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THEMA:   Else Lasker-Schüler

 10 Antwort(en).

iustitia begann die Diskussion am 07.04.05 (21:57) :

Erinnerungen an Else Lasker-Schüler aus ihrer Berliner Zeit:
von Sigismund von Radecki:

ERINNERUNGEN AN ELSE LASKER-SCHÜLER
Vorgestellt und kommentiert von ASTR.

Vor mehr als zwei Jahren bin ich, bei der Sichtung und Analyse des Werks des ursprünglich baltisch-livländischen Dichters Sigismund von Radecki (des Feuilletonisten, Übersetzers und Erzählers, der in Berlin, in Wien, dann in der Schweiz und zuletzt im Ruhrgebiet, in Gladbeck lebte) auf einen seltsam ergreifenden, ungewöhnlichen Text gestoßen: auf seine „Erinnerungen“ an die Dichterin Else Lasker-Schüler.

Sie sollen hier vorgestellt und kurz kommentiert werden (auch als Erinnerung an den fast vollständig vergessenen S. von Radecki).

Text des Sigismund von Radecki:

ERINNERUNGEN AN ELSE LASKER-SCHÜLER

Ich lernte sie erst in ihrem Alter kennen. Sie war klein von Wuchs, schmächtig und hatte ein mageres, gelbliches, verwittertes Gesichtchen mit scharfen, edlen Zügen und großen, schwarzen Glutaugen. Manchmal, in Kühnheit, gemahnte es an das Antlitz eines Comanchen-Häuptlings. Wenn die Tränen kamen, so war es, als ob ein Gewitter mit Sturzregen über das Gesicht zog. Auf der Straße gehend, erinnerte sie an den Typus „Wurzelweiblein“. Sie schritt dicht an den Häusern, wie längs einem Lineal.

*
Sie muß eine wunderbare Mutter gehabt haben, die dieses seltsamste aller Kinder verstand. Die Mutter schenkte ihr eine Sammlung von Knöpfen aus einer Knopffabrik: perlmutterne, schwarze, rote, silberne, grüne, weiße. „Man muß das Kind allein lassen mit seinen Knöpfen.“ Mit ihnen konnte das kleine Mädchen stunden­lang spielen.

*

Einmal hatte das Kind Fieber, und der Arzt wurde gerufen. Der beugte sich mit seinem Bart über die Kranke. Da flüsterte sie:
Deine Haare sind so schwarz und dicht.
Sie locken sich,
Mich locken sie nicht.
*
Sie konnte stundenlang von ihrem Vater erzählen. Der war eine Eulenspiegel-Natur. „Er war nicht tief. Doch es gibt auch eine Tiefe der Oberfläche.“ Er war Architekt und baute die Stadt Elberfeld voll von Türmen, weil ihm das so gefiel.
*
Sie hatte Stunden ruhevollster Windstille. Doch im allgemeinen war sie nervös. Dieser labile Zustand kam von den drei schweren Widersprüchen, in die sie hineingeboren war: Sie war Jüdin in christlicher Umgebung und hatte antisemitische Gehässigkeiten schon von frühester Schulzeit an zu erdulden. Sie war eine dichterische, sensitive Natur in bourgeoiser Umgebung - dem Elberfeld der Neunzigerjahre. Sie war in ihrem Genialen männlich [Jussuf, Prinz von Theben] und hatte doch einen Frauenleib. - Jeder dieser Widersprüche hätte bereits Zähigkeit erfordert; sie alle drei erwiesen sich als zu stark für ihre zarte und edle Seele. Daher rang sie immer wieder nach Gleichgewicht.
*
Alle bekamen bei ihr Namen. Einer hieß etwa “der graue Nachtgeier“, eine korpulente Dame „der rosa Elefant“; eine andere „die jüdische Madonna“. Von einer sagte sie „das ist eine zotige Frau“. [Richard Dehmel hieß „der Waldfürst“, Franz Werfel „der Prinz von Prag“, Ludwig von Ficker „der Landvogt von Tirol“, Franz Marc „der blaue Reiter“, Gottfried Benn „Giselheer der Barbar“, Karl Kraus „der Kardinal“, auch „der Dalai Lama“, und sie selbst war „Jussuf, der Prinz von Theben“.] Mich nannte sie hartnäckig „Herr von Radetschki“. Auch bestellte sie nie „Fachinger“, sondern stets „Faschinger“; wohl wegen der sprühenden Blasen, die sie an Fasching erinnerten.
*
(Forts. folgt)
URL: ELSCH

