Archivübersicht
| Impressum
THEMA: Gedichte Kapitel 25
123 Antwort(en).
admin
begann die Diskussion am 05.04.02 (10:26) mit folgendem Beitrag:
Kapitel 24 kann unter nachstehender Adresse
/seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a264.html
gelesen werden.
(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a264.html)
|
admin
antwortete am 05.04.02 (10:35):
die Mailingliste wurde auf Kapitel 25 übertragen.
|
Heidi
antwortete am 05.04.02 (12:05):
Hymne an die Liebe
Froh der süßen Augenwaide Wallen wir auf grüner Flur; Unser Priestertum ist Freude, Unser Tempel die Natur; - Heute soll kein Auge trübe, Sorge nicht hienieden sein! Jedes Wesen soll der Liebe, Frei und froh, wie wir, sich freu'n!
Höhnt im Stolze, Schwestern, Brüder! Höhnt der scheuen Knechte Tand! Jubelt kün das Lied der Lieder, Vestgeschlungen Hand in Hand! Steigt hinauf ins weite Thal! Überall der Liebe Flügel, Hold und herrlich überall!
Liebe bringt zu jungen Rosen Morgenthau von hoher Luft, Lehrt die warmen Lüfte kosen In der Maienblume Duft; Um die Orione leitet Sie die treuen Erden her, Folgsam ihrem Winke, gleitet Jeder Strom in's weite Meer;
An die wilden Berge reihet Sie die sanften Thäler an, Die entbrannte Sonn' erfreuet Sie im stillen Ozean; Siehe! mit der Erde gattet Sich des Himmels heil'ge Lust, Von den Wettern überschattet Bebt entzükt der Mutter Brust.
Liebe wallt durch Ozeane, Höhnt der dürren Wüste Sand, Blutet an der Siegesfahne Jauchzend für das Vaterland; Liebe trümmert Felsen nieder, Zaubert Paradiese hin - Lächelnd kehrt die Unschuld wieder, Göttlichere Lenze blüh'n.
Mächtig durch die Liebe, winden Von der Fessel wir uns los, Und die trunknen Geister schwinden Zu den Sternen, frei und groß! Unter Schwur und Kuß vergessen Wir die träge Fluth der Zeit, Und die Seele naht vermessen Deiner Lust, Unendlichkeit!
Hölderlin, Friedrich (1770-1843)
|
sieghard
antwortete am 05.04.02 (15:35):
DAS ROSENBAND
Im Frühlingsschatten fand ich sie; da band ich sie mit Rosenbändern: sie fühlt' es nicht und schlummerte.
Ich sah sie an; mein Leben hing mit diesem Blick an ihrem Leben; ich fühlt' es wohl und wußt' es nicht.
Doch lispelt' ich ihr sprachlos zu und rauschte mit den Rosenbändern: da wachte sie vom Schlummer auf.
Sie sah mich an; ihr Leben hing mit diesem Blick an meinem Leben, und um uns ward's Elysium.
[Friedrich Gottlieb Klopstock 1724 - 1803] .
|
Dela
antwortete am 05.04.02 (17:05):
Mit einem gemalten Band
Kleine Blumen, kleine Blätter Streuen mir mit leichter Hand Gute junge Frühlingsgötter Tändelnd auf ein luftig Band. Zephir, nimms auf deine Flügel, Schlings um meiner Liebsten Kleid; Und so tritt sie vor den Spiegel All in ihrer Munterkeit. Sieht mit Rosen sich umgeben, Selbst wie eine Rose jung. Einen Blick, geliebtes Leben! Und ich bin belohnt genug. Fühle, was dies Herz empfindet, Reiche frei mir deine Hand, Und das Band, das uns verbindet, Sei kein schwaches Rosenband! [Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832]
|
ianna
antwortete am 05.04.02 (18:44):
Der Schmetterling ist in die Rose verliebt, Umflattert sie tausendmal, Ihn selber aber, goldig zart, Umflattert der liebende Sonnenstrahl.
Jedoch, in wen ist die Rose verliebt? Das wüßte ich gar zu gern. Ist es die singende Nachtigall? Ist es der schweigende Abendstern?
Ich weiß nicht, in wen die Rose verliebt; ich aber liebe euch all: Rose, Schmetterling, Sonnenstrahl, Abendstern und Nachtigall.
Heinrich Heine
|
Heidi
antwortete am 06.04.02 (05:18):
Liebeslied
Dein Mund, der schön geschweifte, Dein Lächeln, das mich streifte, Dein Blick, der mich umarmte, Dein Schoß, der mich erwarmte, Dein Arm, der mich umschlungen, Dein Wort, das mich umsungen, Dein Haar, darein ich tauchte, Dein Atem, der mich hauchte, Dein Herz, das wilde Fohlen, Die Seele unverhohlen, Die Füße, welche liefen, Als meine Lippen riefen -: Gehört wohl mir, ist alles meins, Wüsst nicht, was mir das liebste wär, Und gäb nicht Höll noch Himmel her: Eines und alles, all und eins.
Klabund (Alfred Henschke)
|
ianna
antwortete am 07.04.02 (00:31):
Küß nochmals mich, küß wieder, küß mich gut, Gib einen Kuß mir, süßer als bisher, Gib einen Kuß, verliebter noch weit mehr; Vier geb dafür ich, heiß wie Kohlenglut.
O,und du klagst noch? Da - dich aufzufrischen, Schenk ich dir zehn, süß wie du's nicht gewußt. Und wie sich unsre Küsse glücklich mischen, Kosten einander wir nach Herzenslust.
Daraus muß sich ein doppelt Sein ergeben: Jedes wird in sich und in dem Freunde leben. Erlaub mir, Liebe, wenn es toll auch klingt,
Dies Wort zu denken. Denn mir schaffet Leiden Alleinsein, und ich kann mich nur bescheiden, Wenn mir ein Ausbruch aus mir selbst gelingt.
Louise Labé ( 1525 Lyon - 1566 Lyon )
|
Rosmarie Vancura
antwortete am 07.04.02 (10:49):
Ein Gedicht, welches ich immer wieder lese. Es ist von Gottfried Benn und wie ich meine, eines der Schönsten, die er geschrieben hat.
Nur drei Worte ______________
Durch soviel Formen geschritten durch Ich und Wir und Du, doch alles wurde erlitten durch die ewige Frage :Wozu
Das ist eine Kinderfrage Der Mann hat immer gewusst, es gibt nur eines ob Sinn, ob Sucht, ob Sage das eine, dunkle: du musst.
Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere was alles erblühte verblich es gibt nur zwei Dinge: die Leere und das gezeichnete Ich.
|
sieghard
antwortete am 07.04.02 (10:58):
LETZTER FRÜHLING
Nimm die Forsythien tief in dich hinein und wenn der Flieder kommt, vermisch auch diesen mit deinem Blut und Glück und Elendsein, dem dunklen Grund, auf den du angewiesen.
Langsame Tage. Alles überwunden. Und fragst du nicht, ob Ende, ob Beginn, dann tragen dich vielleicht die Stunden noch bis zum Juni mit den Rosen hin.
[Gottfried Benn 1886 - 1956] .
|
Dela
antwortete am 07.04.02 (12:51):
ALLES FÜGT SICH
Alles fügt sich und erfüllt sich, musst es nur erwarten können und dem Werden deines Glückes Jahr und Felder reichlich gönnen. Bis du eines Tages jenen reifen Duft der Körner spürest und dich aufmachst und die Ernte in die tiefen Speicher führest.
[Christian Morgenstern 1871 - 1914]
|
Rosmarie Vancura
antwortete am 07.04.02 (15:48):
Frühling *********
Von Else Lasker - Schüler
Wir wollen wie der Mondenschein die stille Frühlingsnacht durchwachen, Wir wollen wie zwei Kinder sein. Du hüllst mic h in Dein Leben ein und lehrst mich,so wie du zu lachen.
Ich sehnte mich nach Mutterlieb und Vaterwort und Frühlingsspielen. den Fluch, der mich durchs Leen trieb Begann ich, da er bei mir blieb, wie einen treuen Freund zu lieben.
Nun blühn die Bäume seidenfein und Liebe duftet von den Zweigen Du musst mir Vater und Mutter sein und Frühlingdsspiel und Schätzelein und ganz mein eigen.
Else Lasker-Schüler, geboren 1869 in Wilberfeld-Barmen, dem heutigen Wuppertal.emigrierte als Jüdin 1933 in die Schweiz und starb, vereinsamt und verlassen 1945 in Jerusalem.
|
Brita
antwortete am 07.04.02 (16:38):
Lenzlied
Dass Du Lenz gefühlt hast Unter meiner Winterhülle, Duss Du den Lenz erkannt hast In meiner Todstille. Nicht wahr, das ist Gram Winter sein, eh' der Sommer kam, Eh' der Lenz sich ausgejauchzt hat.
O, Du! schenk' mir Deinen gold'nen Tag Von Deines Blutes blühendem Rot. Meine Seele friert vor Hunger, Ist satt von Reif. O, Du! giesse Dein Lenzblut Durch meine Starre, Durch meinen Scheintod. Sieh, ich harre Schon Ewigkeiten auf Dich!
Else Lasker-Schüler
|
Jeanette
antwortete am 07.04.02 (17:15):
(Im Vorgriff auf Pfingsten:)
O komm, du Geist der Wahrheit (Philipp Spitta, 1801-1859)
O komm, du Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein, verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein. Gieß aus dein heilig Feuer, rühr Herz und Lippen an, dass jeglicher getreuer den Herrn bekennen kann.
O du, den unser größter Regent uns zugesagt, komm zu uns, werter Tröster, und mach uns unverzagt. Gib uns in dieser schlaffen und glaubensarmen Zeit die scharfgeschliffnen Waffen der ersten Christenheit.
Unglaub' und Torheit brüsten sich frecher jetzt als je, darum musst du uns rüsten mit Waffen aus der Höh'; du musst uns Kraft verleihen, Geduld und Glaubenstreu' und musst uns ganz befreien von aller Menschenscheu.
Es gilt ein frei Geständnis in dieser unsrer Zeit, ein offenes Bekenntnis bei allem Widerstreit, trotz aller Feinde toben, trotz allem Heidentum zu preisen und zu loben das Evangelium.
Du Heil'ger Geist, bereite ein Pfingstfest nah und fern, mit deiner Kraft begleite das Zeugnis von dem Herrn. O öffne du die Herzen der Welt und uns den Mund, dass wir in Freud' und Schmerzen das Heil ihr machen kund.
(EKG 136)
(Internet-Tipp: https://www.recmusic.org/lieder/list.poet.html)
|
Adolf
antwortete am 07.04.02 (23:02):
Wer viele Jahre fleißig war, wer immer für die Seinen da, wer nie strebte nur nach Geld, der gehört in diese Welt.
Wer niemals jammert, niemals klagt, wer nicht aufgibt nicht verzagt, wer stets an allem Anteil nimmt, der ist für diese Welt bestimmt.
Wer will, dass dies noch lange währt, der ist es wert, dass man ihn ehrt.
Einen schönen Wochenanfang wünsch allen Adolf
|
T.heo
antwortete am 08.04.02 (12:24):
Lob der Sonne
Göttlich strahlend früh am Morgen steigt die Sonne hoch empor Über Menschen gut und böse Schalt der Vöglein heller Chor
Vöglein singen Gott zu Ehren Menschen danken im Gebet Und die Sonne über alles Strahlend hoch am Himmel steht
|
Rosmarie Vancura
antwortete am 08.04.02 (13:54):
Lieber Theo! Sehr schön, Dein Sonnenlied. Ein lieber Freund hat mich mit dem Sonnengesang des Hl.Franz von Assisi beschenkt.Er wird vielen bekannt sein, aber...lest ihn doch wieder einmal:
Franz von Assisi:
DER SONNENGESANG ________________
Höchster, allmächtiger, guter Herr, Dein sind das Lob, der Ruhm, die Ehr und aller Segen. Dir gehören sie,Höchster, allein. Kein Mensch ist wert, Dich zu nennen.
Gelobt seist Du, mein Herr, samt all Deinen Kindern Und der Schwester Sonne besonders, Denn am Tage zündest Du für uns sie an. Schön ist sie und strahlt in großem Glanze. Von Dir, o Höchster bringt sie Kunde.
Gelobt seist Du,mein Herr für Bruder Mond und Sterne! Am Himmel hast Du sie geformt, klar köstlich und hell.
