„Mit einem herzlichen Fellgestreichel und Grüßen an die Herrschaften, die bei dir wohnen
Dein . . . "


 Miriam antwortete am 17.11.05 (16:10):

Wer da so nett Mingos Fell streichelt, ist Kurt Tucholsky. Leider nur durch googeln gewusst. Ob ich das früher wusste?

Mensch, wann soll ich das alles noch lesen oder wiederlesen?
Dabei habe ich Tucholsky eher gründlich gelesen - ist aber lange her.


 Marina antwortete am 17.11.05 (16:36):

Stimmt, Tucholsky. Und ich dachte, das kriegte man durch Googeln nicht raus. Habe extra nachgesehen, aber wahrscheinlich nur oberflächlich. Macht aber nichts, ich habe mir auch bei meinen Recherchen mit Googeln geholfen, alles kann man ja nicht im Kopf haben. :-)
Und wer stellt jetzt wieder was ein?


 Literaturfreund antwortete am 17.11.05 (17:58):

Mit leiser... Verwunderung und großem Lob an enigma!

Hier noch der zweite Teil von Rilkes Brief an die Lisa Heise, die sich im Juli 1919 zuerst an Rilke brieflich wandte - und die bis 1924 sich geschrieben haben.

Rilke:
... Auch die kleinen Bildchen rücken den Brief keineswegs in das »Allzupersönliche«; ich habe mich so sehr gefreut, daraus von Ihnen allen, ja sogar von vielen Ihrer Blumen angeschaut zu sein, und habe ordentlich still gehalten, daß mich alles auch richtig gewahre! Dieses Land, mit dem Sie da ringen, wird es Ihnen, in seinem unschuldigen, blumig nachgebenden Widerstand, nicht etwas wie den Kampf Jakobs bereitet haben!? Über der Betrachtung der kleinen Bilder denkt man an weite Strecken, in einem noch rar besiedelten Gebiet, wie geht es zu, daß das im verhältnismäßig dichten Weimarischen zu finden war? Nun erfahren Sie im Täglichsten das Wesen Ihrer drei bisherigen Elemente: des Himmels, des Baums und der gepflügten Erde, ihre Verschlossenheiten und die Gewalt ihrer Erschließungen; aber daß Ihnen, um des Innen-Raums willen, nun auch noch die vierte Dimension des Meeres erlebbar geworden ist, schafft das nicht ein nahezu meisterhaftes Daseins-Gleichgewicht?
Sie sehen nun, nichtwahr, welche Freude, welche teilnehmendste Bewegtheit Ihr Brief zu stiften vermocht hat, und indem der meine Ihnen das ins Bewußtsein zurücklegt, gehört er nicht unpassend in jenen kleinen, irgendwie ausgesparten Vorraum eines Neuen Jahrs, der jedesmal zwischen Weihnachten und dem Wechsel der Jahreszahl sich zu bilden scheint. Sie so einsehen, heißt schon wünschen nichtwahr: ich lasse, zum Überfluß, eines der roten schwarzbepunkteten »Glückskäferchen«, wie sie in meinem Arbeitszimmer, ein bißchen verträumt überwintern, über den Briefbogen klettern ...
Soll ich ein Schließliches von mir sagen: Sie sehen die veränderte Adresse. Im May mußte das gute Berg, das mir so freundlichen Schutz gegeben hatte einen Winter lang, verlassen werden; ich stand wieder mal vor dem völlig Ungewissen, sehr bangen Herzens, denn die Arbeiten, für die ich mich in Berg eingeschlossen hatte, waren kaum einen halben Schritt vorwärtsgekommen. So verging mein ganzer Sommer in einer ratlosen und sehr bedrängten Vorsorge um den kommenden Winter, diesen, der durchaus ähnlich stille, einsame und schützende Verhältnisse gewähren sollte. Wie die finden, da doch (wie Sie sagen) die »Welt brennt«. Eine Weile sahs aus, als müßt ich die Schweiz verlassen, was meine Bodenlosigkeit mir völlig würde untergeschoben haben, denn draußen hätte das »Wohin« erst recht gespenstische Täuschungen mir zugemutet. Fast nur um einen größesten Abschied mir zu gewähren, reiste ich ins Wallis, diesen großartigsten (dem Begriffe nach schon fast nicht mehr schweizerischen) Kanton, der mir, da ich ihn mir zuerst, ein Jahr früher, entdeckt hatte, zum ersten Mal wieder die verlorene offene Welt hervorrief. So sehr erinnerte seine zugleich gewaltige und unsäglich anmutige Landschaft an die Provence, ja sogar an gewisse Erscheinungen Spaniens ....
(R.M. Rilke: Briefwechsel mit einer jungen Frau. Hrsg. von Horst Nalewski. Frankfurt/M. 2003. S. 45ff.)


 Enigma antwortete am 18.11.05 (08:49):

Guten Morgen alle...

@Marina
Aber der "Mingo"-Brief" ist so hübsch, dass es mir eine Freude war, ihn zu lesen. :-)

@Literaturfreund
Danke für den zweiten Teil des Briefs und auch für dein Lob, das ich aber angesichts meiner sehr mageren Leistung, nur Datum und Text des von dir eingestellten Briefs mit meinem Buch zu vergleichen, für überzogen halte.
Aber ich bewahre es auf für den Fall, dass ich es irgendwann mal rechtfertigen kann.... :-))

@Miriam
Ich warte gespannt auf Monte.....nee... Miriams "Rache".


 Miriam antwortete am 18.11.05 (10:40):

Liebe Enigma und alle anderen,

es scheint sich das Schicksal eher zu rächen, denn ich finde das Buch nicht, welches den Text meiner Rache enthält.

Also bis später, in alter Raterache

Miriam


 Marina antwortete am 18.11.05 (11:09):

Dann kommt eben nochmal meine Rache, wenn Montezuma resp. Miriam ihre im Moment nicht ausüben kann. Die Schreiberin des nachfolgenden Briefes ist eine amerikanische Schriftstellerin, lebte aber später in England. Auch ihr Mann war ein berühmter Schriftsteller, deshalb habe ich eine Leerstelle gelassen. In diesem Forum wurden schon Gedichte von ihr gepostet.