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/nDy0diT63


 iustitia antwortete am 07.04.05 (21:59):

Forts.:
Radecki über ELSCH:

Sie hatte eine Abneigung vor allem Lehrerhaften. „Sie ist eine Lehrerin“, war eine ihrer schlimmsten Noten. „Gott ist kein Lehrer, Gott ist ein großer Indianer“, sagte sie. ‑ Sie fühlte sich selbst als Indianer und wollte zuweilen Raubzüge unternehmen. Einmal hatte sie mir im Café lange davon gesprochen, wir sollten doch bei „reichen Leuten“ klingeln und „einfach die Teppiche wegnehmen“. Zufällig kam ein Mann vorbei, von dem ich wußte, daß er Beziehungen zur „Roland-Kolonne“, einer Berliner Gangsterbande, hatte. Ich lud ihn ein, Platz zu nehmen, berichtete von unserem Vorhaben und bat um die fachmännische Assistenz der Roland-Kolonne. Während er das zu drehende Ding sachlich erörterte, wurde Else Lasker-Schüler immer stiller. Als er weggegangen war, meinte sie zaghaft und völlig ernüchtert: „Aber, Herr von Radetschki, wird die Sache nicht doch zu gefährlich sein ... ?“

Einmal fiel das Wort „Langeweile“. Da brach sie los: „Oh, wie ich mich im Leben schon g e l a n g w e i l t habe... erst in der Schule ... und dann immer, immer wieder ... Woher diese furchtbare Langweile!? ...“ Es war, als ob die Langweile einen wie ein ungeheures Weltenweh anrührte.
*
Einmal zeigte sie mir ein niedliches, winziges Strickzeug. „Das nehm’ ich immer auf die Reise mit und stricke ostentativ. Damit man im Waggon mit Frauen gleich bekannt wird.“
*
Sie liebte sehr, Schule zu spielen, und sang als Lehrer ein pracht­volles ABC‑Lied, in das alle antwortend einstimmen mußten. Spielen war ihr eine Ablenkung. Ich zeigte ihr die sogenannten Leber-Reime an und hatte damit ungeahnten Erfolg. Ganze Stunden wurden mit Leber‑Reimen verbracht. Zuweilen schickte sie mir ein halbes Dutzend neuer per Postkarte. Ihr erster Leber‑Reim lautete:
„Die Leber ist von einem Hecht
und nicht von der Sardine.
Der schönste Fisch hieß Engelbrecht –
der trocknet auf der Düne.“
*
Sie brauchte immer etwas Beruhigendes. Darum liebte sie den laut tickenden Wecker in ihrem Zimmerchen. „Das ist mein Großvater“, sagte sie.
*
„Nicht das Gedicht ist wichtig“, sagte sie, „sondern der d i c h t e r i s c h e Z u s t a n d, in dem man es schafft.“
*
Sie sagte: „Ein Wort muß das andere küssen.“
*
Einmal erzählte sie mir, wie sie in einem Gedichte habe Ägypten erscheinen lassen wollen, es sei aber alles zu weitläufig geraten. „Da sagte ich einfach
'Ä g y p t e n s t a n d i n g o l d n en M a n t e l ­ f a l t e n', und nun war Ägypten auf einmal da.“
*
Karl Kraus hatte zum erstenmal in Berlin seine Gedichte vor­gelesen. Alles war begeistert. Als wir hinausgingen, hörte ich, wie sie neben mir heftig ins Dunkel murmelte: „Erst komme ich - und dann alles, was Lyrik heißt in Deutschland ...“ Das war aber nur ein momentaner Ausbruch. Sie liebte und verehrte Karl Kraus.
*

Karl Kraus schrieb von Else Lasker-Schüler, sie sei „die einzige männliche Erscheinung der heutigen deutschen Literatur“. Er hat ihr sein Buch „Epigramme“ gewidmet. Er achtete Else Lasker-Schüler sehr hoch, hat einmal für sie Geld gesammelt und oft bewundernd auf sie hingewiesen. Doch zugleich konnten ihre Schwächen ihm nicht entgehen. Als sie, laut Zeitungsnachrichten, ihren fünfzigsten Geburtstag feierte, meinte er: „Wie man jung wird!...“ Einmal sagte er: „In ihr steckt ein Erzengel und ein Marktweib.“ Ein anderes Mal: „Sie hat zuweilen so einen Zug um die Mund­winkel, der bedeutet ‘Ihr seid mir schön hereingefallen’.“


 iustitia antwortete am 07.04.05 (22:03):