Gelobt seist Du, mein Herr, für Bruder Wind und Luft und Wolken, freundliches und jedes Wetter! Mit ihnen hegst du deine Kinder. Gelobt seist Du, mein Herr, um Wassers Willen! Das ist so nützlich, schmiegsam, köstlich und keusch.
|
Richard
antwortete am 08.04.02 (14:39):
Lieber Adolf, dein Loblied auf die Guten habe ich mit viel Interesse gelesen, jedoch kamen mir unheimlich viele Fragen dabei in den Sinn. Die Frage, die sich am gewaltigsten in den Vordergrund drängte: Was machen wir mit Jenen, die nicht nach deinen Vorstellungen gehandelt haben? Mit freundlichen Grüßen Richard
|
S. Hölzle
antwortete am 08.04.02 (14:45):
Hallo, ich bin auf der Suche nach einem Gedicht zufällig in dieses Forum gekommen. Kennt jemand ein Goethe-Gedicht, in dem ein Nachtwächter vorkommt und um elf Uhr eine Elfe auftaucht? Es wäre schön, wenn mir jemand weiterhelfen könnte.
|
Heidi
antwortete am 08.04.02 (15:03):
Elfenlied
Bei Nacht im Dorf der Wächter rief: "Elfe!" Ein ganz kleines Elfchen im Walde schlief - Wohl um die Elfe! - Und meint, es rief ihm aus dem Tal Bei seinem Namen die Nachtigall, Oder Silpelit hätt' ihm gerufen. Reibt sich der Elf' die Augen aus, Begibt sich vor sein Schneckenhaus Und ist als wie ein trunken Mann, Sein Schläflein war nicht voll getan, Und humpelt also tippe tapp Durch's Haselholz in's Thal hinab, Schlupft an der Mauer hin so dicht, Da sitzt der Glühwurm Licht an Licht. "Was sind das helle Fensterlein? Da drin wird eine Hochzeit sein: Die Kleinen sitzen bei'm Mahle, Und treiben's in dem Saale. Da guck' ich wohl ein wenig `nein'!" - Pfui, stößt den Kopf an harten Stein! Elfe, gelt, du hast genug? Guckuck! Guckuck!
|
Heidi
antwortete am 08.04.02 (15:05):
Das vorstehende Elfenlied ist übrigens von Eduard Mörike :-)
|
Heidi
antwortete am 08.04.02 (15:08):
Hier ist das Elfenlied von Goethe:
Elfenlied Um Mitternacht, wenn die Menschen erst schlafen, Dann scheinet uns der Mond, Dann leuchtet uns der Stern; Wir wandeln und singen Und tanzen erst gern.
Um Mitternacht, wenn die Menschen erst schlafen, Auf Wiesen, an den Erlen Wir suchen unsern Raum Und wandeln und singen Und tanzen einen Traum.
Johann Wolfgang von Goethe
und hier gibts noch mehr "Elfenlieder" ;-))
https://www.hl-gedichte.de
(Internet-Tipp: https://www.hl-gedichte.de)
|
Erika Kalkert
antwortete am 08.04.02 (18:15):
Der Blütenzweig
Immer hin und wider strebt der Blütenzweig im Winde, immer auf und nieder strebt mein Herz gleich einem Kinde zwischen hellen, dunklen Tagen, zwischen Wollen und Entsagen.
Bis die Blüten sind verweht und der Zweig in Früchten steht, bis das Herz, der Kindheit satt, seine Ruhe hat und bekennt; voll Lust und nicht vergebens war das unruhevoller Spiel des Lebens.
Hermann Hesse
|
Heidi
antwortete am 08.04.02 (22:58):
Blind?
ich sehe Mond, Sonne Wolkenspiele, Sterne, Himmel in allen Farben Lieber Gott, bist Du dort?
ich sehe Wiesen, Wälder grüne Blätter, bunte Blumen kahle Äste Lieber Gott, bist Du dort?
ich sehe Flüsse, Seen Kanäle, trübe Tümpel klare Quellen Lieber Gott, bist Du dort?
ich sehe Dörfer, Städte kleine Häuser, Fabriken grosse Wohntürme Lieber Gott, bist Du dort?
ich sehe Menschen, Völker alte Gesichter, junge Gesichter Kinderaugen, hell gross dunkel Lieber Gott, bist Du dort?
ich sehe Gleichgültigkeit Hass, Krieg Soldaten Lebende, Tote tote Kinder!
Lieber Gott, bist Du dort? oder bist Du am Ende
..fort?
hl
|
gedichtesucher
antwortete am 09.04.02 (13:22):
zur Information:
" Aktuell Liebe Leserin, Lieber Leser,
seit dem 28.3.2002 ist das Literaturprojekt Gutenberg-DE wieder online. Ab sofort können mehr als 1000 Romane und Novellen überwiegend deutschsprachiger Autoren, 10.000 Gedichte und Tausende Märchen, Sagen und Fabeln wieder kostenlos von allen Usern abgerufen werden..."
https://gutenberg.spiegel.de/info.htm
(Internet-Tipp: https://gutenberg.spiegel.de/info.htm)
|
Antonius Reyntjes
antwortete am 09.04.02 (18:45):
Was Flottes, zum Frühling, der auch noch schrappig und abweisend sei kann...
Friederike Kempner Wenn der holde Frühling lenzt
Wenn der holde Frühling lenzt Und man sich mit Veilchen kränzt, Wenn man sich mit festem Mut Schnittlauch in das Rührei tut, Kreisen durch des Menschen Säfte Neue ungeahnte Kräfte - Jegliche Verstopfung weicht, Alle Herzen werden leicht, Und das meine fragt sich still: "Ob mich dies Jahr einer w i l l?"
|
Dela
antwortete am 09.04.02 (22:19):
AUF DER BOOTSBRÜCKE
[Silja Walter]
Ich fuhr aus den singenden Ufern hinaus, Die reglose Mitte zu finden, Ich trag in den Knöcheln den Tanz nach Haus, Und kann die Sandalen nicht binden.
Auch Mitte ist schwingende Diele wie sie, Die Ufer und Borde und Ränder, Der Tanz steigt im Gehen mir in die Knie Und wirft mir die Hand vom Geländer, Und packt meinen Nacken, und all meine Ruh Im Herzen versinkt zwischen Bohlen, Ich werf' meine roten Sandalen dazu Und tanze mit brennenden Sohlen! Ich tanze, verschüttet von Fläche und Licht, Vom Boot über Brücken und Planken, Und Tanz wird Taumel und Taumel Gedicht - Und die roten Sandalen versanken.
|
Heidi
antwortete am 09.04.02 (23:11):
Fresko-Sonette an Christian S. 3
Ich lache ob den abgeschmackten Laffen, Die mich anglotzen mit den Bocksgesichtern; Ich lache ob den Füchsen, die so nüchtern Und hämisch mich beschnüffeln und begaffen. Ich lache ob den hochgelahrten Affen, Die sich aufblähn zu stolzen Geistesrichtern; Ich lache ob den feigen Bösewichtern, Die mich bedrohn mit giftgetränkten Waffen.
Denn wenn des Glückes hübsche Siebensachen Uns von des Schicksals Händen sind zerbrochen, Und so zu unsern Füßen hingeschmissen;
Und wenn das Herz im Leibe ist zerrissen, Zerrissen, und zerschnitten, und zerstochen - Dann bleibt uns doch das schöne gelle Lachen
Heinrich Heine
|
Heidi
antwortete am 09.04.02 (23:41):
Lied
Es ist der Wind um Mitternacht, Der leise an mein Fenster klopft. Es ist der Regenschauer sacht, Der leis an meiner Kammer tropft.
Es ist der Traum von meinem Glück, Der durch mein Herz streift wie der Wind. Es ist der Hauch von deinem Blick, Der durch mein Herz schweift regenlind
Friedrich Nietzsche
|
ianna
antwortete am 09.04.02 (23:50):
Abendspaziergang
Der Abendtau macht mich verrückt. Der Nebel macht mich krank. Komm, setz zu mir dich auf die Bank - ein Weilchen nur. Dann laß uns wandern Hand in Hand den See entlang, dort, wo die Lotosblüten blühn. Die ersten Frühlingsschauer ziehn schon übers Land.
Und so verrückt hat mich die Zärtlichkeit gemacht, daß mich auch nicht mehr schreckt, was andre denken. Ich werf mich an die Brust dir unbedacht, und alles, was ich hab, möcht ich dir schenken. Doch wird es Nacht - und wenn wir auseinandergehn, wie trüb wird alles sein - Sitz ich allein vorm Spiegel - nein! ich möcht mich nicht drin sehn.
Dschun Schu-Dschen ( 12 Jh )
|
Rosmarie Vancura
antwortete am 10.04.02 (00:24):
Handinneres ___________
Inneres der Hand. Sohle, die nicht mehr geht als auf Gefühl. Die sich nach oben hält und im Spiegel himmlische Strassen empfängt, die selber wandelnden. Die gelernt hat, auf Wasser zu gehn, wenn sie schöpft, die auf dem Brunnen geht, aller Wege Verwandlerin. Die auftritt in anderen Händen, die ihresgleichen zu Landschaften macht: wandert und ankommt in ihnen, sich anfüllt mit Ankunft.
Rainer Maria Rilke
|
Adolf
antwortete am 10.04.02 (03:20):
Lieber Richard, ich habe mit Interesse Deine Argumentation gelesen. Ja was machen ich bloß mit denen, die nicht zu den „Guten“ gehören? Haben ich ein recht Menschen in gut und böse aufzuteilen? Ganz klar NEIN. Mir ging es in dem Beitrag nicht um gut und böse bzw. um fleißig und nicht fleißig. Ich wollte einmal diejenigen in unserer Gesellschaft damit danken, die in vielen Instutitionen Ehrenamtlich arbeiten, ohne auf ein Dankeschön zu warten. Sicher sind auch viele in diesem Forum die dazu gehören. Vielleicht habe ich mich nicht richtig ausgedrückt. Sorry Herzliche Grüße Adolf
|
sieghard
antwortete am 10.04.02 (09:35):
. Ein Mensch erlebt den krassen Fall, es menschelt deutlich überall. Trotzdem merkt man weit und breit oft nicht die Spur von Menschlichkeit. .
Ein Mensch erhofft sich fromm und still, Dass er einst das kriegt, was er will. Bis er dann doch dem Wahn erliegt Und schließlich das will, was er kriegt.
[Eugen Roth] .
|
Heidi
antwortete am 10.04.02 (12:57):
Die Dichterin
Du hälst mich in den Händen ganz und gar. Mein Herz wie eines kleinen Vogels schlägt In deiner Faust. Der du dies liest, gib acht; Denn sieh, du blätterst einen Menschen um. Doch ist es dir aus Pappe nur gemacht,
Aus Druckpapier und Leim, so bleibt es stumm Und trifft dich nicht mit seinem großen Blick, Der aus den schwarzen Zeichen suchend schaut, Und ist ein Ding und hat sein Dinggeschick.
Und ward verschleiert doch gleich einer Braut, Und ward geschmückt, daß du es lieben magst, Und bittet schüchtern, daß du deinen Sinn Aus Gleichmut und Gewöhnung einmal jagst,
Und bebt und weiß und flüstert vor sich hin: "Dies wird nicht sein." Und nickt dir lächelnd zu. Wer sollte hoffen, wenn nicht eine Frau? Ihr ganzes Treiben ist ein einzig: "Du..."
Mit schwarzen Blumen, mit gemalter Brau, Mit Silberketten, Seiden, blaubesternt. Sie wußte manches Schönere als Kind Und hat das schöne andre Wort verlernt. -
Der Mann ist soviel klüger, als wir sind. In seinen Reden unterhält er sich Mit Tod und Frühling, Eisenwerk und Zeit; Ich sage:"Du..." und immer:"Du und ich."
Und dieses Buch ist eines Mädchens Kleid, Das reich und rot sein mag und ärmlich fahl, Und immer unter liebem Finger nur Zerknittern dulden will, Befleckung, Mal.
So steh ich, weisend, was mir widerfuhr; Denn harte Lauge hat es wohl gebleicht, Doch keine hat es gänzlich ausgespült. So ruf ich dich. Mein Ruf ist dünn und leicht. Du hörst, was spricht. Vernimmst du auch, was fühlt?