"Liebe Mutter,

gestern fuhr ich nach London zu dem Anwalt – eine wirklich qualvolle, aber notwendige Erfahrung. Nicht zu wissen, wo [...] ist, außer, daß er in London ist. . . Ich hoffe, er wird... einer außergerichtlichen Regelung zustimmen und mich finanziell unterstützen . . .
Die Gesetze sind fürchterlich: Einer Frau steht ein Drittel des Einkommens ihres Mannes zu, und wenn er nicht sofort bezahlt, muß sie das Geld einklagen, was langwierig und teuer ist. Falls die Frau etwas verdient, wird ihr Einkommen zu seinem dazugerechnet, und letzten Endes zahlt sie für alles. Keinen Pfennig zu haben und vor tauben Ohren um Geld flehen zu müssen, ist eine Demütigung, die man nicht erträgt. Ich werde einfach mit viel Mut alles in das Häuschen und das Kindermädchen-Jahr investieren müssen und schreiben wie verrückt. Versuche klarzukommen . . . Zusammen haben wir dieses Jahr etwa § 7000 verdient, ein sehr gutes Gehalt, wobei ein Drittel von mir stammt. Jetzt ist alles weg ... Ich werde bestraft, wenn ich etwas verdiene. Da ist mir ersteres lieber . . .
Gott sei Dank sagte der Anwalt, ich könnte die Kinder mit nach Irland nehmen. Ich hoffe, daß es mir gelingt, dieses Haus zu vermieten, wenn nicht, muß ich trotzdem fahren . . .
Es tut mir leid, daß ich Dir gerade jetzt, da Dich Deine eigenen Sorgen so bedrängen, so viel Kummer mache, aber ich muß mein Leben – das bißchen, was mir noch bleibt – wieder in den Griff bekommen.

Herzlich"


 Enigma antwortete am 18.11.05 (11:28):

Sylvia Plath und Ted Hughes?


 Marina antwortete am 18.11.05 (11:47):

Engima, du bist einfach unschlagbar. Toll. Gibt es eigentlich irgend etwas, was du nicht rauskriegst? Ich muss es für dich doch mal ganz besonders schwer machen. :-)

Ja, Sylvia Plath hat eine Menge Briefe an ihre Mutter geschrieben, und diesen hier etwa ein halbes Jahr vor ihrem Selbstmord. Besonders beeindruckend fand ich ihren Roman "Die Glasglocke", in dem sie ihre Depressionen und Aufenthalte in Nervenkliniken beschreibt. In den Briefen an die Mutter kommt das alles nur sehr verhalten zum Ausdruck, man merkt es nur, wenn man zwischen den Zeilen liest.


 Enigma antwortete am 18.11.05 (12:18):

Oh nein, Marina, das war Zufall!
Ich war eine von denen, die ein Gedicht von Sylvia Plath gepostet hatten, und bei der Gelegenheit - und das ist noch nicht lange her - habe ich mich mit ihrem Leben beschäftigt.
Und dieses unglückliche Leben hat mich wiederum sehr beschäftigt.
Diese Begabung, dieses Talent, und das ganze persönliche Unglück!
Zum Teil wahrscheinlich auch durch ihre Krankheit verursacht, denn irgendjemand hat mal gesagt, dass sie Hughes “die Luft zum Atmen genommen hatte.”
Und ihrer Mutter, das war ja wohl Teil ihres Problems, wollte sie es ja immer recht machen und ihr gefallen und ihr den tatkräftigen und positiven Siegertyp vorspielen.

Also, du siehst, du musst es nicht besonders schwer machen. Die Stunde kommt bald, wo mir der Kopf rauchen wird, wenn ich nicht hinter die Briefschreiber komme, von denen ihr was einstellt. :-)

So, jetzt muss ich weg.
Ich lasse euch aber noch was da (Enigmas Rache)!:-))

Es handelt sich um eine deutsche Frau und einen deutschen Mann, die einen umfangreichen Briefwechsel geführt haben.
Tschüss...

“Liebe......
Ich habe zuviel die ganze Zeit an dich gedacht, und mein Gemüt saß zu gleicher Zeit zu sehr wie auf einer Schaukel, als daß ich dir hätte schreiben können. Auch hab ich täglich abreisen wollen, aber es hat sich mir Abenteuer an Abenteuer gereiht, und ich bin mit allerlei künstlichen Spinnweben umflochten worden,, die ich am Anfang leicht hätte zerreißen können. Aber ich sah mit künstlerischer Lust den Geweben zu und habe aus kindischer Tollkühnheit mir selbst Stricke daraus geflochten. Ich habe den Geliebten Benedicktchens so liebgewonnen, daß ich den beiden Glücklichen emsig in ihrer Intrige helfe.
Beide haben sich wie Engel gegen mich betragen. Benedicktchen ist eines der holdesten uns genialsten Mädchen, dem man wahrscheinlich nur einmal begegnet.. Außerdem habe ich noch eine wunderliche Liebschaft, aus der ich gar nicht klug werde. Zwei Freundinnen habe ich auf einer einsamen Insel in einem engen Flußtal hier kennengelernt. Der Vater des einen Mädchens hat auf der Insel einen Eisenhammer, das andere Mädchen ist von hier, eine Freundin Benedicktchens. Sie ging die Einsiedlerin besuchen, und ich begleitete sie. Hanchen heißt die Einsiedlerin und Gretchen die Freundin. Sie ist klein, äußerst niedlich und fein, eines Seraphs Gestalt, aber einen ernsten Kopf mit schwarzen tiefsinnigen Augen. An ihrem Gesicht ist nichts schöner als die ewige rege Freundlichkeit,
die in einem beständigen wunderlichen Kampfe mit dem Tiefsinn von Stirn und Auge begriffen ist.
Wenn man sie ansieht, ist es, als wenn schnelle Wolkenschatten unter dem Sonnenschein her über die Felder fliehn. Sie ist streng und freundlich und gleicht einem Granatbäumlein, das in unserem Klima keine Frucht trägt. Sie ist nicht glücklich, denn kaum mag man sie zu umarmen wünschen, so wünscht man auch, sie zur Freundin zu haben, weil sie zu bescheiden ist, ihr volles Herz in sehnsüchtigen Blicken zu verraten. Sie sieht einen nur mit vertraulichen Augen an, an denen die Begierde zu einem schwermütigen Ergötzen des Zweifels wird.”