Fort. Teil 3:
Radecki über ELSCH:

Sie hatte einen unheimlichen sens du ridicule; mit niemand konnte man so gut lachen wie mit ihr. Aber sie liebte nicht die jüdischen Anekdoten. Diese schienen ihr eine Banalisierung des Judentums. Ihre Vorstellung vom Gottesvolke hatte etwas Makkabäisches - „die wilden Juden“.
*
Ein schrecklicher Schicksalsschlag war für sie der Tod ihres einzigen Sohnes Paul. Er war ein hochbegabter Zeichner, aber erblich belastet. Kein leichtes Schicksal, das Kind von Else Lasker-Schüler zu sein. Er starb an Lungentuberkulose. In seinem Krankenzimmer war ein Vorhang, der den größeren Raum mit dem Bett abtrennte. Die Mutter umgab den Sohn mit aller liebenden Pflege und suchte ihm Hoffnung zu machen. Einmal unterbrach er sie fast schreiend: „Was hilft das alles ‑ ich weiß, ich muß doch sterben!“ Daraus sprach eine grenzenlose Verzweiflung. Als er fühlte, daß es jetzt ans Sterben ging, gab er der Mutter ein Zeichen, hinter den Vorhang zu treten; er wollte allein sterben. Gehorsam trat sie hinter den Vorhang und wartete dort den Tod ihres Sohnes ab.
*
Sie war von zartfühlendster Hilfsbereitschaft - selber bettelarm, wollte sie doch stets helfen, für jemand Gänge tun, ihn unterstützen. Besonders aufflammen konnte sie, wenn sie hörte, daß eine Frau eine Liebe nicht erwiderte: „Sie muß, sie muß, und wenn nicht, wahrhaftigen Gott, gehe ich selbst hin und werde mit ihr reden!“

*
Es gab natürlich viel komische Züge an ihr, zum Beispiel, wenn sie einen Verleger im Theaterfoyer ohrfeigte und dann sagte: „Ich fühlte, wie ein Erzengel mir die Hand geführt hat ...“ Doch wie sehr hätte sich der geirrt, der bei solchen Zügen stehengeblieben wäre!
*
Einmal sagte sie: „Die körperliche Tat, aus der ein Mensch entsteht, ist etwas so Unmögliches, daß sie nur gerechtfertigt ist, wenn zwei vor lauter Liebe einfach nicht anders können.“
*
Sie las immer wieder die Kabbala. Dort hatte sie den Gedanken gefunden, Gott habe sich durch die Schöpfung der Welt „entdunkelt“, und wiederholte ihn oft mit geheimnisvoller Miene.
*
Wenn sie sich mit jemand verzankte [was mir immerhin zwei­mal geschah], dann hätte man sie beim „konventionellen“ Abschiednehmen sehen sollen. Sie konnte sich nicht verstellen, was doch Frauen sonst leicht vermögen. Es war das schlechtest nachgemachte Handschütteln, das nur denkbar war, und eben darum rührend. Wie echt mußte ein Mensch sein, um so unecht zu scheinen!
*
Wenn sie redete, so schuf sie wirklich die Sprache. Jedes Wort ganz unabsichtlich von ungeheuerster Bildlichkeit ‑ sogleich das Herz erschütternd oder das Zwerchfell. Schon mit ihren ersten Worten wurde die Welt zu einem Reich der Else Lasker­Schüler, ein Märchenreich von Bürgern, Ungeheuern, Zwergen, Prinzen, Prinzessinnen und Dichtern, wobei alle Wesen doch die nuanciertesten Wirklichkeitszüge trugen.
*
Die „Leipziger Pelzhändler“ waren für sie der Inbegriff gie­rigen Kommerzes. Sie muß irgendeinmal auf der Pelzbörse ge­wesen sein und hatte von dort unauslöschliche Eindrücke davongetragen. Seitdem war „Leipziger Pelzhändler“ eine ihrer bevorzugten mimischen Darstellungen, auch tauchten in ihren Briefen sehr suggestive Zeichnungen dieses Typus auf. ‑ Sie war stolz auf ihre Familie und ihre Herkunft. Ihr Urgroßvater war, glaube ich, der Oberrabbiner von Rheinland-Westfalen gewesen. Sie stammte von spanischen Juden ab. Dabei hatte sie aber eine besondere Vorliebe für Ostjuden und deren Wunderrabbis.
*
*
URL -