Quelle: Gertrud Kolmar, Gedichte, Bibliothek Suhrkamp
|
Dela
antwortete am 10.04.02 (16:40):
DER UNENTSCHLOSSENE
(Eugen Roth)
Ein Mensch ist ernstlich zu beklagen, Der nie die Kraft hat, nein zu sagen, Obwohl er´s weiß, bei sich ganz still: Er will nicht, was man von ihm will ! Nur, dass er Aufschub noch erreicht, Sagt er, er wolle sehn, vielleicht ... Gemahnt wird nach zweifelsbittern Wochen, Dass er´s doch halb und halb versprochen, Verspricht er´s, statt es abzuschütteln, Aus lauter Feigheit zu zwei Dritteln, Um endlich, ausweglos gestellt, Als ein zur Unzeit tapfrer Held In Wut und Grobheit sich zu steigern Und das Versprochne zu verweigern. Der Mensch gilt bald bei jedermann Als hinterlistiger Grobian - Und ist im Grund doch nur zu weich, Um nein zu sagen - aber gleich !
|
Margret
antwortete am 10.04.02 (20:52):
Klugheit wagt keinen hohen Flug, hält sich in sicherem Gleisen. Ihr eigenes Wohl ist ihr genug- Weisheit zieht größere Kreise. Der weise Mann ist selten klug und der kluge selten weise.
Friedrich v. Bodenstedt
|
Margret
antwortete am 10.04.02 (20:56):
Lieber Richard, Antwort auf Deine Frage zum Gedicht von Adolf (8. 4. 02 " Nicht ehren" Das meint Margret.
|
Adolf
antwortete am 10.04.02 (22:49):
Eine angenehme Nacht wünscht allen Adolf
Von all meinen Wünschen, die sich verbünden wie freundliche Boten dir zum Geleit, mögest du diesen am stärksten empfinden: Ich wünsche dir Dankbarkeit. Es gibt Anlass zu danken für jeden genug, Wem die Sonne am Morgen sich zugekehrt, wem sein Tagwerk gelungen mit Egge und Pflug, der weiß Dank für den Atemzug, der ihm beschert. Wenn es Glück ist, ein einfaches Leben zu führen, voll Dank zu erkennen: „Ich bin", dann wünsch' ich dir, Dank in der Seele zu spüren für beides: Verlust und Gewinn. Es geht ums Bereitsein, sich dankbar zu fügen. Doch ob dir's gelingt, das wird an dir liegen. Und wenn du als Glückskind durchs Leben gehst, dann wünsch' ich dir, dass du zu danken verstehst. Elli Michler
|
Rosmarie Vancura
antwortete am 11.04.02 (23:21):
Weisst Du den Grund? ____________________
Daß du's zuletzt doch noch zu sagen wagtest am Telefon und daß du es wie einen Hauch nur sagtst und ohne Ton,
Das gar so Scheue, dies und alles Scheue von dir zu mir die vorsichtigen Worte deiner Treue auf dem Papier,
Die Blicke die sich zögernd anvertrauen, im Spiegel nur, vorm Abschied das beklommne Niederschauen auf deine Uhr.
All das verhüllte und verzagte Leben - weisst du den Grund Ach lass doch deinen Mund die Antwort geben auf meinem Mund.
Manfred Hausmann
|
Adolf
antwortete am 13.04.02 (17:34):
Ich wünsche allen einen schönen Sonntag:Adolf
Ich geduldete mich den ganzen Winter hindurch, weil ich wusste, dass in einer Nacht die Mandelbäume sich mit weißen Blüten bedecken würden Und ich war jedes mal verwundert, wie dieser zarte Blütenschnee allen Regen und Winden trotzte. Und doch dauerte jedes Jahr das Blühen gerade so lange, als es braucht, um die Früchte vorzubereiten. Albert Camus
|
Margret
antwortete am 13.04.02 (22:23):
Die Jugend ist meist so allwissend,dass sie alles weiß, bis auf eines: dass auch einmal die Alten allwissend waren, bis sie wirklich etwas wussten. E. Hemingway
|
Brita
antwortete am 14.04.02 (08:24):
Die Gunst des Augenblicks
Und so finden wir uns wieder In dem heitern, bunten Reihn, Und es soll der Kranz der Lieder Frisch und grün geflochten sein.
Aber wem die Götter bringen Wir des Liedes ersten Zoll? Ihn vor allen laßt uns singen, Der die Freude schaffen soll.
Denn was frommt es, daß mit Leben Ceres den Altar geschmückt? Daß den Purpursaft der Reben Bacchus in die Schale drückt?
Zückt vom Himmel nicht der Funken, Der den Herd in Flammen setzt, Ist der Geist nicht feuertrunken, Und das Herz bleibt unergetzt.
Aus den Wolken muß es fallen, Aus der Götter Schoß das Glück, Und der mächtigste von allen Herrschern ist der Augenblick.
Von dem allerersten Werden Der unendlichen Natur Alles Göttliche auf Erden Ist ein Lichtgedanke nur.
Langsam in dem Lauf der Horen Füget sich der Stein zum Stein, Schnell, wie es der Geist geboren, Will das Werk empfunden sein.
Wie im hellen Sonnenblicke Sich ein Farbenteppich webt, Wie auf ihrer bunten Brücke Iris durch den Himmel schwebt,
So ist jede schöne Gabe Flüchtig wie des Blitzes Schein, Schnell in ihrem düstern Grabe Schließt die Nacht sie wieder ein.
Friedrich Schiller
|
RosmarieVancura
antwortete am 14.04.02 (09:18):
Zwischen Abend und Morgen _________________________
Leb wohl zur Nacht,leb wohl! Vielleicht geschieht's daß wir im Traum uns wiedersehn und wie die Reime eines Liebenslieds todsüchtig ineinanderwehn.
Denn je mehr ich dein bin, umso tiefer bin ich mein. Denn je mehr ich mein bin, umso tiefer bin ich dein.
Ich bin im Traum in dich hieneingegangen wie in ein Bild auf einer Nebelwand. Nun ist es Tag. Verwunschenheiten hangen gleich Schleier um die Schläfen mir und Wangen, und meine Hand ist wunderlich befangen, wenn sie sich hebt, als sei sie deine Hand.
Manfred Hausmann: Unterwegs
|
Heidi
antwortete am 15.04.02 (01:17):
Wenn ich ein König wäre Wenn ich ein König wäre, säh' ich des Volkes Schmerzen, Und tiefe Trauer trüg' ich alsdann in meinem Herzen, Ich wäre nicht erblindet für seine große Noth, Nicht taub für seine Klagen, wenn ihm Verderben droht. Ich säh' die Einen schwelgen in ihren Prunkgemächern, Sie edle Weine schlürfen aus Gold- und Silberbechern, In Dunenbetten ruhen, mit Seide zugedeckt, Bis sie die hohe Sonne aus süßem Schlummer weckt. In säh', wie sie den Lüsten, den eitlen, Opfer zollen. Von Rossen stolz gezogen, vom Fest zur Oper rollen, Wie sie dann sorglos schlafen in sichrer Gegenwart, Vertrauend auf die Zukunft, die ihrer Tage harrt. Doch säh' ich auch die Andern in ungesunden Räumen, Die fort und fort beschäftigt, die nimmer müssig säumen, Die unterm Dache wohnend, gebettet sind auf Stroh, Von Lumpen kaum bedecket, die nie des Lebens froh, Durch Fleiß und saure Mühe nicht so viel sich erwerben, Zu sättigen die Kinder, die fast vor Hunger sterben, Zu wärmen nur die Kleinen, die's friert bei Nacht und Tag, Und die doch leben müssen, weil sie der Tod nicht mag. Ihr Leben voll Entbehrung, voll Kummer und voll Sorgen, Bekrönt als Schmerzensstachel, die Furcht vorm andern Morgen, Da sie nicht wissen können, ob er das dürft'ge Brod Den Armen wird bescheren, ob größer wird die Noth. Und säh' ich so die Reichen, und säh' ich so die Armen, So würd' ich mich der Letztern mit mildem Sinn erbarmen; Mit jenen die da leiden, mit jenen litt auch ich, Ihr Schicksal zu verbessern, das nähm ich stolz auf mich. So lang in meinem Reiche noch Bettler vor sich fänden, So lange noch Arbeiter mit starken fleiß'gen Händen, Vergebens an Werkstätten um Arbeit klopfen an, So lange würd' ich glauben, ich hätte nichts gethan. Den lügenden Ministern, die sich oft dreist erfrechen, Vom Wohlstand eines Landes mit feiler Zung zu sprechen, Würd' ich nicht Glauben schenken, so lang des Armen Schweiß, Den Reichen Früchte bringet, von denen er nichts weiß. Ich würde Mitleid haben mit jenen armen Müttern, Die mit gebrochenem Herzen, mit Händen welche zittern, Den neugebornen Knaben auf einen Straßenstein Aussetzen, weil zu Haus ihn bedroht des Hungers Pein. Auch mit den Waisenkindern, die kaum die süßen Gaben Der Elternlieb' genossen, würd' ich stets Mitleid haben, Die längst den Kuß der Mutter, des Vaters Sorg' entbehrt, Die schon am Lebensmorgen von Druck und Last beschwert. Ich würde Mitleid haben mit Mädchen und mit Frauen, Die schön und jung an Jahren, vergebens um sich schauen Nach Arbeit, bis das Elend sie nach und nach entblößt, Und mit brutalem Fuße in die Verderbniß stößt. Auch dem Fabrikarbeiter würd' ich mein Mitleid schenken, Und mit besonderm Eifer auf seine Hebung denken, Denn dieser ist der Sträfling, der Sklav der Industrie, Und die Befreiungsstunde schlägt diesem Armen nie. Doch ja, sie schlägt am Ende, wenn aus des Lebensketten, Der Tod kommt, um den Müden ins tiefe Grab zu retten; Im Leben nur Maschine, darf er nie stille steh'n, Und gleich dem ew'gen Juden, muß er stets vorwärts geh'n. Mich dauerte der Weber, der still das Schiffchen drehet, Der reiche Stoffe webet und selbst halb nackend gehet; Mich dauerte der Maurer der früh und spät sich quält, Der andern Häuser bauet, und dem ein Obdach fehlt. Mich dauerte der Landmann, der häuft die goldnen Garben, Und der dabei in Armuth bei Kleienbrod muß darben; Mich dauerte ein Jeder, der fleißig sich bestrebt, Der Andern Reichthum schaffet, und selbst im Elend lebt. Des Volkes laute Klagen, die Thränen, die da fallen, Die würden mir im Herzen beständig widerhallen. Ich könnte nimmer ruhen, bis ich den Grund erschaut, Bis denen ich geholfen, die mir ihr Glück vertraut. Und würd' es mir gelingen da Wohlstand zu verbreiten, Wo jetzt die Armuth waltet, wo Noth und Elend streiten, Hätt' ich die Volksverblutung mit milder Hand gestillt, Ja, dann erst würd' ich glauben, sei meine Pflicht erfüllt. Und wenn mich Der beriefe, der alle Spaltung schlichtet, Der Könige und Bettler mit gleicher Strenge richtet, Bät' ich vor Gottes Throne in jenem Geisterland: »O Herr! beschütz' die Völker, die Vater mich genannt.« Kathinka Zitz (1801-1877)
|
Dietlinde
antwortete am 15.04.02 (09:19):
Heute hat Wilhelm Busch Geburtstag
15. 4. 1832 Wilhelm Busch (+ 9.1.1908) Deutscher Schriftsteller, Zeichner und Maler. Der in Wiedensahl bei Hannover geborene Busch besuchte Akademien in Düsseldorf, Antwerpen und München, bevor er sich an seinem Heimatort niederließ. Im Jahr 1859 begann er eine Reihe von Zeichnungen in dem Satiremagazin "Fliegende Blätter" zu veröffentlichen. Gefolgt wurden diese Zeichnungen von illustrierten Erzählungen wie "Max und Moritz" (1865), "Hans Huckebein, der Unglücksrabe"(1867) und "Die fromme Helene" (1872). Im Jahr 1910 hatte "Max und Moritz" bereits eine Auflage von über 500.000 Stück erreicht und war in mehrere Sprachen übersetzt. Die Wirkung von Buschs Werken liegt vor allem in der Verknüpfung witziger Versdichtung mit pointierten Bildergeschichten. www.wilhelm-busch-seiten.de/links.html Eine umfangreiche Linksammlung zu Wilhelm Busch. www.wilhelm-busch.de/ Links zu einem Forum, einer Zitatsammlung und zu Geschichten des Dichters. Quelle: www.kalenderblatt.de
Wilhelm Busch
Der Sack und die Mäuse
Ein dicker Sack voll Weizen stand Auf einem Speicher an der Wand. - Da kam das schlaue Volk der Mäuse Und pfiff ihn an in dieser Weise: "Oh, du da in der Ecke, Großmächtigster der Säcke! Du bist ja der Gescheitste, Der dickste und der Breitste! Respekt und Referenz Vor eurer Exzellenz!" Mit innigem Behagen hört Der Sack, daß man ihn so verehrt. Ein Mäuslein hat ihm unterdessen Ganz unbemerkt ein Loch gefressen. Es rinnt das Korn in leisem Lauf. Die Mäuse knuspern's emsig auf. Schon wird er faltig, krumm und matt. Die Mäuse werden fett und glatt. Zuletzt, man kennt ihn kaum noch mehr, Ist er kaputt und hohl und leer. Erst ziehn sie ihn von seinem Thron; Ein jedes Mäuslein spricht ihm hohn; Und jedes, wie es geht, so spricht's: "Empfehle mich, Herr Habenichts!"