Hier endet dieser Brief.


 Marina antwortete am 18.11.05 (12:41):

Das ist Clemens Brentano an Bettina von Arnim. Ich gebe zu: habe es mit Hilfe von Google rausgefunden. Dachte zuerst an Novalis, aber so ganz weit entfernt ist er ja nicht davon.


 Marina antwortete am 18.11.05 (13:29):

So, jetzt gebe ich euch mal eine Nuss zu knacken. Enigma, das ist diesmal schwerer, mal sehen, ob du es trotzdem rauskriegst. Nur eins: Den Empfänger/die Empfängerin rauszufinden ist leichter als den Schreiber, aber beide sind berühmt.

Hier der Brief:

"Danke, [...], ich werde am Dienstag, dem 4. Mai um 16.30 zum Tee kommen, und ich hoffe, [...] kommt auch, bevor ich wieder gehe; jedenfalls sieht es so aus, als ob das die einzige Möglichkeit zwischen jetzt und Ende Mai ist. Aber es ist nicht einzusehen, weshalb Sie Rundfunksendungen ohne Bezahlung machen sollen, es sei denn, es ginge um eine gute Sache (was auch harte Arbeit bedeutet). Meiner Meinung nach gibt es schon ausreichend unbezahlte Arbeit, der Rundfunk muß nicht auch noch dazukommen. Ein Logenplatz in der Oper ist die einzige Möglichkeit, die Oper zu ertragen. Unter diesen Voraussetzungen habe ich sie schon seit Jahren entbehrt. Vielleicht sollte ich nach Wien gehen und schauen, ob ich dort einen billigen Opernplatz bekomme. Ich wünschte, ich könnte Sie öfters sehen, denn wie die Dinge liegen, degeneriere ich immer mehr zu einem närrischen alten Kauz. Selbst meine Vergnügungen werden kauzig – am letzten Wochenende bin ich zum Beispiel nach Wisbech gefahren, um anläßlich des Honoratiorentisches vom Magdalene Port zu trinken, und ich bin zu den Lastern der Dining Clubs übergegangen. Es würde mich nicht verwundern, wenn ich als Mitglied des Wein-Ausschusses oder etwas Ähnlichem endete. Und diesen Juni soll ich die Rede zu den Preisverleihungen in der Kingswood (Methodisten) Schule halten. Ein ehrbarer Bürger. Und ich wohne am Emporer’s Gate. O je! Bin ich ein Hochstapler? Ich beneide Sie, Sie sind mit einem Opus immer so rasch fertig, daß niemand erwartet, daß Sie an etwas Neuem arbeiten. Ich versuche ein Stück zu schreiben, aber es ist sehr schwierig und ärgerlich, wenn man unterbrochen wird, und sehr langweilig, wenn man nicht unterbrochen wird. O je.

Ihr treuer"

Jetzt bin ich erst mal länger weg. Wenn ich wiederkomme, will ich Ergebnisse vorfinden, claro? :-))


 Marina antwortete am 18.11.05 (18:34):

Na ihr Schnarchnasen, wo bleibt ihr? Ihr dürft auch Fragen stellen. Aber kommt mal in die Gänge. :-))


 angelottchen antwortete am 18.11.05 (20:39):

Hat das Tucholsky geschrieben? Ich komm nur drauf, weil der mal in Wisbech war ..


 angelottchen antwortete am 18.11.05 (20:41):

und hat er eventuell an mascha kaleko geschrieben?


 angelottchen antwortete am 18.11.05 (20:56):

ich habe auch noch einen schönen Brief, dessen verfasser es zu erraten gilt - und seinen Empfänger bzw Empfängerin natürlich auch. Die errät man aber, wenn man weiss, wer da schreibt ..

Meine schöne ......., mein herrlicher Schatz aus Fleisch und Geist, ich führe ohne dich ein recht trauriges Leben. Meine einzige Freude besteht darin, mir immer wieder Deine Aktpfotos anzusehen (zensur für 3 Zeilen :-)
und ich halte Deinen Hintern, der sich wie der Frühling herrlich regt. (wieder Zensur für einige Zeilen...)

Du bist immer noch das verwirrte Kind von Cladavel. Ich werde kämpfen um Geld aufzutreiben, damit ich Dich besuchen und Dir Geschenke machen kann. Zur Zeit bin ich in einer schwierigen Lage, aber ich werde alles tun, um mich daraus zu befreien. Du wirst schon sehen. La Pomme ist vor einigen Tagen nach Berlin abgereist.Ich war noch nicht bei meiner Mutter , aber ich werde ihr sagen, daß Du krank warst und daß man Dir Erholung angeraten hat und Du deshalb seit ein paar Tagen in Malaga bist, bei Leuten, die wir kennen. Du kannst ihr also in diesem Sinne schreiben. Und Du musst mir glauben ich will nur Dein Glück, um jeden Preis. Du sollst strahlen und alles in vollen Zügen geniessen. Ich liebe Dich über alles und küsse Dich überall.

===

wer war´s?


 Marina antwortete am 18.11.05 (21:08):

Nee, Tucholsky hatten wir doch schon. Der ist es nicht schon wieder.


 angelottchen antwortete am 18.11.05 (21:13):

och- dir hätt ich das zugetraut :-) **zwinker***
es hätte halt auch gepasst.
muss ich weiterknobeln.
kaleko stimmt auch nicht?


 Enigma antwortete am 19.11.05 (07:57):

Eine der "Schnarchnasen" hat später als sonst geschnarcht und war gestern u.a. im Kino (eine Freundin hatte "Flightplan"mit Jodie Foster ausgesucht - aber bloß nicht reingehen!! Foster ist gut, wie immer, aber High-Tech-Firlefanz sollte eine nicht sehr schlüssige Geschichte offenbar wettmachen) :-((

Und nun kommt mal raus mit Tipps, Marina und angelottchen!
Help!!
Bis dann....


 angelottchen antwortete am 19.11.05 (08:18):

also ein Tip von mir ...
der briefeschreiber lernte "sie" in einem damals sehr bekannten sanatorium kennen ...