Internet-Tipp: https://img.radio.cz/pictures/loga/else_lasker_schuler1.gif


 iustitia antwortete am 07.04.05 (22:10):

Sigimsund von Radeckis Hommage an Else Lasker-Schüler:
- Letzter Teil -

Manchmal verfiel sie in rheinisches Platt. Sie war zugleich das Deutscheste und Jüdischste, was man sich vorstellen konnte. An ihrem Judentum hing sie leidenschaftlich, und doch [oder eben deshalb] ließ die Gestalt Christi sie nicht los. Sie hat mir einmal Blüten geschickt, die sie selber auf Golgatha gepflückt hatte. Sie liebte es, von Göttlichen Dingen zu reden. Christus er­schien ihr oft, auch zusammen mit den zwölf Aposteln. Einmal ganz brüchig und verkohlt, wie nach einer Feuersbrunst. Sie klagte, daß „die Christen“ die Gestalt Jesu verfälscht und versüßlicht hätten. Mehrmals geschah es, daß sie plötzlich innehielt und dann mit großen Augen sagte: „Wie, wenn Er wirklich Gottes Sohn wäre ...“
*
Sie schwor, daß sie in Blumenkelchen Engel gesehen habe, wollte aber die Jungfrauen-Geburt auf keinen Fall glauben.
*
Als ich einmal an ihren Tisch im Café trat, sagte sie: «Gut, daß Sie kommen. Wir wollen gerade feststellen, was eigentlich der Unterschied zwischen Juden und Christen ist.“ Ich sagte: „Die Christen glauben, daß Jesus Gottes Sohn ist, die Juden nicht.“ Da, war sie sehr ungehalten.
*
Neben dem Indianer und dem Wunderrabbi spielte der Neger in ihrer Phantasie eine große Rolle. Im Jahre 1921 ging ich mit ihr einmal in das „Scala-Casino“, weil dort eine Jazzband spielte, was damals etwas Neues war. Diese Musik setzte sie in Feuer und Flamme. Unter dem Tanzpublikum befand sich auch ein Neger, der saß an seinem Tisch. Plötzlich ging sie auf den Neger zu und forderte ihn mit einer Art Knix zum Tanz auf. Der schaute sie ruhig an und schüttelte den Kopf: „No.“ Wie sie darauf ganz vernichtet über das Parkett zurückging, werde ich nicht vergessen. Glücklicherweise wurde sie gleich darauf selber engagiert.
*
Sie liebte ins Kino zu gehen. Das war ihr eine Beruhigung: „Man sitzt so still da mit einem Viertelpfund Marzipankartoffeln und läßt alles an sich vorüberziehen...“ Es gab Tage, wo sie dreimal das Kino besuchte. Sie sagte von uns beiden: „Wir bekennen uns zum Stamme der Kinoniter für und für.“ Wenn ihr etwas gefiel, gab sie mir heimlich einen Rippenstoß, schaute mich mit großen Augen an und machte „m-m-m...“
*
Sie war eine großartige Zeichnerin. Mit bunten Stiften und Tusche zauberte sie faszinierende Bilder hervor. Dazu beklebte sie sie manchmal mit Gold- und Silberflittern. Es gab keinen Brief, keine Postkarte von ihr ohne Zeichnung. Immer wieder sproß eine Blume, ein Antlitz, ein Herz aus den Buchstaben, und Falter flogen über die Halme der Lettern. Oft waren kleine Goldflitter um ein einzelnes Wort herum geklebt. Man fühlte, daß auch Briefschreiben ihr ein wunderbares Spiel war. Dabei war sie jedoch nicht nur „verspielt“, sondern auch eine heldenhafte Kampfnatur. Sie war eben alles zugleich.
*
Einen genialen Menschen gekannt zu haben, ist ein Glück für das ganze Leben.


 iustitia antwortete am 08.04.05 (11:22):

Auch die Dichterin selber hat ihren Freund Sigismund von R. porträtiert:

Else Lasker-Schüler: SIGISMUND VON RADECKI

Ein baltischer Edelmann, Mensch und Dichter,
Und Sigismund und Schwärmer und Verweser.