Wilhelm Busch
Früher, da ich unerfahren
Früher, da ich unerfahren Und bescheidner war als heute, Hatten meine höchste Achtung Andre Leute. Später traf ich auf der Weide Außer mir noch mehr Kälber, Und nun schätz ich, sozusagen, Erst mich selber.
Sie war ein Blümlein
Wilhelm Busch
Sie war ein Blümlein hübsch und fein, Hell aufgeblüht im Sonnenschein. Er war ein junger Schmetterling, Der selig an der Blume hing. Oft kam ein Bienlein mit Gebrumm Und nascht und säuselt da herum. Oft kroch ein Käfer kribbelkrab Am hübschen Blümlein auf und ab.
Ach Gott, wie das dem Schmetterling So schmerzlich durch die Seele ging.
Doch was am meisten ihn entsetzt, Das Allerschlimmste kam zuletzt. Ein alter Esel fraß die ganze Von ihm so heißgeliebte Pflanze.
(1783)
Will das Glück nach seinem Sinn
Will das Glück nach seinem Sinn Dir was Gutes schenken, Sage Dank und nimm es hin Ohne viel Bedenken. Jede Gabe sei begrüßt, Doch vor allen Dingen: Das worum du dich bemühst, Möge dir gelingen.
Ich habe hier auch noch etwas zum Schmunzeln:
Der Esel Es stand vor eines Hauses Tor Ein Esel mit gespitztem Ohr, Der käute sich sein Bündel Heu Gedankenvoll und still entzwei. Nun kommen da und bleiben stehn Der naseweisen Buben zween, Die auch sogleich, indem sie lachen, Verhaßte Redensarten machen, Womit man denn bezwecken wollte, Daß sich der Esel ärgern sollte.
Doch dieser hocherfahrne Greis Beschrieb nur einen halben Kreis, Verhielt sich stumm und zeigte itzt Die Seite, wo der Wedel sitzt.
Die Tute
Wenn die Tante Adelheide Als Logierbesuch erschien, Fühlte Fritzchen große Freude, Denn dann gab es was für ihn. Immer hat die liebe Gute Tief im Reisekorb versteckt Eine angenehme Tute, Deren Inhalt köstlich schmeckt.
Täglich wird dem braven Knaben Draus ein hübsches Stück beschert, Bis wir schließlich nichts mehr haben Und die Tante weiterfährt.
Mit der Post fuhr sie von hinnen. Fritzchens Trauer ist nur schwach. Einer Tute, wo nichts drinnen, Weint man keine Träne nach.
Ich wünsche allen Freunden und Gästen des Seniorentreffs eine fröhliche, schöne, neue Woche!
Dietlinde
(Internet-Tipp: https://easy.to/haikulinde)
|
Rosmarie Vancura
antwortete am 15.04.02 (09:47):
Fughetta _________
Aus den ungekannten Gründen deines Herzens aufgestiegen, dir zu künden, mir zu künden, was sich dir und mir verschwiegen,
unvergessen die Bewegung, die mich ganz zu dir verführte, diese sanfte Gegenregung, als mein Mund den deinen rührte,
dir zu künden mir zu künden, was sich mir und dir verschwiegen, aus den ungekannten Gründen, deines Herzens aufgestiegen,
diese sanfte Gegenregung als mein Mund den deinen rührte, unvergessen die Bewegung, der mich ganz zu dir verführte.
Manfred Hausmann
Liebe Freunde! Ichg verabschiede mich für vier Wochen von Euch (Urlaub) und freue mich sehr, Eure Beiträge nach der Rückkehr zu lesen. Macht's gut! Rosmarie
|
sieghard
antwortete am 16.04.02 (14:53):
Wo ist die Hand so zart, dass ohne Irren Sie sondern mag beschränkten Hirnes Wirren, So fest, dass ohne Zittern sie den Stein Mag schleudern auf ein arm verkümmert Sein? Wer wagt es, eitlen Blutes Drang zu messen, Zu wägen jedes Wort, das unvergessen In junge Brust die zähen Wurzeln trieb, Des Vorurteils geheimen Seelendieb? Du Glücklicher, geboren und gehegt Im lichten Raum, von frommer Hand gepflegt, Leg hin die Waagschal', nimmer dir erlaubt! Lass ruhn den Stein - er trifft dein eignes Haupt! -
Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848) .
|
Heidi
antwortete am 17.04.02 (09:06):
Die armen Worte
Die armen Worte, die im Alltag darben, die unscheinbaren Worte, lieb ich so. Aus meinen Festen schenk ich ihnen Farben, da lächeln sie und werden langsam froh.
Ihr Wesen, das sie bang in sich bezwangen, erneut sich deutlich, dass es jeder sieht; sie sind noch niemals im Gesang gegangen und schauernd schreiten sie in meinem Lied.
Rainer Maria Rilke, 6.11.1897, Berlin-Wilmersdorf
|
Heidi
antwortete am 17.04.02 (10:41):
Über die Zeitereignisse sage ich nichts; das ist Universalanarchie, Weltkuddelmuddel, sichtbar gewordener Gotteswahnsinn! Der Alte muß eingesperrt werden, wenn das so fortgeht. Heinrich Heine am 9. Juli 1848 (Brief an Campe)
Erinnerungen aus Krähwinkels Schreckenstagen (Gedichte 1853 und 1854)
Wir, Bürgermeister und Senat, Wir haben folgendes Mandat Stadtväterlichst an alle Klassen Der treuen Bürgerschaft erlassen.
»Ausländer, Fremde, sind es meist, Die unter uns gesät den Geist Der Rebellion. Dergleichen Sünder, Gottlob! sind selten Landeskinder.
Auch Gottesleugner sind es meist; Wer sich von seinem Gotte reißt, Wird endlich auch abtrünnig werden Von seinen irdischen Behörden.
Der Obrigkeit gehorchen, ist Die erste Pflicht für Jud' und Christ. Es schließe jeder seine Bude, Sobald es dunkelt, Christ und Jude.
Wo ihrer drei beisammenstehn, Da soll man auseinandergehn. Des Nachts soll niemand auf den Gassen Sich ohne Leuchte sehen lassen.
Es liefre seine Waffen aus Ein jeder in dem Gildenhaus; Auch Munition von jeder Sorte Wird deponiert am selben Orte.
Wer auf der Straße räsoniert, Wird unverzüglich füsiliert; Das Räsonieren durch Gebärden Soll gleichfalls hart bestrafet werden.
Vertrauet eurem Magistrat, Der fromm und liebend schützt den Staat Durch huldreich hochwohlweises Walten; Euch ziemt es, stets das Maul zu halten.«
Heinrich Heine
.. immer aktuell
(Internet-Tipp: https://homepages.compuserve.de/frickew/heine/index.htm?heine01.htm)
|
Dela
antwortete am 18.04.02 (11:54):
Aus: „ASTÖSSE , meditative + provokative Lyrik, Czernik-Verlag/ EDITION L“.
UNGENÜGEND
(Joachim Grünhagen)
Nur den Finger Gereicht hat Der Schöpfer.
Die ganze Hand Nahm der Mensch.
Und hat doch Nie genug – In der Faust.
|
Dietlinde
antwortete am 18.04.02 (15:17):
Ein Gedicht zum Träumen von Arno Holz
Schönes, grünes, weiches Gras. Drin liege ich. Mitten zwischen Butterblumen!
Ueber mir, warm, der Himmel: ein weites, zitterndes Weiss, das mir die Augen langsam, ganz langsam schliesst.
Wehende Luft, ... ein zartes Summen.
Nun bin ich fern von jeder Welt, ein sanftes Roth erfüllt mich ganz, und deutlich spür ich, wie die Sonne mir durchs Blut rinnt – minutenlang.
Versunken Alles. Nur noch ich.
Selig.
Arno Holz
(Internet-Tipp: https://easy.to/haikulinde)
|
ianna
antwortete am 19.04.02 (22:51):
Gebet an die Nacht
Nacht, du, die groß und gütig, spinne mich summend in Schlaf. Breite vor meinen Augen meiner Kindheit kühle Träume und vor meinen Ohren die sausende Stille: das Seufzen der fernen Wälder und das schläfrige Lied der Winde.
Nimm meine Gedanken weg, bereite ihnen ein Bett in Blütenkronen und auf betauten Blättern. Nimm meine Sorgen weg wie Kleider, die der Tag benötigt, atme Frieden auf meine Stirn, der als stiller, ertränkender Strom über meinen ermüdeten Körper flute.
Elisabet Laurila
|
de la
antwortete am 19.04.02 (23:53):
Jetzt rede du!
Du warest mir ein täglich Wanderziel, Viellieber Wald, in dumpfen Jugendtagen, Ich hatte dir geträumten Glücks so viel Anzuvertraun, so wahren Schmerz zu klagen.
Und wieder such ich dich, du dunkler Hort, Und deines Wipfelmeers gewaltig Rauschen - Jetzt rede du! Ich lasse dir das Wort! Verstummt ist Klag und Jubel. Ich will lauschen.
(Conrad Ferdinand Meyer)
|
Luzia
antwortete am 20.04.02 (19:12):
Beim Blättern in alten Büchern fand ich folgendes: Börries, Freiherr von Münchhausen:
Lederhosen-Saga
Es war ein alter schwarzbrauner Hirsch, Großvater schoß ihn auf der Pirsch, und weil seine Decke so derb und dick, stiftete er ein Familienstück. Nachdem er lange nachgedacht, ward eine Hose draus gemacht - denn: Geschlechter kommen, Geschlechter vergehen, Hirschlederne Reithosen bleiben bestehen.
Er trug sie dreiundzwanzig Jahr, eine wundervolle Hose es war! Und als mein Vater sie kriegte zu Lehen, da hatte die Hose gelernt zu stehen, steif und mit durchgebeulten Knien stand sie abends vor dem Kamin - Schweiß, Regen Schnee - ja mein Bester eine lederne Hose wird immer fester!
Und als mein Vater an die sechzig kam, einen Umbau der Hose er vor sich nahm, das Leder freilich war unerschöpft, doch die Büffelhornknöpfe waren durchgeknöpft. Wie alte Groschen, wie Scheibchen nur - er erwarb eine neue Garnitur.
Und dann allmählich machte das Reiten ihm nicht mehr den Spaß wie in früheren Zeiten, besonders der Trab in den hohen Kadenzen ist kein Vergnügen für Exzellenzen, so fiel die Hose durch Dotation an mich in der dritten Generation.
Ein Reiterleben in Niedersachsen - die Gaben der Hosen warn wieder gewachsen! Sie saß jetzt zu Pferde wie aus Guß und hatte wunderbaren "Schluß", und abends stand sie mit krummen Knien wieder zum Trocknen am Kamin.
Aus Großvaters Tagen herüber klingt eine ferne Sage, die sagt und singt, die Hose hätte in jungen Tagen eine prachtvolle grüne Farbe getragen. Mein Großvater dagegen - weiß ich genau - nannte die Hose immer grau, seit neunzehnhundert ist sie zu schaun etwa wie guter Tabak: braun!
So entwickelt sie, fern jedem engen Geize, immer neue ästhetische Reize, und wenn mein Ältester einst sie trägt, wer weiß, ob sie nicht ins Blaue schlägt! Denn Geschlechter kommen, Geschlechter gehen, Hirschlederne Reithosen bleiben bestehen, und fern im Nebel der Zukunft schon, seh ich die Hose an meinem Sohn.