 Enigma antwortete am 19.11.05 (09:07):

Paul Eluard und Gala??
Hat der nicht so erotische Briefe geschrieben??


 angelottchen antwortete am 19.11.05 (09:35):

bingo!

Ja das kann man so sagen enigma :-)
seine liebesbriefe an gala, die später den exzentrischen salvador dali heiratete, hatte auch eine aufregende beziehung mit max ernst (der ihretwegen nach paris ging) gelten als DIE erotischsten liebesbriefe. naja... was ein romantischer, schwanzgesteuerter und doch kopflastiger masochist eben so schreibt :-)))

paul elouard und die junge russin gala (den namen soll sie sich selbst gegeben haben) lernten sich im sanatorium cladavel in der schweiz kennen, um ihre tuberkulosis auszuheilen..

"ich hasse die liebe - ich liebe gala" (paul eluard)

"sie war die gute fee meines gleichgewichts, verscheuchte die salamander meiner zweifel und stärkte die löwen meiner gewissheit" (salvador dali)

"gala, die frau, die ich mehr hasste als alle anderen..." (luis buñuel)

hier gibt es ein wenig über sie nachzulesen

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/hsINbNRuF


 Marina antwortete am 19.11.05 (10:00):

Enigma, du bist wie immer nicht zu toppen. Jetzt rätst du betimmt auch meinen. Die Empfängerin ist eigentlich gar nicht schwer zu raten, sie ist eine engl. Schriftstellerin, wie man an einigen Ausdrücken im Brief fast erkennen kann. Den Schreiber wirst du nicht rauskriegen, das ist ein amerikanischer Schriftsteller.


 Enigma antwortete am 19.11.05 (10:16):

Danke, angelottchen,

auch für den Inhalt deines Links.
Allein das Foto von Gala und Eluard sagt schon was über ihre Beziehung aus, finde ich.
Man fragt sich ja unwillkürlich, was eine Frau so anziehend für einige Männer von Weltrang auf ihrem Gebiet macht? Sie wird nicht einmal als "schön" beschrieben, obwohl ich auch ihr Äußeres als anziehend empfinde, jedenfalls auf dem gerade nicht sehr ergiebigen Foto (ich muss mir mal andere suchen).
Aber sie hatte wohl einen sehr kühnen und unabhängigen Geist. Und mir imponiert auch ihre Entschlossenheit, für das, was sie wollte, immer ein hohes Risiko einzugehen und konsequent auch Brücken zu Vergangenem abzubrechen.
Und beide Männer, Eluard und Dali, wurden ja eher als schüchtern und unerfahren beschrieben, jedenfalls zu dem Zeitpunkt, als sie "Gala" kennenlernten.
Es hat mich auch noch interessiert, warum Bunuel sie gehasst hat. Aber das dachte ich mir schon: Weil Dali so verändert war, nachdem er sie kennengelernt hatte - she. URL!

Internet-Tipp: https://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3871343382/028-5453769-1853345


 Enigma antwortete am 19.11.05 (11:10):

Hallo Marina,

danke auch für Deinen Tipp.
Es müßte wohl eine englische Schriftstellerin sein, die noch im 20. Jahrhundert gelebt hat, weil in deinem eingestellten Text von Rundfunksendungen die Rede ist.
Dazu fallen mir im Moment nur Virginia Woolfe oder Agatha Christie ein. :-))
Ich müßte also noch mehr suchen.
Aber vielleicht kriegt es ja vorher schon jemand raus, weil ich jetzt wieder mal weg muss.
Liebe Grüße und bis bald...


 Marina antwortete am 19.11.05 (11:26):

Enigma, you`ve got it again. It is Virginia Woolf. Und der Schreiber ist, wie gesagt, ein amerikanischer Schriftsteller, der in der von Virginia und Leonard Woolf gemeinsam betriebenen Hogarth Press veröffentlicht hat. Noch ein Tipp: Der Nachname fängt mit E an und enthält 5 Buchstaben, vielleicht kommst du dann ja doch noch drauf, so schlau, wie du bist. :-) Jetzt muss ich "Hallo Ü-Wagen" hören, da kommt eine Diskussion "intelligent design" vs. Evolutionsbiologie, das hatten wir ja vor kurzem im Forum.


 angelottchen antwortete am 19.11.05 (11:27):

Buñuel lernte Dali schon kennen, als der, grade 18 Jahre alt, an die Kunstakademie Madrid kam. Er war dort auch schnell in der Gruppe um Federico Garcia Lorca und anderen Intellektuellen, die politisch stark engagiert waren. DAli hingegen dachte wohl damals schon über die kommerzielle Nutzung der Massenmedien und die Vermarktung von Kunst nach - und während seine ehemaligen Freunde im Widerstand gegen die Faschisten kämpften oder - wie Lorca - ermordet wurden, sympatisierte Dali sehr stark mit den Faschistern und schlug ihnen sogar den Bau eines von ihm entworfenen monumentalen Ehrenmals vor. Politisch war er sicher nicht - aber hochgradig egoman, medien- und geldgeil - aber entschuldigen kann man seine faschistischen Sympatien damit sicher nicht. Eigentlich hätte Buñuel sich da schon von ihm abwenden müssen - aber Dali war bis zu einem gewissen Masse ihm ja auch "folgsam" ergeben - bis dann Gala in sein Leben trat. Zum endgültigen Bruch kam es wohl, als alle 3 in den USA waren (nach Hitlers Einmarsch in Paris) und Gala sich als geniale Geschäftsfrau zeigte ..

"Dali's contribution to "L' AgeD' Or" was even more minimal. Bunuel said he gave the artistco-credit only out of friendship-- but this was a friendship that wasfalling apart due to Salvador's growing obsession with his one and onlylove, Gala, his wife. Bunuel despised her, and when the same kind of loose"sharing of dreams" that had worked so well in the earlier filmdidn't come so easily in the writing sessions for "L'Age D'Or," he angrily blamed the influence of Gala on Dali's"shallow" mind-state. One image in "L' Age D' Or" that Dalicould claim, and Bunuel begrudged the statue with the rock on its headfrom the hilarious "city" montage."