Melancholie stritt schmerzlich mit des Herzens Juliüppigkeit,
- Die Lieblingsschwester, seine Dichterin, lag fern im Todesrot.

Als er mir ihren Abschiedsbrief ergriffen vorlas: »Herzlieber Bruder mein...«
Begruben wir den lieben Engel unter stillen Worten.

Sigismunds gewaltiges Erdenherz hat Jahreszeiten:
Glück, Himmel, Sturm und Tod.

Und wer erlebte nicht einmal die Laune seiner Laune: Schelm,
Der sitzt auf seiner Zungenspitze, spitzt und pfeift den ersten April.

Der Sigismund besucht noch manchmal die Obertertia im Traum,
So brachte er mir strahlend einen blauen Falter unter Glas wie Zensur 1 ins Haus.

Und wir bekennen uns zu Kinonitern Schulter an Schulter,
Ausgerüstet mit Fruchtbonbons, begeistert ziehen wir in manchen blutigen Film.

Von Schweden Svenska hin nach Troja I., II. Teil, wo der Achill
Mit den unnahbaren Händen dem Patroklos schrecklich Opfer bringt.

Auch Chaplin spielt im Mozartsaal; wie wir den hoch verehren!
Zwischen Daumier und Christian Morgenstern sitzt er im Tempel: Kunst.

Und wir verkürzen uns den Abendrest,
Indem wir Reime reimen auf Chaplin, den Kosmiker der Komiker.

Und einmal liebte Sigismund ein Paar blaue Augen .....
Da prallte heißer Dichtung Mittagssonne auf sein liebevolles Herz.

Auch seine Übersetzung wird zur eigenen Dichtung,
Da ihm gelingt Tönung und Farbe pietätvoll zu bewahren.

Puschkin und Gogol wurden ihm zu übertragen anvertraut,
Ins Deutsche, das er unvergleichlich stark beherrscht.

Er kaufte einen ungeheuren Bogen, einen Samowar voll Tinte
Und sitzt von früh bis spät in seinem kleinen Kreml,
Wo seine Feder voll vom schwarzen Blute klebt -!
*
(Zuerst in Berliner Tageblatt 326/1924; 11.07.1924)


 iustitia antwortete am 08.04.05 (11:31):

Da möchte ich noch auf eine schöne Seite zu der Dichtern Else Lasker- Schüler verweisen.

(Das meint auch einen Beitrag über Poesie, ob als "Schusterei nach dem eigenen Leisten" (s. das entsprechende Kapitel hier im Forum, mit eigenen Gedichten) - oder als Kunst der Formen, der Metaphern und Intentionen.
(Beides hat seine Berechtigung, seine Funktionen, aber auch seine qualitativen - literarischen und historischen -Unterschiede..., die man nicht verwischen sollte nach eigenen Bedürfnissen.)

URL: https://www.katz-heidelberg.de/Themen_im_Unterricht/Expressionismus/Else_Lasker-Schuler/body_else_lasker-schuler.html

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/tLw5zhlqq


 Marina antwortete am 08.04.05 (12:19):

Danke für die interessanten Texte und den Link und für deine Bemerkung: "Beides hat seine Berechtigung, seine Funktionen, aber auch seine qualitativen - literarischen und historischen -Unterschiede..., die man nicht verwischen sollte nach eigenen Bedürfnissen."

Man kann Lasker-Schüler und Sprachgitter von Celan lieben, ohne deshalb "Hurz" oder "Krawehl, Krawehl" oder Reime von z.B. Heinz Erhard (oder sogar humorvolle Gebrauchslyrik bwz. Blödeleien von Dilettanten in einem Forum ;-)) zu verachten.


 Medea. antwortete am 08.04.05 (17:20):

Alles hat seine Zeit und seinen Platz -
ich liebe Else Lasker-Schüler sehr -
vor Jahren habe ich einen Film über das Stück "Die Wupper" gesehen, einer der Hauptdarsteller war Hans Lothar, der mir unvergessen blieb.