Er wohnt in ihr, wie wir drin gewohnt, und es ist nicht nötig,daß er sie schont, ihr Leder ist gänzlich unerschöpft, die Knöpfe nur sind wieder durchgeknöpft, und er stiftet, folgend der Väter Spur, eine neue Steinnußgarnitur.
Wenn aber die Hose sich weiter entwickelt, wenn plötzlich ein neuer Ehrgeiz sie prickelt, wenn sie, wie sie stehen und reiten kann, auch mit Dichten mal finge an.... Junge, ich hab mirs überlegt, ob sie das auf Dauer verträgt!!
|
ianna
antwortete am 22.04.02 (00:48):
Beschreibung eines Geliebten
Ein Fremdling unterm Weidenbaum, nur mir vertraut. Dürstendes Tier, immer zitternd vor Unruh und Stärke. Träume - wandeln durch sein schwarzes Blut - wissen nichts von seinem Hirn; nur sein Gefühl ahnt manchmal eine Treppe bis zum Mond. Ausgesetzt jener Liebe, die die Einsamen haben: das Herz sich zu durchboren und aufzufädeln auf ein Haar, das die Geliebte in der Leidenschaft verlor. Und immer hungernd nach dem bitteren Geschmack von gelben Blumen, verloren vor der Zeit. Verirrte Bilder hinterm Lid... Und manchesmal schreckt er sich süß vor einem Wort, das andere ihm sagen, weil er darinnen spürt, wie alles ihn vertreibt. Dann tastet er nach einem Weidenbaum, nur mehr vertraut der Trauer. Nicht mehr mir.
Herta Kräftner ( 1928-1951 )
|
DorisW
antwortete am 22.04.02 (13:28):
Die Stille der Welt vor Bach
Es muß eine Welt gegeben haben vor der Triosonate in D, eine Welt vor der A-moll-Partita, aber was war das für eine Welt? Ein Europa der großen leeren Räume ohne Widerhall, voll von unwissenden Instrumenten, wo das Musikalische Opfer und das Wohltemperierte Klavier noch über keine Klaviatur gegangen waren. Einsam gelegene Kirchen, in denen nie die Sopranstimme der Matthäus-Passion sich in hilfloser Liebe um die sanfteren Bewegungen der Flöte gerankt hat, weite sanfte Landschaften, wo nichts zu hören ist als die Äxte alter Holzfäller, das muntere Bellen starker Hunde im Winter und Schlittschuhe auf blankem Eis wie ferne Glocken; die Schwalben, die durch die Sommerluft schwirren, die Muschel, die das Kind lauschend ans Ohr drückt, und nirgends Bach, nirgends Bach. Die Schlittschuhstille der Welt vor Bach.
aus: Lars Gustafsson, „Die Stille der Welt vor Bach“, Carl Hanser Verlag 1982
|
Brita
antwortete am 24.04.02 (21:23):
Zu spät
Da ich in Jugendnot und Scham Zu dir mit leiser Bitte kam, Hast du gelacht Und hast aus meiner Liebe Ein Spiel gemacht.
Nun bist du müd und spielst nicht mehr, Mit dunklen Augen blickst du her Aus deiner Not, Und willst die Liebe haben, Die ich dir damals bot.
Ach, die ist lang verglommen Und kann nicht wiederkommen - Einst war sie dein! Nun kennt sie keine Namen mehr Und will alleine sein.
Hermann Hesse (1909)
|
sieghard
antwortete am 24.04.02 (22:08):
Als ich jünger war
Als ich jünger war und offen kannt ich diese Angst noch nicht Frei war ich und voller Hoffen war kein Urteil, kein Gericht nur ein Vogel, bunt, mit Schwingen die kein Mensch zerbrochen hat kannte Schwerter nicht und Zwingen war im warmen Wind ein Blatt Hab auf einem Pferd gesessen das war alt, der Baum war grün Habe Zeit und Pflicht vergessen Prinz war ich und Harlekin
Von Unsterblichkeit und Sinn hab ich meinen Traum verloren daß ich nicht so einsam bin hab ich Träumer mir geboren und ich wärm sie, wenn sie frieren und ich habe Angst um sie Nirgends solln sie mitmarschieren müde werden solln sie nie Alt und lauwarm die Gedanken Ich hab alles, was ich brauch klare Grenzen, schöne Schranken und die Alltagstode auch Bin ein Kerkermeister heute sperrte meine Seele ein daß sie nichts und niemand reute schläft sie in der Mauern Stein.
[Bettina Wegner] .
|
Brita
antwortete am 25.04.02 (07:48):
... ob viele Männer so empfinden? ... ob viele Frauen so empfinden wie Bettina Wegner?
Verführer
Gewartet habe ich vor vielen Türen, In manches Mädchenohr mein Lied gesungen, Viel schöne Frauen sucht ich zu verführen, Bei der und jener ist es mir gelungen. Und immer, wenn ein Mund sich mir ergab, Und immer, wenn die Gier Erfüllung fand, Sank eine selige Phantasie ins Grab, Hielt ich nur Fleisch in der enttäuschten Hand. Der Kuß, um den ich innigst mich bemühte, Die Nacht, um die ich lang voll Glut geworben, Ward endlich mein - und war gebrochene Blüte, Der Duft war hin, das Beste war verdorben. Von manchem Lager stand ich auf voll Leid, Und jede Sättigung ward Überdruß; Ich sehnte glühend fort mich vom Genuß Nach Traum, nach Sehnsucht und nach Einsamkeit. O Fluch, daß kein Besitz mich kann beglücken, Daß jede Wirklichkeit den Traum vernichtet, Den ich von ihr im Werben mir gedichtet Und der so selig klang, so voll Entzücken! Nach neuen Blumen zögernd greift die Hand, Zu neuer Werbung stimm ich mien Gedicht ... Wehr dich, du schöne Frau, straff dein Gewand! Entzücke, quäle - doch erhör mich nicht!
Hermann Hesse (1926)
|
Peter Voßkämper
antwortete am 25.04.02 (21:32):
Zu Britta, Hermann Hesse und Verführer:
danach
wir haben uns heiß geliebt bis ich die kälte spürte die wir zeugten danach
auf dem heimweg voller sterne die julipfützen eine sternschuppe platscht in das wasser und
ich trinke in himmelweiter lust aufatmend westwindfrische
wir haben uns heißgeliebt all die schönheit verbraucht mein gedankengewölbe erdrückt mich jetzt kreisen sterne schon zu lang die gleiche bahn ideen haben sich ausgeschuppt der urknall aus ersten stunden ist verhallt
woher die zuversicht nehmen und material für eigene himmel
- wir haben geliebt uns vorweggenommen
jetzt bräucht ich all deine wärme all die energie unserer nackten umarmungen und -
trinke in himmelweiter lust westwindfrischen wolkenbruch
Mesjaz
|
Dietlinde
antwortete am 26.04.02 (08:08):
Arno Holz hat heute Geburtstag.
26. 4. 1863 Arno Holz (+ 26.10.1929) Deutscher Schriftsteller, Begründer des Naturalismus. Der Sohn eines Apothekers löste sich früh von seinen elterlichen Wurzeln und bereiste in literarischen Studien Holland und Frankreich. Oftmals ohne sicheres Einkommen, finanzierte sich Holz u.a. durch die Erfindung von Spielzeug, bevor er als erster Schriftleiter der "Freien Bühne" und als Mitglied des Naturalistvereins einer geregelteren Beschäftigung nachging. Unter dem Eindruck der Werke Zolas verbreitete Holz die Ideen das Naturalismus auf theoretischer und literarischer Ebene in Deutschland und beeinflusste dadurch wesentlich spätere Autoren insbesondere Gerhart Hauptmann (1862-1946). Die sehr zielstrebige Form des Holz'schen Naturalismus wurde kontrovers diskutiert. Viele Kritiker störten sich an seinem steifen Dogmatismus und seiner persönlichen Selbstüberschätzung. Auf der anderen Seite bekamen seine Bücher durch das Einbeziehen der Alltagssprache und das Beschreiben neuer Handlungsorte wie den der Großstadt eine realistischen Bezug. www.fulgura.de/kmr-ah1.htm Essay über den Schriftsteller, welches auch einen biografischen Abschnitt beinhaltet.
********************************************
Lied eines Vogels Vor meinem Fenster... singt ein...Vogel Still höre ich zu. Mein....Herz vergeht! ........... Erinnerung klingt Abendrot...winkt...Dämmerung schwingt. ....... Er singt, was ich als Kind so rein...errang...so...voll...bezwang, so traut...durchmaß...so...ganz...besaß und ...dann... vergessen!
Arno Holz
Zwischen Gräben und grauen Hecken, den Rockkragen hoch, die Hände in den Taschen, schlendre ich durch den frühen Märzmorgen.
Falbes Gras, blinkende Lachen und schwarzes Brachland so weit ich sehn kann.
Dazwischen, mitten in den weissen Horizont hinein, wie erstarrt, eine Weidenreihe.
Ich bleibe stehn.
Nirgends ein Laut. Noch nirgends Leben. Nur die Luft und die Landschaft.
Und sonnenlos, wie den Himmel, fühl ich mein Herz!
Plötzlich ein Klang.
Ich starre in die Wolken.
Ueber mir, jubelnd, durch immer heller werdendes Licht, die erste Lerche!
*******************************************
Ueber die Welt hin ziehen die Wolken. Grün durch die Wälder fliesst ihr Licht.
Herz, vergiss!
In stiller Sonne webt linderndster Zauber, Unter wehenden Blumen blüht tausend Trost.
Vergiss! Vergiss!
Aus fernem Grund pfeift, horch, ein Vogel. . . . Er singt sein Lied.
Das Lied vom Glück!
Vom Glück.
************************************************* In meinem glühendsten Tulpenbaum tausend Blüten!
Eine süsse Stimme singt:
„Blaue Flügel aus Perlmutter, als Hochzeitsbett ein Lilienblatt, eine ganz kleine Prinzessin!
Keiner kennt mich.
Niemand weiss, wo mein Haus steht.
Sieben Regenbogenbrücken funkeln zu ihm durch meinen Garten.
Wenn in deine Seele die Sonne scheint, besuch mich mal.
Hörst du?“
Starr, aus Schlangen gewunden, steht der Baum.
Ein Windstoss rüttelt, wie tanzende Flammen wehn seine Blüten.
*******************************************
Hinter blühenden Apfelbaumzweigen steigt der Mond auf.
Zarte Ranken, blasse Schatten zackt sein Schimmer in den Kies.
Lautlos fliegt ein Falter.
Ich strecke mich selig ins silberne Gras und liege da das Herz im Himmel!
Arno Holz
Ich wünsche allen Freunden und Gästen des Seniorentreffs einen wunderschönen Frühlingstag!
Herzlichst Dietlinde
(Internet-Tipp: https://easy.to/haikulinde)
|
DorisW
antwortete am 26.04.02 (13:19):
Eine Internet-Empfehlung für alle Lyrikliebhaber: "lyrikmail"
Man kann dort die (arbeits)tägliche oder wöchentlich gesammelte Zusendung von Gedichten per email abonnieren. Ich habe es schon vor Monaten abonniert und außer der täglichen Gedicht-E-mail keine unerwünschte Werbung oder Ähnliches bekommen. Die Zusammenstellung ist abwechslungsreich: mal was ganz Bekanntes, Klassisches (z.B. den "Osterspaziergang" aus dem "Faust" zu aktuellem Anlaß), aber auch mal ein ganz neues Gedicht von ganz jungen Dichtern. Außerdem stehen meist ein paar Informationen über den Lebenslauf des Dichters dabei.
(Internet-Tipp: https://www.lyrikmail.de/)
|
sieghard
antwortete am 26.04.02 (14:31):
Wenn ich ein Vöglein wär' und auch zwei Flügel hätt', flög ' ich zu dir; weil's aber nicht kann sein, bleib ich allhier.
Bin ich gleich weit von dir und red mit dir. Wenn ich erwachen tu, bin ich allein.
Es vergeht keine Stund' in der Nacht, da nicht mein Herz erwacht, und an dich denkt, dass du mir vieltausendmal dein Herz geschenkt. .
|
Dietlinde
antwortete am 26.04.02 (15:04):
Liebe DorisW, vielen Dank für diesen wertvollen Tipp, "lyrikmail" betreffend. Ich habe mich problemlos anmelden können und bin morgen sehr auf die erste "lyrikmail" gespannt.
Auch Sieghard herzlichen Dank für "Wenn ich ein Vöglein wär"...... Es sind so liebevolle Verse!