Hach, ich liebe diese monströs-absurden Liebesbeziehungen mit solider geschäftlicher Grundlage:-)

Hier gibt es noch etwas mehr zu lesen

Internet-Tipp: https://www.dradio.de/dlr/sendungen/merkmal/261919/


 Enigma antwortete am 19.11.05 (18:19):

Hallo Marina,

irgendein "Evans"?
Ich verwechsle meist die Vornamen. Einer aus der Evans-Family hat uns ja auch den "Pferdeflüsterer" beschert, meine ich jedenfalls....

Und wer macht jetzt weiter?
Machen wir überhaupt noch weiter?
Oder was Neues? :-))


 angelottchen antwortete am 19.11.05 (18:56):

enigma - würde sehr gerne, hatte auch vorbereitet. aber mit leuten, die mich an anderer stelle so mit hass besudeln, habe ich keine lust zu weiteren denksportaufgaben dieser art.


 Marina antwortete am 19.11.05 (19:02):

Enigma, es ist T.S. Eliot.
Wenn du willst stell doch nochmal was rein. Wir sollten uns nichts vermiesen lassen. :-)

Angelotte, das Wort "Hass" scheint zu deinen Lieblingsworten zu gehören, vielleicht eine Projektion? Ich habe es in letzter Zeit mindestens schon drei- oder viermal von dir gelesen und vermute, dass du unter diesen unangenehmen Empfindungen leidest. Ich jedenfalls leide nicht darunter, was mich aber nicht daran hindert zu widersprechen, wenn ich es für geboten halte.


 Enigma antwortete am 19.11.05 (19:21):

Hallo, meine Lieben,

ja, wenn angelottchen schon was vorbereitet hatte, könnten wir doch mal probieren, was da auf uns zukommt, oder??

Das ist ja ein Sachthema (wenn auch manchmal die Gefühle aus der Vergangenheit da sehr lebendig wirken), und wenn wir mal versuchen, eigene Emotionen draußen zu lassen, was sicher nicht immer leicht ist, könnten wir uns vielleicht doch noch gut unterhalten?


 angelottchen antwortete am 19.11.05 (19:27):

sag nicht mir das ....


 Enigma antwortete am 19.11.05 (19:37):

@angelottchen
Hab` ich ja nun schon gesagt.
Und nun dein Beitrag?
Dann sehen wir weiter... :-))


 Literaturfreund antwortete am 19.11.05 (20:00):

Na - dann könnte es hier weitergehen:

Der Brief einer Dichterfrau leitet einige weitere Texte ein, die von einer Tour berichten, die der Angeschriebene, mit Vornamen „.....r“ (in Wahrheit der letzte Buchstabe seines Vornamens), 1933 durch Deutschland unternahm, durch Brandenburg, bis an den Niederrhein, von Oberhausen wird er nichts schreiben, aber von Xanten und Wesel – von Düsseldorf und Köln, vom Bodensee und vom Niederbayern...
*
Wer könnte hier an den „…..r“ geschrieben haben?

Lieber ...r!
Wir lernten Dich, nachbarlich in der Riemeisterstraße in Zehlendorf hausend, zuerst als die am schnellsten erreichbare Pumpstation kennen. Dein Beruf als Dichter war uns zu selbstverständlich: »Selber Dichter!« jeden Sonnabend holten wir uns fünf Mark, - in den dreißiger Jahren ein Vermögen, denn ein Viertel Blutwurst, sie erscheint später, kostete nur achtzehn Pfennige -, um sie artig und gewissenhaft am Mittwoch zurückzubringen und am nächsten Sonnabend wieder zu höhn. Ah jedoch ein Boheme-Freund von uns versuchte, ohne unser Wissen euch um ganze zehn Mark zu erleichtern, schämten wir uns entsetzlich und verzichteten auf diese Methode des flotten Giroverkehrs. Wir warm zwar entsetzlich arm, dafür aber ungeheuer begeistert. Und uns alle schmiedete das Katakomben-Dasein der Anti-Nazis fest zusammen.
Deine zweite Funktion war die eines raffinierten Schnaps-Destillierers. Ich sehe Dich geheimnisvoll eine Flasche voll wasserklarer Flüssigkeit, den Bergengruen-Wodka, in das jeweilige Sonnenfenster eures kleinen Siedlungshauses tragen, damit sie, gewürzt mit Pfeffer, Salz und neunzig fürchterlichen Ingredienzen, die notwendige Reife erlange. Da wir Dich von Herzen liebten, tranken wir diesen Schnaps. Wir wurden ungemein heiter, fast albern, und plötzlich fiel der baumlange Buchhändler Erwin Weber aus der Ladenstraße des Bahnhofs Onkel Toms Hütte, schweigend vom Stuhl und lag malerisch da, denn er konnte wegen seiner ein Meter fünfundachtzig Länge in dem engen Zimmer nicht ausgestreckt liegen. Aber die Blutwurst! Du liebtest es, auf den Zehlendorfer Wochenmarkt zugehen, um dort das Leben pulsieren zu sehen, uns bei den Einkäufen mit witzigen Reden und Anekdoten zu begleiten und selbst vielleicht etwas total Nutzloses, Dich Reizendes einzukaufen. Die Schlächter liebten mich, weil ich so ätherisch aussah (damals!!), und gaben mir, wenn ihre dicke Frau nicht hinsah, immer eine »Zuwaage«. An einem solch verlockend rot, von Fleisch und Wurst aller Sorten leuchtenden Stand fiel es Dir ein, eine Riesenportion Blutwurstfülle direkt vom Backblech zu kaufen. Du hattest einen ungeheuren Appetit darauf und ludest auch uns zum »Frühschoppen« ein. - Wir eilten in eure Küche, aber dort war Lotte mit dem Braten beschäftigt, der für die Mittagsgäste bestimmt war, die Du ganz vergessen hattest. Doch als mutiger Mann, der durch das Rußland der Revolution geritten war und sich auch in Kiew als Gefangener und »Ingenieur« bei den Roten, in einer Erfassungsstelle für bolschewistische Schrauben und Nieten, bewährt hatte - Dich konnte nichts abschrecken, du bestandest auf Deinem Willen und warfst die Wurst in die Pfanne.
*
Forts. folgt.