 Marina antwortete am 08.04.05 (17:44):

Das hätte ich auch gern gesehen! Hans Lothar war einer der größten Schauspieler, die ich kenne. Jetzt sieht man ja manchmal seine Tochter Susanne im FS, die finde ich auch sehr interessant.


 Enigma antwortete am 08.04.05 (17:58):

Ja, ich mag sie auch sehr, die Else Lasker-Schüler.

Und auch bedeutenden Menschen war sie sehr, sehr wichtig.
So z.B. Klabund:
"Else Lasker-Schülers Kunst ist sehr verwandt mit der ihres Freundes, des "blauen Reiters" Franz Marc.
Fabelhaft gefärbt sind alle ihre Gedanken und schleichen wie bunte Tiere. Zuweilen treten sie aus dem Wald in die Lichtung: wie zarte, rote Rehe.
Se äsen ruhig und heben verwundert ihre Hälse, wenn jemand durchs Dickicht bricht. Sie laufen nie davon.
Sie geben sich ganz preis ihrer Körperlichkeit. Else-Lasker-Schüler trägt ihr Herz an einer goldenen Kette um den Hals. Sie ist ohne Scham: jeder darf es betrachten..."

Das finde ich so schön beschrieben....

Und Gottfried Benn, ihr Geliebter:
"Dies war die größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte... Ihre Themen waren jüdisch; ihre Phantasie orientalisch, aber ihre Sprache war deutsch, ein üppiges, prunkvolles, zartes Deutsch, eine Sprache reif und süß, in jeder Wendung dem Kern des Schöpferischen entsprossen.
Immer unbeirrbar sie selbst, fantastisch sich selbst verschworen, feindlich allem Satten, Sicheren, Netten, vermochte sie in dieser Sprache ihre leidenschaftlichen Gefühle auszudrücken, ohne das Geheimnisvolle zu entschleiern und zu vergeben, das ihr Wesen war."---

Es soll da auch einen Briefwechsel geben mit Benn, auf hohem Niveau - natürlich -, aber den kenne ich leider nicht.

Fortsetzung:


 Enigma antwortete am 08.04.05 (18:53):

Und dann gibt es noch einen Film über Lasker-Schüler und Benn.
Helma Sanders hat Regie geführt, das Drehbuch geschrieben und ihn auch produziert.
Er heisst:
"Mein Herz Niemandem", 1997.
Leider wurde er kein grosser Publikumserfolg.

Hier ein Auszug aus seiner Ankündigung:

"Die Geschichte einer Liebe zwischen einer Jüdin und einem Deutschen in diesem Jahrhundert, zwischen zwei Rivalen in der lyrischen Dichtung, die einander den schönsten Liebesdialog der Weltliteratur geliefert haben, leidenschaftlich, sinnlich, verzweifelt, wild, einander verfallen und einander hassend. Er begeistert sich für die Nazis, während sie wie eine Bettlerin das Land ihrer ehemaligen Triumphe verlassen muß, um von Land zu Land bis nach Jerusalem zu wandern. Er begreift bald seinen Irrtum, als die Nazis die Kunstrichtung, der er selbst angehörte, für ‘entartet’ erklären und ihn kaltstellen. Deutschland zerstört sich selbst, indem es sein Judentum zerstört. Sein Abgesang auf sie nach ihrem Tod ist eine bleibende Liebeserklärung."

Zum Schluss von Else Lasker-Schüler:

"An mich

Meine Dichtungen, deklamiert, verstimmen die Klaviatur meines Herzens. Wenn es noch Kinder wären, die auf meinen Reimen tastend meinetwegen klimperten (Bitte nicht weitersagen!) Ich sitze noch heute sitzengeblieben, auf der untersten Bank der Schulklasse, wie einst... Doch mit spätem versunkenem Herzen: 1000- und 2-jährig, dem Märchen über den Kopf gewachsen.
Ich schweife umher Mein Kopf fliegt fort wie ein Vogel, liebe Mutter. Meine Freiheit soll mir niemand rauben, sterb ich am Wegrand wo, liebe Mutter, kommst du und trägst mich hinauf zum blauen Himmel. Ich weiß, dich rührte mein einsames Schweben und das spielende Ticktack meines und meines teuren Kindes Herzen."

Einiges stammt aus der meiner Meinung nach sehr schönen Intrnetseite, wie in der URL angegeben.....

Internet-Tipp: https://www.lyrik.ch/lyrik/spur3/lasker/lasker.htm