Herzlichst Dietlinde
(Internet-Tipp: https://www.lyrikmail.de/)
|
Adolf
antwortete am 27.04.02 (02:06):
Holde Gewohnheit des Daseins, der Begegnung mit den Gezeiten - einmal zum letzten Mal. Aug in Aug mit den Freunden - einmal zum letzten Mal. Alle Lebenssonnen schwinden ohne Wiederkehr. Aber, erschreckte Seele, die Liebe bleibt. Fürchte kein Scheiden und Untergehn, denn in der Liebe gibt es kein letztes Mal, Peter Dörfler
Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende wünsch allen adolf
|
Brita
antwortete am 27.04.02 (08:01):
... ja - in der heilen Welt - da wäre es schöner ...
Nein, Liebe kann nicht sterben
Nein, Liebe kann nicht sterben, Wie heiß ihr Weh auch flammt, Eh' ging die Welt in Scherben, Eh' Liebe könnt verderben, Denn ewig ist ihr Amt.
Kann ich den Schwur bestreiten, Den ich dem Himmel gab? Durchs Leben dir zur Seiten In Glück und Not zu schreiten, Dein Schutzgeist bis zum Grab!
Leg an mein Haupt das deine, Was kümmert mich die Welt? Die Welt voll Neid und Scheine - Ich weiß ja nur das eine, Daß ich für dich bestellt.
Isolde Kurz
|
ianna
antwortete am 28.04.02 (00:43):
Gegen Amor
Der kleine Wüterich mag mit den Pfeilen spielen und tänteln, wie er will; er gewinnet mir nichts ab, weil gegen seine Pfeil ein Demant Herz ich hab. Er machet mich nicht wund, ich darf nit Schmerzen fühlen.
Er mag mit tausend List auf meine Freyheit zielen. Ihm ich, dem blinden Kind, ein Zucker-Zeltlein gab: er meint', es wär mein Herz. O leicht-geteuschter Knab! Ich will mein Mütlein noch an deiner Einfalt kühlen.
Schau, wie gefällt dir das! trotz, spräng mir diesen Stein mit deinem goldnen Pfeil. Der Lorbeer soll mich zieren, nicht deine Dornen-Ros' und Myrten-Sträuchelein.
Du meinst es sey nur Scherz, ich wolle mich vexiren. Nein! nein! die süße Ruh soll mir das Liebste seyn, und mein dapfres Herz soll nichts als Ruh und Freyheit spüren.
Catharina Regina von Greiffenberg ( 1633 - 1694 )
|
sieghard
antwortete am 28.04.02 (08:34):
Römische Elegien
Amor bleibet ein Schalk, wer ihm vertraut, der ist betrogen. Heuchelnd kam er zu dir: diesmal nur traue ihm noch! Folgte Begierde dem Blick, folgte Genuss der Begier. Ach den Lippen entquillt Fülle des Herzens so leicht. Mehr als ich ahndete schön, das Glück, es ist mir geworden. Amor löset, der Schalk, mir den verschlossenen Mund.
[Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832] .
|
pilli
antwortete am 28.04.02 (15:25):
hi dorisW, stöbere gerade im netz um deinen internet-tipp mal auszuprobieren. im gästebuch finde ich einen eintrag (62) von "Markus" er bittet lyrikmail bei der variante "zuerst das gedicht und erst am schluss die werbung" zu senden. "Wenn es umgekehrt sein würde, müsste ich mich von lyrikmail leider trennen." Zitat aus dem Gästebuch.
erhälst du die tägliche mail noch und wenn ja, mit oder ohne werbung? zuerst das gedicht und dann die werbung, oder umgekehrt?
vielleicht magst du mir kurz antworten, bin gespannt,
pilli
|
Heidi
antwortete am 28.04.02 (15:33):
PROMETHEUS
Bedecke deinen Himmel, Zeus, Mit Wolkendunst Und übe, dem Knaben gleich, Der Disteln köpft, An Eichen dich und Bergeshöhn; Mußt mir meine Erde Doch lassen stehn Und meine Hütte, die du nicht gebaut, Und meinen Herd, Um dessen Glut Du mich beneidest.
Ich kenne nichts Ärmeres Unter der Sonn als euch, Götter! Ihr nähret kümmerlich Von Opfersteuern Und Gebetshauch Eure Majestät Und darbtet, wären Nicht Kinder und Bettler Hoffnungsvolle Toren.
Da ich ein Kind war, Nicht wußte, wo aus noch ein, Kehrt ich mein verirrtes Auge Zur Sonne, als wenn drüber wär Ein Ohr zu hören meine Klage, Ein Herz wie meins, Sich des Bedrängten zu erbarmen.
Wer half mir Wider der Titanen Übermut? Wer rettete vom Tode mich, Von Sklaverei? Hast du nicht alles selbst vollendet, Heilig glühend Herz? Und glühtest jung und gut, Betrogen, Rettungsdank Dem Schlafenden da droben?
Ich dich ehren? Wofür? Hast du die Schmerzen gelindert Je des Beladenen? Hast du die Tränen gestillet Je des Geängstigten? Hat nicht mich zum Manne geschmiedet Die allmächtige Zeit Und das ewige Schicksal, Meine Herren und deine?
Wähntest du etwa Ich solle das Leben hassen, In Wüsten fliehen, Weil nicht alle Knabenmorgen-Blütenträume reiften?
Hier sitz ich, forme Menschen Nach meinem Bilde, Ein Geschlecht, das mir gleich sei, Zu leiden; zu weinen, Zu genießen und zu freuen sich, Und dein nicht zu achten, Wie ich!
J. W. von Goethe
|
Heidi
antwortete am 28.04.02 (15:36):
Das Lied der Parzen
Es fürchte die Götter Das Menschengeschlecht, Sie halten die Herrschaft In ewigen Händen Und können sie brauchen, Wie's ihnen gefällt.
Der fürchte sie doppelt, Den je sie erheben! Auf Klippen und Wolken Sind Stühle bereitet Um goldene Tische.
Erhebet ein Zwist sich, So stürzen die Gäste Geschmäht und geschändet In nächtliche Tiefen Und harren vergebens, Im Finstern gebunden, Gerechten Gerichtes.
Sie aber, sie bleiben In ewigen Festen An goldenen Tischen. Sie Schreiten vom Berge Zu Bergen hinüber; Aus Schlünden der Tiefe Dampft ihnen der Atem Erstickter Titanen, Gleich Opfergerüchen, Ein leichts Gewölke.
Es wenden die Herrscher Ihr segnendes Auge Von ganzen Geschlechtern Und meiden, im Enkel Die ehmals geliebten Still redenden Züge Des Ahnherrn zu sehn.
So sangen die Parzen; Es horcht der Verbannte In nächtlichen Höhlen, Der Alte, die Lieder, Denkt Kinder und Enkel Und schüttelt das Haupt.
J. W. von Goethe
|
DorisW
antwortete am 28.04.02 (16:27):
@pilli,
ja, ich bekomme sie noch, und das Gedicht kommt ganz am Anfang, danach die Infos über den Dichter und danach erst die Werbung (die man also fröhlich ignorieren kann und die nicht weiter aufdringlich ist). Und - wie gesagt - ich bin aufgrund meines Lyrikmail-Abonnements auch nie durch andere Werbung belästigt worden.
Wenn ich morgen an meinem Arbeitsplatz bin, sende ich dir gerne eine Ausgabe der Lyrikmail zu.
|
Dietlinde
antwortete am 28.04.02 (20:00):
Passend zum heutigen Wetter für alle Gäste des Seniorentreffs und ganz speziell für Rilke-Freunde!
Aus einem April
Wieder duftet der Wald. Es heben die schwebenden Lerchen mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern schwer war; zwar sah man noch durch die Äste den Tag, wie er leer war,- aber nach langen, regnenden Nachmittagen kommen die goldübersonnten neueren Stunden, vor denen flüchtend an fernen Häuserfronten alle die wunden Fenster furchtsam mit Flügeln schlagen.
Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser über der Steine ruhig dunkelnden Glanz. Alle Geräusche ducken sich ganz in die glänzenden Knospen der Reiser.
Rainer Maria Rilke
Ich wünsche Euch eine wunderschöne neue Frühlingswoche! Herzliche Grüße Dietlinde
(Internet-Tipp: https://easy.to/haikulinde)
|
de la
antwortete am 29.04.02 (16:56):
Die 14 Zeilen der Mascha Kaléko mit herzlichen Grüßen an alle.
SONETT IN DUR
(Mascha Kaléko)
Ich frage mich in meinen stillen Stunden, Was war das Leben, eh du kamst Und mir den Schatten von der Seele nahmst. Was suchte ich, bevor ich dich gefunden?
Wie war mein Gestern, such ich zu ergründen, Und sieh, ich weiß es nur noch ungefähr. So ganz umbrandet mich das Jetzt; dies Meer; In das die besten meiner Träume münden.
Vergaß es doch, wie süß die Vögel sangen, Noch eh du warst, der Jahre buntes Kleid. Mir blieb nur dies von Zeiten, die vergangen: Die weißen Winter und die Einsamkeit.
Sie warten meiner, läßt du mich allein. Und niemals wieder wird es Frühling sein.
|
Dietlinde
antwortete am 01.05.02 (09:36):
WIE TRIFFT ES DEIN HERZ
Immer ist von den Veilchen die Rede, Die der blaue Frühling bringt, Und nicht von den Gräsern, die der späte Donauwind in einander verschlingt Im März. Kelche, o, blasse, entblühen dem Rasen - Wie trifft es dein Herz! Und die ersten mageren Bienen Suchen nach ihnen und blasen Ihren Gesang noch ganz still, Anfang April.
Dann wird es lauter, Dann strotzt es im Licht. Grün rauschen die Bäume, Die Wasser an schwellenden Ufern vorbei. Hell tönt das Geschrei Der Sumpfdotterblumen Im Donaudickicht Im Mai.
Georg Britting
Aus "Georg Britting, Sämtliche Werke" Band 4 Seite 143
**********************************************
Ich wünsche allen Freunden und Gästen des Seniorentreffs einen wunderschönen 1. Mai-Tag!
Herzlichst Dietlinde
(Internet-Tipp: https://easy.to/haikulinde)
|
sieghard
antwortete am 01.05.02 (09:43):
Der Mai, der Mai, der lustige Mai, der kommt herangerauschet: Ich ging in den Busch und brach mir einen Mai, der Mai und der war grüne, der Mai und der war grüne.
Wer sich im Mai erfreuen will, der muss wohl früh aufwachen und wer ein fein Herzliebchen hat, der kann wohl herzlich lachen, der kann wohl herzlich lachen. .
|
Adolf
antwortete am 02.05.02 (22:50):
Lieber Webmaste Karl Friedrich, ich möchte Dich bitten keine E-Mail mehr zu zu schicke da ich bis zum 18.5.02 verreist bin. Danke, herzlicht Adolf.
|
admin
antwortete am 02.05.02 (22:53):
Deine Adresse ist gelöscht. Bitte, wieder selbst eintragen nach Deiner Rückkehr
mfg admin
|
Dietlinde
antwortete am 03.05.02 (15:37):
WAS IST DIE WELT?
Was ist die Welt? Ein ewiges Gedicht, Daraus der Geist der Gottheit strahlt und glüht, Daraus der Wein der Weisheit schäumt und sprüht, Daraus der Laut der Liebe zu uns spricht
Und jedes Menschen wechselndes Gemüt, Ein Strahl ists, der aus dieser Sonne bricht, Ein Vers, der sich an tausend andre flicht, Der unbemerkt verhallt, verlischt, verblüht.
Und doch auch eine Welt für sich allein, Voll süß-geheimer, nievernommner Töne, Begabt mit eigner, unentweihter Schöne,
Und keines Andern Nachhall, Widerschein. Und wenn du gar zu lesen drin verstündest, Ein Buch, das du im Leben nicht ergründest.