 Literaturfreund antwortete am 19.11.05 (20:09):

Forts.

Dichterin an den befreundeten Dichter:

Wieviel herrliches Gelächter haben wir zusammen angestimmt, wie oft ist uns die bange Frage gekommen: „Wie lange kann das noch dauern?“

*

Nach seiner Reise schrieb er dieses Gedicht:

Der Wanderer

Der Mondenebel hebt sich weiß.
Du gehst und gehst. Auf weß Geheiß?
Wohin? Am Wege hie rund dort
stehn Totenbäume, schwarz verknorrt.
Du wanderst. Und im Fernen wird
Ein letzter Wagen angeschirrt.

*

Ob das im Internet irgendwo steht - hu - hab' ich nicht nachgekuckt!


 Marina antwortete am 19.11.05 (22:38):

War der Angeschriebene vielleicht Oskar Loerke?


 Literaturfreund antwortete am 19.11.05 (23:29):

Nein, Marina - obwohl das auch ein Fall von ".....r" ist!

Den "Wanderer" habe ich im Internet nicht gefunden,
wohl aber von dem Gesuchten dieses Gedicht:

„Löse dich von Haus und Haft,
Ehe der Herd verglimmt.
Denn zu Gottes Wanderschaft
Bist du vorbestimmt.
Namenloses Zeitenkind,
Baum im Wanderschuh!
Was am Prellstein hockt und sinnt,
Das bist nicht mehr Du.
Gib dich der verborgnen Hand,
Die dich angerührt.
Hebe dich vom Grabenrand.
Geh, du bist geführt."

*

Übrigens die Frau, die den Brief schrieb, heißt mit Vornamen "Oda"...!
Und: Ein Bild von ihr ist über "Google" nicht zu finden.


 Marina antwortete am 20.11.05 (00:15):

Danke für die Tipps, dadurch wurde es erheblich leichter. :-) Es ist Werner Bergengruen, und der Brief müsste von Oda Schäfer sein, stimmt's?


 Enigma antwortete am 20.11.05 (08:46):

Guten Morgen

@Marina
Du hast es schon geraten. Ich bin mir auch fast sicher.
Ich mag Bergengruen sehr gerne. Erst kürzlich habe ich in einem alten Taschenbuch geblättert ("Der Tod von Reval") und beschlossen, dass ich wieder mal etwas von ihm kaufen werde.

@Literaturfreund
Danke für den schönen Brief.

Angeregt durch unsere diesjährige Reise ins Baltikum, bei der wir auch einen Teil von Kaschubien kennenlernen durften, hatte ich vor einiger Zeit im "Netz" gesucht und etwas gefunden, das ich sehr schön finde.Es ist das "Kaschubische Weihnachtslied", das man downloaden kann, einmal mit der Stimme von Bergengruen und einmal als Lied.
Bald haben wir ja den 1. Advent, und dann passt es auch jahreszeitlich.
Mir hat es schon sehr gefallen,die Stimme von Bergengruen zu hören.
Ich gebe den Link ein - she. Internet-Tipp! -

So, und jetzt gehe ich wieder auf die Pirsch nach neuen Brieftexten. Aber vielleicht kommt mir ja noch jemand zuvor?
Das wäre auch schön...
:-)

Internet-Tipp: https://www.glischinski.de/roots/Bergengruen.htm


 Literaturfreund antwortete am 20.11.05 (18:38):

Eine schöne Seite - liebe enigma - über Preußisches - und Östliches!
*
Ja, es war die Oda Lange, Dichtername: Schäfer, die mit dem Horst Lange verheiratet war, die in Berlin Kontakt fanden zu Bergengruens.
Der Brief stammt aus dem Jahre 1962, von der Hackelsberger herausgegeben im Vorwort zu: W.B.: Deutsche Reise. (1933; erschienen 1934) Neuausgabe 2004.

Das war eine Radreise in Sommer und Herbst, fast durch ganze Deutschland; ich werde Texte daraus einstellen unter neuem Titel; damit hier noch viele Dichterbriefe Platz und interessierte Neugier finden können.

*

Das Buch, s. URL.:

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/oJTEXzJiK


 Literaturfreund antwortete am 22.11.05 (16:48):

Familienverhältnisse aus L. – 1767: ein Sohn, der „kuriert“werden soll; ein Vater, den man lieben muss, eine Mama, die der Sohn wirklich liebt.

Wer schrieb diesen Brief an den Vater?