HUGO VON HOFMANNSTHAL
Liebe Grüße Dietlinde
(Internet-Tipp: https://easy.to/haikulinde)
|
Adolf
antwortete am 03.05.02 (22:06):
„Freunde in der Not“ will nicht viel heißen; hilfreich möchte Mancher sich erweisen. Aber die neidlos dein Glück dir gönnen, die darfst du wahrlich „Freunde“ nennen. Paul Heyse Ich verabschiede mich für die nächsten 14 Tage, ich fahre in den Urlaub nach Ischia. Bis dahin allen alles Gute, Adolf
|
Karl
antwortete am 03.05.02 (22:10):
Wir gönnen Dir Dein Glück ;-)))
|
Dietlinde
antwortete am 04.05.02 (09:52):
MEIN GARTEN
Schön ist mein Garten mit den goldnen Bäumen, Den Blättern, die mit Silbersäuseln zittern, Dem Diamantentau, den Wappengittern, Dem Klang des Gong, bei dem die Löwen träumen, Die ehernen, und den Topasmäandern Und der Volière, wo die Reiher blinken, Die niemals aus dem Silberbrunnen trinken . . . So schön,: ich sehn mich kaum nach jenem andern, Dem andern Garten, wo ich früher war. Ich weiß nicht wo . . . Ich rieche nur den Tau, Den Tau, der früh an meinen Haaren hing, Den Duft der Erde weiß und feucht und lau, Wenn ich die weichen Beeren suchen ging . . . In jenem Garten, wo ich früher war . . .
HUGO VON HOFMANNSTHAL
Ich wünsche allen Freunden und Gästen des Seniorentreffs ein angenehmes Frühlingswochenende! Maiglöckchen und Fliederduftgrüße! Herzlichst Dietlinde
(Internet-Tipp: https://easy.to/haikulinde)
|
Brita
antwortete am 04.05.02 (12:02):
Rosen
Wenn erst die Rosen verrinnen aus Vasen oder vom Strauch und ihr Entblättern beginnen, fallen die Tränen auch.
Traum von der Stunde Dauer, Wechsel und Wiederbeginn, Traum - vor der Tiefe der Trauer: blättern die Rosen hin.
Wahn von der Stunden Steigen aller ins Auferstehn, Wahn - vor dem Fallen, dem Schweigen: wenn die Rosen vergehn.
Gottfried Benn
|
Heidi
antwortete am 05.05.02 (05:35):
Immer den gleichen Pfad
Ich geh jetzt immer den gleichen Pfad: am Garten entlang, wo die Rosen grad Einem sich vorbereiten; aber ich fühle: noch lang, noch lang ist das alles nicht mein Empfang, und ich muss ohne Dank und Klang ihnen vorüberschreiten.
Ich bin nur der, der den Zug beginnt, dem die Gaben nicht galten; bis die kommen, die seliger sind, lichte, stille Gestalten, - werden sich alle Rosen im Wind wie rote Fahnen entfalten.
Rainer Maria Rilke, 30.4.1898 , Florenz - Torre al Gallo
|
Brita
antwortete am 05.05.02 (11:11):
Von den heimlichen Rosen
Oh, wer um alle Rosen wüßte, die rings in stillen Gärten stehn - oh, wer um alle wüßte, müßte wie im Rausch durchs Leben gehn.
Du brichst hinein mit rauhen Sinnen, als wie ein Wind in einen Wald - und wie ein Duft wehst du von hinnen, dir selbst verwandelte Gestalt.
Oh, wer um alle Rosen wüßte, die rings in stillen Gärten stehn - oh, wer um alle wüßte, müßte wie im Rausch durchs Leben gehn.
Christian Morgenstern
|
hl
antwortete am 05.05.02 (17:27):
Blumen
Einst liebte ich die roten Rosen, duftend und schön geformt. Doch mit den Jahren verloren sie ihren Duft.
Ich liebte den Mohn, die leuchtende Traumblume, zart und verführerisch. Obwohl die Traumbilder schon bald verblassten.
Ich liebte auch Fresien die mir mit ihrem starken Duft und ihren bunten Farben meine Räume lebendig machten. Sie welkten zu schnell.
Heute liebe ich den Löwenzahn, der die Farbe der Sonne trägt und widerstandsfähig im grauesten Asphalt blüht.
Ich liebe die Gänseblümchen, die vom ersten Frühlingssonnenstrahl bis zur letzten Herbstsonne neue Blüten treiben. Immer wieder Neuanfang.
Und wenn ich in der dunkelsten Ecke eines Gartens die kleinen blauen Blüten eines Veilchens sehe möchte ich es ausgraben und zu mir nach Hause tragen.
Ja, am meisten liebe ich diese kleinen blauen Veilchen. Ihr schmerzhaft süßer Duft weckt die Sehnsucht in mir.
Nach was?
hl
|
sieghard
antwortete am 05.05.02 (21:06):
Eduard Mörike (1804-1875)
Der Feuerreiter
Sehet ihr am Fensterlein Dort die rote Mütze wieder? Nicht geheuer muß es sein, Denn er geht schon auf und nieder. Und auf einmal welche Gewühle Bei der Brücke, nach dem Feld! Horch! das Feuerglöcklein gellt: Hinterm Berg, Hinterm Berg Brennt es in der Mühle!
Schaut! da sprengt er wütend schier durch das Tor, der Feuerreiter, auf dem rippendürren Tier, Als auf einer Feuerleiter! Querfeldein! Durch Qualm und Schwüle Rennt er schon und ist am Ort! Drüben schallt es fort und fort: Hinterm Berg, Hinterm Berg Brennt es in der Mühle!
Der so oft den roten Hahn Meilenweit von fern gerochen, mit des heil'gen Kreuzes Span Freventlich die Glut besprochen - Weh! dir grinst vom Dachgestühle dort der Feind im Höllenschein. Gnade Gott der Seele dein! Hinterm Berg, Hinterm Berg Rast er in der Mühle!
Keine Stunde hielt es an, Bis die Mühle borst in Trümmer; Doch den kecken Reitersmann Sah man von der Stunde nimmer. Volk und Wagen im Gewühle Kehren heim von all dem Graus; Auch das Glöcklein klinget aus: Hinterm Berg Hinterm Berg Brennt's! -
Nach der Zeit ein Müller fand Ein Gerippe samt der Mützen Aufrecht an der Kellerwand Auf der beinern Mähre sitzen: Feuerreiter, wie so kühle Reitest du in deinem Grab! Husch! da fällt's in Asche ab. Ruhe wohl, Ruhe wohl Drunten in der Mühle! .
|
Dietlinde
antwortete am 06.05.02 (16:17):
Heute hat Christian Morgenstern Geburtstag.
6. 5. 1871 Christian Morgenstern (+ 31.3.1914) Deutscher Schriftsteller. Morgenstern war mit seinen Wortspielen ein Begründer der visuellen und konkreten Poesie. Mit den Sammlungen "Galgenlieder" (1905), "Palmström" (1910) Und "Der Gingganz" (1919) hatte er seine grössten Erfolge. www.dhm.de/lemo/html/biografien/MorgensternChristian/ Morgenstern-Biografie beim Deutschen Historischen Museum. gutenberg.aol.de/autoren/morgenst.htm Homepage des Gutenberg Projektes zu Morgenstern mit vielen seiner Werke.
******************************************************************************************
Ich liebe dich, du Seele, die da irrt im Tal des Lebens nach dem rechten Glücke, ich liebe dich, die manch ein Wahn verwirrt, der manch ein Traum zerbrach in Staub und Stücke.
Ich liebe deine armen wunden Schwingen, die ungestoßen in mir möchten wohnen; ich möchte dich mit Güte ganz durchdringen, ich möchte dich in allen Tiefen schonen.
Christian Morgenstern
HIER IM WALD mit dir zu liegen, moosgebettet, windumatmet, in das Flüstern, in das Rauschen leise liebe Worte mischend, öfter aber noch dem Schweigen lange Küsse zugesellend, unerschöpflich - unersättlich, hingegebne, hingenommne, ineinander aufgelöste, zeitvergeßne, weltvergeßne. Hier im Wald mit dir zu liegen, moosgebettet, windumatmet...
Morgenstern
Stilles Reifen
Alles fügt sich und erfüllt sich, mußt es nur erwarten können und dem Werden deines Glückes Jahr und Felder reichlich gönnen.
Bis du eines Tages jenen reifen Duft der Körner spürest und dich aufmachst und die Ernte in die tiefen Speicher führest. Chr. M.
Und noch etwas Lustiges:
Die zwei Wurzeln
Zwei Tannenwurzeln groß und alt unterhalten sich im Wald.
Was droben in den Wipfeln rauscht, das wird hier unten ausgetauscht.
Ein altes Eichhorn sitzt dabei und strickt wohl Strümpfe für die zwei.
Die eine sagt knig, die andere sagt knag. Das ist genug für einen Tag.
(Christian Morgenstern)
Liebe Grüße Dietlinde
(Internet-Tipp: https://easy.to/haikulinde)
|
sieghard
antwortete am 06.05.02 (22:53):
Der Mai
Im Galarock des heiteren Verschwenders, ein Blumenzepter in der schmalen Hand, fährt nun der Mai, der Mozart des Kalenders, aus seiner Kutsche grüßend, über Land.
Er überblüht sich, er braucht nur zu winken. Er winkt! Und rollt durch einen Farbenhain. Blaumeisen flattern ihm voraus und Finken. Und Pfauenaugen flügeln hinterdrein.
Die Apfelbäume hinterm Zaun erröten. Die Birken machen einen grünen Knicks. Die Drosseln spielen, auf ganz kleinen Flöten, das Scherzo aus der Symphonie des Glücks.
Die Kutsche rollt durch atmende Pastelle. Wir ziehn den Hut. Die Kutsche rollt vorbei. Die Zeit versinkt in einer Fliederwelle. O, gäb es doch ein Jahr aus lauter Mai!
Melancholie und Freude sind wohl Schwestern. Und aus den Zweigen fällt verblühter Schnee. Mit jedem Pulsschlag wird aus Heute Gestern. Auch Glück kann weh tun. Auch der Mai tut weh.
Er nickt uns zu und ruft: "Ich komm ja wieder!" Aus Himmelblau wird langsam Abendgold. Er grüßt die Hügel, und er winkt dem Flieder. Er lächelt. Lächelt. Und die Kutsche rollt.
[Erich Kästner 1904 -1974] .
|
Richard
antwortete am 08.05.02 (16:25):
Bleibt auch im Mai gesund! Richard
Die Eisheiligen oder Abrechnung mit dem Mai
Ich kaue wütend an der Feder. Die »Morgenpost« will ein Gedicht den Mai betreffend, den schon jeder besungen hat. Weiß man denn nicht, dass dieses Thema totgeritten? Dazu gehört wahrhaftig Mut, um so etwas heut noch zu bitten, was in der Mottenkiste ruht. Da ist doch das Gedicht von Geibel als längst geflügeltes Zitat. Nun will man noch eins, hol der Deibel den, der mich aufgefordert hat.
Na schön, der Mai ist nun gekommen, und die Botanik schlägt auch aus, doch keinem wird es krumm genommen, bleibt mit dem Hintern er zu Haus; und keineswegs nur stets mit Sorgen, wie Geibel einfach unterstellt. Der Eine fühlt sich da geborgen, die Wolken hoch am Himmelszelt missfallen ihm, er lässt sie wandern, und nur aus diesem Grunde geht er nicht ins Grüne mit den Andern.
Er weiß genau, so ein Poet schreibt seine lyrischen Ergüsse gedankenlos, und deshalb zieht der Mann daraus auch seine Schlüsse. Ihm ist bekannt, ein Dichter kniet sich in sein Werk, ist nicht zu halten, und die erhitzte Feder kann ganz ungehemmt sich dann entfalten, und ohne Bremse schreibt er dann:
Von Siberwölkchen, Nachtigallen, von linden Lüften, die erwacht. Das Posthorn lässt er auch erschallen in dunkelblauer Sternennacht. Der Mond darf niemals dabei fehlen und's Klopfen in der Menschenbrust. Das alles pflegt er aufzuzählen, das schreibt er hin mit wahrer Lust. Beschmiert unzählig viele Bögen. An denen aber ist dem Mann, von dem ich spreche, nichts gelegen, er sieht den Mai nur kritisch an:
Man stellt den Mai ja für gewöhnlich als Putto dar, doch man vergisst, das Bild ist leider gar nicht ähnlich. Auch dieser kleine Engel ist nach seinem Umgang einzuschätzen, und ein Quintett der schlimmsten Art, man sieht es leider mit Entsetzen, logiert bei ihm schon Jahr um Jahr. Es kommt auch regelmäßig wieder, was keiner an dem Mai verstand. Sie geben äußerlich sich bieder, doch ihr Betragen ist mechant.