Auf Tarwasts Pastorat den 24-ten November 1767

Verehrungswürdigster Herr Papa! Ich weiß nicht, ob der Bruder bei seinen Amtsgeschäften, Catechisieren etc. Zeit haben wird, an Sie zu schreiben: ich nehme mir also die Freiheit, Ihnen abermals von dem was uns angeht, gehorsamst Nachricht zu geben. Der Bruder ist wie gesagt, sehr beschäftigt, befindet sich aber bei seinen Arbeiten noch immer Gottlob! recht gesund und vergnügt. Auch mir bekommt meine Kur recht gut und außer der kleinen Unbequemlichkeit, die mir der Diät, das Warmhalten, das Laxieren [Abführen] und dgl. machen, bin ich hier so vergnügt, wie man es in der Einsamkeit sein kann. Ich lese, oder schreibe, oder studiere, oder tapeziere - oder purgiere [reinige], nachdem es die Not erfodert. Übrigens hoffen und wünschen wir beide von ganzem Herzen, daß dieser Brief sowohl Sie, als meine hochzuehrende Frau Mama recht gesund, vergnügt und zufrieden antreffen möge.
Doch! eine: Bitte, gütigster Herr Papa! zu der mich die Not und Dero väterliche Gewogenheit berechtigen. Ich habe bei der neulichen Herreise empfunden, wie wenig ein bloßer Roquetor [Überzieher] bei Reisen in kühler und windiger Witterung vorschlage. Ich kann mir also leicht vorstellen, wie es anziehen muß. wenn man im Winter im bloßen Mantelrock reiset. Ich weiß wirklich nicht, wie ich einmal nach Derpt [gemeint: Dorpat] zurückkommen oder falls des Bruders Hochzeit im Januar [!] sein sollte, zu der er mit seiner Equipage mich mitnehmen will, wie ich die Reise dorthin werde tun können. Überdem ist mir ein Pelz allzeit nötig: ich nehme mir also die Freiheit, Sie ganz gehorsamst zu bitten, ob Sie mir nicht könnten für 3 Rubel das Futter dazu, nämlich einen Sack schwarzen Schmaßchen [feines Lammfell] aus den Russischen Buden ausnehmen fassen. Das Oberzeug darf nur Etemin [Wollstoff] sein: und da Sie in dieser Zeit sich ohnedem ausgegeben haben, so daß ich mich billig gescheut haben würde, mir von Denenselben was gehorsamst auszubitten, wenn mich nicht die Not zwänge: so könnte es ja solange in Peukers Bude auf Conto gesetzt werden, bis es Ihnen weniger beschwerlich fiele, das Geld dafür zu bezahlen. Ich überlasse dies übrigens ganz Ihrer eigenen gütigen Disposition und werde mich auch alsdann zufrieden geben, wenn die Umstände es für diesmal nicht erlauben sollten.
Übrigens küsse ich Ihnen und meiner besten Mama ganz gehorsamst die Hand
und bin nach 1000 Grüßen an allen meine Geschwister und nach gehorsamen Empfehlt an die Frau Obristin Albedille nebst Ihrem ganzen würdigsten Hause, an den Herrn Pastor Oldekopp und alle übrige "Gönner und Freunde
Meines verehrungswürdigsten Herrn Papas gehorsamster Sohn


 Enigma antwortete am 22.11.05 (20:51):

Ich muss vorausschicken, dass ich es nicht weiß, jedenfalls nicht genau. Aber eine Vermutung habe ich.
Kann es sich um Jacob Michael Reinhold Lenz handeln, dessen Vater in Livland (ich glaube sogar, dass er nach Dorpat gezogen war) pietistischer Pfarrer war?
Meines Wissens hat JMR seinem Vater wiederholt Bittbriefe geschrieben, obwohl dieser sich später von seinem Sohn losgesagt hat.
Aber, wie gesagt, es ist nur eine Vermutung. :-)


 Marina antwortete am 22.11.05 (21:55):

Ja Enigma, deine Vermutung müsste stimmen. Ich habe es aber auch nur mit Hilfe von Google rausgekriegt, geb's zu, von alleine wäre ich nicht drauf gekommen, weil ich mich mit Lenz noch nicht näher beschäftigt habe. Dabei musste ich im Abendgymnasium, als wir "Sturm und Drang" durchgenommen haben, mal eine Klausur schreiben mit einen Briefvergleich zwischen zwei Briefen (also je einem) von Lenz und Herder. Ich erinnere mich sogar noch, dass ich in diesem Brief Lenz stilistisch als einen wirklich leidenschaftlichen Stürmer und Dränger empfunden habe (deshalb auch diese Einordnung nachvollziehen konnte; er war ja einer der Wegbereiter dieser Richtung) im Gegensatz zu Herder, dessen Brief ich als etwas larmoyant empfand, was ich auch so formuliert habe. Ich weiß nicht so genau, ob das eine richtige Analyse war, auf alle Fälle wurde die Arbeit so benotet, dass ich annehmen konnte, nicht ganz falsch gelegen zu haben damit. :-)


 Literaturfreund antwortete am 24.11.05 (13:36):

Ja: "Lenz" war leicht; er gehört für mich – und für Enigma - zu den deutschsprachigen Östlichen, den Livländern...

Eine Ergänzung zu Marinas Erinnerung an Zeiten, als besonders "klassische" Deutschlehrer den Lenz
schlichtweg zum "Affen Goethes" machten.
Dass er Goethes Freund war, bis er, Lenz, in Weimar eine „Eselei“ beging, die eine sexuelle Eskapade gewesen sein könnte, lag an übereinstimmenden Interessen und der gegenseitigen Achtung der Genialen. Man war entsetzt und verjagte ihn aus der Musenstadt.
Und Lenz zog es noch einmal nach Riga, wo der Vater ihm keine Chance gab; dann nach Russland, wo er umkam.
Lenz hatte, sozial und psychisch gesehen, die schlechteren Karten der beiden Dichter. Er hatte den Vater als Zwangsfigur zu verkraften und keine Mutter, die den Einfluss und die lähmende „Patronage“ klären konnte.
Da er sich intensiv der sozialen Kontrolle entzog und von Spießbürgern verdrängte Themen beschrieb, die Angst machten bei denen, die sie eben ganz normal "lebten", aber sonst erfolgreich gedruckt und verbreitet wurden, halte ich ihn für fortschrittlich und "arg" modern.

MRR mag ihn auch heute – natürlich – nicht zu den Kanon-Klassikern machen. Wir sind also kulturell - nach der Meinung der Idealisten - fast wieder in den Tagen ... vor Brecht, vor den 68er Jahren.

Dabei gibt es genügend Erinnerungen an diesen Lenz mit seinen sozial anklägerischen Themen und Stücken und Gedichten - von Dichtern wie Büchner, Grabbe, Brecht...

Ich erinnere hier im nächsten Beitrag an Peter Huchel, der Lenz auch ein Gedicht widmete.

Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Michael_Reinhold_Lenz


 Literaturfreund antwortete am 24.11.05 (13:37):

PETER HUCHEL: L e n z
"So lebte er hin..." (Büchner)

Nachthindurch, im Frost der Kammer,
wenn die Pfarre unten schlief,
blies ins Kerzenlicht der Jammer,
schrieb er stöhnend Brief um Brief,
wirre Schreie an die Braut –
.. Lenz, dich ließ die Welt allein!
.. Und du weißt es und dir graut:
.. Was die alten Truhen bergen
.. an zerbrochenem Gepränge,
.. was an Rosen liegt auf Särgen,
.. diese Botschaft ist noch dein.
.. Kalter Kelch und Abendmahl.
.. Und der Gassen trübe Enge.
.. Und die Schelle am Spital.

Jungfräulicher Morgenhimmel,
Potentaten hoch zu Roß,
Kutschen, goldgeschirrte Schimmel,
Staub der Hufe schluckt der Troß.
Und die Dame schwingt den Fächer.
Und den Stock schwingt der Profoß.
Kirchen, Klöster, steile Dächer,
Mauerring um Markt und Maut.
Schwarz von Dohlen überflogen
Postenruf und Orgellaut.
Im Gewölb, im spitzen Bogen,
stehen sie, in Stein gehauen,
die durch Glorie gezogen,
Landesherren, Fürstenfrauen.
Doch kein Wappen zeigt die Taten:
Hoffart, Pracht und Üppigkeit,
nicht den hinkenden Soldaten,
armes Volk der Christenheit
und das Korn, von Blut betaut –
.. Lenz, du mußt es niederschreiben,
.. was sich in der Kehle staut:
.. wie sie's auf der Erde treiben
.. mit der Rute, mit der Pflicht.
.. Asche in dem Feuer bleiben
.. war dein Amt, dein Auftrag nickt.

Oh, des Frühjahrs Stundenschläge!
Dünn vom Münster das Geläut.
Durch den Wingert grüne Wege,
wo der Winzer Krume streut.
Auch der Büßer geht im Licht.
Und die schwarzverhüllte Nonne
mit dem knochigen Gesicht
spürt im Kreuzgang mild die Sonne.
Und der Pappeln kühles Schwebe«
in der Teiche weißem Rauch,
ist es nicht das schöne Leben,
diese Knospe, dieser Strauch?
Im Gehölz, vom Wind erhellt,
schulternackt der Nymphen Gruppe,
und ein Lachen weht vom Fluß -
.. Doch wer atmet rein die Welt,
.. wenn er seine Bettelsuppe
.. täglich furchtsam löffeln muß!
.. Lenz, du weißt es und dir graut:
.. Wer sich windet, wer sich beugt,
.. wer den Lauch der Armut kaut,
.. ist wie für die Nacht gezeugt.

Horch hinaus in Nacht und Wind!
Wirre Schreie, hohle Stimmen.
Feuer in den Felsen glimmen.
In Fouday blickt starr das Kind.
Bei des Kienspans trübem Blaken
und berauntem Zauberkraut
liegt es auf dem Totenlaken.
Und du weißt es und dir graut.
Schmerz dröhnt auf und schwemmt vom Chore
brennend in dein Wesen ein.
Von der ödesten Empore,
dringend durch die dickste Mauer
- gellend alle Pfeifen schrein -
braust die Orgel deiner Trauer.

Räudig Schaf, es hilft kein Beten!
Unter Tränen wirds dir sauer, doch du musst
die Bälge treten, daß es in den Pfeifen gellt -
.. Lenz, dich (friert an dieser Welt!
.. Und du weißt es und dir graut.
.. Gott hat dich zu arm bekleidet
.. mit der staubgebornen Haut.
.. Und der Mensch am Menschen leidet.


 Literaturfreund antwortete am 24.11.05 (14:06):

Vor-Adventlich:
Kleines Testament - Brief einer schwedischen Autorin vom 25.12.2001, den sie aus ungeklärten Gründen nicht veröffentlichte; übersetzt von Nils Karlson-Buddrus:

Nachricht: „Elchjäger im Himmel“

Wird es so immer wieder sein? Nasen rötender Spätherbst Ist's! Und durch Skandinaviens Wälder tapert’s in kleinen Gruppen: Die letzten natürliche Feinde des Menschen sind unterwegs, die Elchjäger.

An einem Wochenende wird ein schwedischer Elchjäger durch den Schuss eines anderen Jägers ums Leben gekommen, wenn beide zur selben Sekunde aus entgegengesetzten Richtungen auf ein Elchkalb anlegen.
(Wie die Zeitung "Aftonbladet" irgendwann berichten wird.)
Es wird ein 67-jähriger Rechtsanwalt einen Jung-Elch präzise, nämlich tödlich treffen, er wird aber seinerseits Bruchteile einer Sekunde später von der Kugel des anderen Elchjägers getroffen werden. Beide Jäger hatten sich auf verschiedenen Seiten eines Waldweges auf die Pirsch gelegt. Von den anderen Mitgliedern der Jagdgruppe wird berichtet, dass sie nur einen einzigen Schuss gehört hätten.
Beide Männer werden simultan auf Tier geschossen haben, das den unübersichtlichen Weg kreuzen wird.
Die Entfernung beider Jäger voneinander wird nur etwa 200 Meter betragen, die sie gemütlich zu Fuß hätten zurücklegen können, um sich zu verständigen.
Ein akustisches Warngerät „Huh, ich bin’s, ein Jäger, wie du!“ kann es da leider nicht geben, da es auch die Elche warnen würde; aber man wird über Apparaturen wie ein Handy sich den Kopf zerbrechen, das über Sensor und Vibration sich melden kann, um den schäbigen Tod eines Forstfreundes zu vermeiden; denn es kommt sehr selten vor, dass beide Jäger gleichzeitig den Elch-Tod erleiden.
Bei den alljährlichen Elchjagden in Schweden sind zuletzt drei oder gar vier Männer durch zielsichere Schüsse, die ich wahrlich Irrläufer nicht nennen möchte, aus den Gewehren anderer Jäger ums Leben gekommen.

Da könnte es sich empfehlen, Freund Elch als Ziel gleich ganz zu ignorieren und einen unliebsamen Mit-Förster und Horrido-Bruders gezielt aufs Korn zu nehmen.

S.: Horrido, egal, wo!

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/DH7F3Y4IM


 Enigma antwortete am 27.11.05 (07:59):

Oh, da steht ja noch eine Frage.
Aber das ist schwer.
Ich weiß es nicht.
Astrid Lindgren, die eine große Tierschützerin war, kann es ja wohl nicht gewesen sein,denn sie ist ja kurz darauf schon gestorben.
Und sonst kenne ich nur noch die Namen Katarina Frostenson oder Sara Lidman, aber auch nicht viel mehr als die Namen.

Vielleicht könntest du das Rätsel ja irgendwann auflösen, Literaturfreund, wenn inzwischen nicht noch jemand draufkommt.:-)