Vier Männer kommen da alljährlich. Man sagt sie sollen heilig sein. Dies zu beweisen geht wohl schwerlich. Und eine fünfte obendrein, die wollen wir bei Seite lassen vorerst noch einen Augenblick und mit den Kerlen uns befassen. Wir kommen noch auf sie zurück.
Die Herren mit den frommen Namen, die sich beim Mai da einquartiert und immer regelmäßig kamen, wer hat die bloß kanonisiert? Dreist haben sie sich eingeschlichen in den Kalender, heißen: Sankt. Doch trifft der Mensch die Fürchterlichen --- was ist die Folge? Er erkrankt.
Dann muss er schwitzen, inhalieren. Im wunderschönen Monat Mai, wenn alle Amseln jubilieren, liegt er mit neununddreißig drei. Beim Apotheker wird die Klinke nicht kalt, der Laden prosperiert, und auch der Arzt verdient viel Pinke. Die Beiden hat der Mai saniert.
Der erste heißt Mamertus. Dieser, den man trotz allem heilig nennt, ist ein ganz ekelhafter mieser Geselle, völlig indolent. Er schleicht sich so heran im Stillen! Schon hat er uns ein Bein gestellt! Er steht im Bunde mit Bazillen, die Grippe ist sein Arbeitsfeld.
Pankraz lässt die Mandeln schwellen, zu Pflaumen wachsen sie sich aus. Oft rät der Arzt zum generellen Entfernen, und er reißt sie raus. Das war der zweite der Banditen. Servatius heißt die Nummer drei, der lässt den Schnupfen heftig wüten. Das alles toleriert der Mai.
Und Bonifatius, der vierte, verursacht schlimmste Ärgernis, denn dieser Schuft nun oktroyierte uns die »angina pectoris«. Den Umgang müssen wir bezahlen, den du gewählt hast lieber Mai. Du lässt die Sonne fälschlich strahlen. Bums, ist es schon damit vorbei.
Schon liegt man wieder auf der Nase, was deine Niedertracht beweist. denn nun kommt die entfernte Base der vier Genannten nachgereist. Sophie, die man auch als die kalte bezeichnet, dieses falsche Aas, die buckeliche böse Alte, bringt Rheuma und den Ischias.
Es mögen Andre dich besingen. Ich hab von dir die Nase voll. Nichts kann mich künftig dazu bringen, dass ich den Mai bedichten soll.
Robert T. Odeman
|
Richard
antwortete am 08.05.02 (16:25):
Bleibt auch im Mai gesund! Richard
Die Eisheiligen oder Abrechnung mit dem Mai
Ich kaue wütend an der Feder. Die »Morgenpost« will ein Gedicht den Mai betreffend, den schon jeder besungen hat. Weiß man denn nicht, dass dieses Thema totgeritten? Dazu gehört wahrhaftig Mut, um so etwas heut noch zu bitten, was in der Mottenkiste ruht. Da ist doch das Gedicht von Geibel als längst geflügeltes Zitat. Nun will man noch eins, hol der Deibel den, der mich aufgefordert hat.
Na schön, der Mai ist nun gekommen, und die Botanik schlägt auch aus, doch keinem wird es krumm genommen, bleibt mit dem Hintern er zu Haus; und keineswegs nur stets mit Sorgen, wie Geibel einfach unterstellt. Der Eine fühlt sich da geborgen, die Wolken hoch am Himmelszelt missfallen ihm, er lässt sie wandern, und nur aus diesem Grunde geht er nicht ins Grüne mit den Andern.
Er weiß genau, so ein Poet schreibt seine lyrischen Ergüsse gedankenlos, und deshalb zieht der Mann daraus auch seine Schlüsse. Ihm ist bekannt, ein Dichter kniet sich in sein Werk, ist nicht zu halten, und die erhitzte Feder kann ganz ungehemmt sich dann entfalten, und ohne Bremse schreibt er dann:
Von Siberwölkchen, Nachtigallen, von linden Lüften, die erwacht. Das Posthorn lässt er auch erschallen in dunkelblauer Sternennacht. Der Mond darf niemals dabei fehlen und's Klopfen in der Menschenbrust. Das alles pflegt er aufzuzählen, das schreibt er hin mit wahrer Lust. Beschmiert unzählig viele Bögen. An denen aber ist dem Mann, von dem ich spreche, nichts gelegen, er sieht den Mai nur kritisch an:
Man stellt den Mai ja für gewöhnlich als Putto dar, doch man vergisst, das Bild ist leider gar nicht ähnlich. Auch dieser kleine Engel ist nach seinem Umgang einzuschätzen, und ein Quintett der schlimmsten Art, man sieht es leider mit Entsetzen, logiert bei ihm schon Jahr um Jahr. Es kommt auch regelmäßig wieder, was keiner an dem Mai verstand. Sie geben äußerlich sich bieder, doch ihr Betragen ist mechant.
Vier Männer kommen da alljährlich. Man sagt sie sollen heilig sein. Dies zu beweisen geht wohl schwerlich. Und eine fünfte obendrein, die wollen wir bei Seite lassen vorerst noch einen Augenblick und mit den Kerlen uns befassen. Wir kommen noch auf sie zurück.
Die Herren mit den frommen Namen, die sich beim Mai da einquartiert und immer regelmäßig kamen, wer hat die bloß kanonisiert? Dreist haben sie sich eingeschlichen in den Kalender, heißen: Sankt. Doch trifft der Mensch die Fürchterlichen --- was ist die Folge? Er erkrankt.
Dann muss er schwitzen, inhalieren. Im wunderschönen Monat Mai, wenn alle Amseln jubilieren, liegt er mit neununddreißig drei. Beim Apotheker wird die Klinke nicht kalt, der Laden prosperiert, und auch der Arzt verdient viel Pinke. Die Beiden hat der Mai saniert.
Der erste heißt Mamertus. Dieser, den man trotz allem heilig nennt, ist ein ganz ekelhafter mieser Geselle, völlig indolent. Er schleicht sich so heran im Stillen! Schon hat er uns ein Bein gestellt! Er steht im Bunde mit Bazillen, die Grippe ist sein Arbeitsfeld.
Pankraz lässt die Mandeln schwellen, zu Pflaumen wachsen sie sich aus. Oft rät der Arzt zum generellen Entfernen, und er reißt sie raus. Das war der zweite der Banditen. Servatius heißt die Nummer drei, der lässt den Schnupfen heftig wüten. Das alles toleriert der Mai.
Und Bonifatius, der vierte, verursacht schlimmste Ärgernis, denn dieser Schuft nun oktroyierte uns die »angina pectoris«. Den Umgang müssen wir bezahlen, den du gewählt hast lieber Mai. Du lässt die Sonne fälschlich strahlen. Bums, ist es schon damit vorbei.
Schon liegt man wieder auf der Nase, was deine Niedertracht beweist. denn nun kommt die entfernte Base der vier Genannten nachgereist. Sophie, die man auch als die kalte bezeichnet, dieses falsche Aas, die buckeliche böse Alte, bringt Rheuma und den Ischias.
Es mögen Andre dich besingen. Ich hab von dir die Nase voll. Nichts kann mich künftig dazu bringen, dass ich den Mai bedichten soll.
Robert T. Odeman
|
Heidi
antwortete am 08.05.02 (18:05):
Aber es bleibt auf dem alten Fleck
"Wie konnt' ich das tun, wie konnt' ich das sagen",- So hört man sich auf, sich anzuklagen, Bei jeder Dummheit, bei jedem Verlieren Heißt es: "Das soll dir nicht wieder passieren". Irrtum! Heut traf es bloß Kunzen und Hinzen, Morgen trifft es schon ganze Provinzen, Am dritten Tag ganze Konfessionen, Oder die "Rassen, die zwischen uns wohnen", Immer kriegt man einen Schreck, Aber es bleibt auf dem alten Fleck.
THEODOR FONTANE
|
Heidi
antwortete am 08.05.02 (18:20):
für die "vergessenen" Toten
Moderne Legende
Als der Abend übers Schlachtfeld wehte Waren die Feinde geschlagen. Klingend die Telegrafendrähte Haben die Kunde hinausgetragen.
Da schwoll am einen Ende der Welt Ein Heulen, das am Himmelsgewölbe zerschellt' Ein Schrei, der aus rasenden Mündern quoll Und wahnsinnstrunken zum Himmel schwoll. Tausend Lippen wurden vom Fluchen blaß Tausend Hände ballten sich wild im Haß.
Und am andern Ende der Welt Ein Jauchzen am Himmelsgewölbe zerschellt' Ein Jubeln, ein Toben, ein Rasen der Lust Ein freies Aufatmen und Recken der Brust. Tausend Lippen wühlten im alten Gebet Tausend Hände falteten fromm sich und stet. In der Nacht noch spät Sangen die Telegrafendräht' Von den Toten, die auf dem Schlachtfeld geblieben - - Siehe, da ward es still bei Freunden und Feinden.
Nur die Mütter weinten Hüben - und drüben.
BERT BRECHT
|
ianna
antwortete am 11.05.02 (01:53):
Entbietung
Über den wogengemusterten Grund des Meeres, über den weiten, sonnenverbrannten Grat der Welt heiße ich die Winde dich suchen. Ich heiße sie dir zurufen spät und früh einen Namen, den du einst liebtest; ich heiße sie dir bringen Träume und wundersame Einbildungen und Schlaf.
Ella Young
|
Dietlinde
antwortete am 11.05.02 (12:14):
"Rose Ausländer" hat heute Geburtstag.
11. 5. 1907 Rose Ausländer (+ 3.1.1988) Geborene Rosalie Scherzer, ukrainisch-deutsche Lyrikerin. Die in Czernowitz geborene Tochter jüdischer Eltern wanderte 1921 nach New York aus, wo sie ihre ersten Gedichte publizierte. Hier entstand der kühle, sachliche Lyrikzyklus "New York" (1926/27). 1931 kehrte sie nach Czernowitz zurück und veröffentlichte 1939 den Gedichtband "Der Regenbogen", der von den Nationalsozialisten vernichtet wurde. 1941 wurde Rose Ausländer mit ihrer Familie ins Ghetto verschleppt, wo sie den Dichter Paul Celan kennenlernte. Das Schreiben wurde im Ghetto ihre Therapie. Die Erfahrung des Faschismus, die Beziehung zu ihrer Mutter und die häufigen Ortswechsel prägten Rose Ausländers lyrisches Werk. Melodiöse Schwermut und rhythmische Präzision wurden ihr ästhetisches Merkmal. www.rose-auslaender-stiftung.de/ Homepage der Kölner Rose Ausländer-Stiftung. members.aol.com/irenastasch1/ausl.htm Online-Fassungen von ausgewählten Gedichten der Lyrikerin. ***********************************************************************
Aber ich weiß
War ich ein Falter vor meiner Geburt ein Baum oder ein Stern.
Ich habe es vergessen.
Aber ich weiß dass ich war und sein werde
Augenblicke aus Ewigkeit.
***************************
Hoffnung II
Wer hofft ist jung
Wer könnte atmen ohne Hoffnung daß auch in Zukunft Rosen sich öffnen
ein Liebeswort die Angst überlebt
*******************************
In dir
Über dir Sonne Mond und Sterne
Hinter ihnen unendliche Welten
Hinter dem Himmel unendliche Himmel
Über dir was deine Augen sehen
In dir alles Sichtbare und das unendlich Unsichtbare *********************************
Das Schönste (1984)
Ich flüchte in dein Zauberzelt Liebe
im atmenden Wald wo Grasspitzen sich verneigen
weil es nichts Schöneres gibt
***********************************
Ich wünsche allen Freunden und Gästen des Seniorentreffs ein zauberhaftes Frühlingswochenende! Herzlichst Dietlinde
(Internet-Tipp: https://easy.to/haikulinde)
|
sieghard
antwortete am 11.05.02 (12:26):
Stammeln
Stammelst du wieder Verzückung Maimärchen an deiner Wiege gesungen
In deiner Wiege gewiegt die purpurne Hoffnung
Stammelst du deine gebrochenen Flügel den Rosenverzicht
Rose Ausländer
11. Mai 1901 - 3. Jan 1988 .
|
sieghard
antwortete am 11.05.02 (17:18):
Annette von Droste-Hülshoff1797 - 1848
An meine Mutter
So gern hätt' ich ein schönes Lied gemacht, Von deiner Liebe, deiner treuen Weise, Die Gabe, die für andre immer wacht, Hätt' ich so gern geweckt zu deinem Preise.
Doch wie ich auch gesonnen mehr und mehr, Und wie ich auch die Reime mochte stellen, Des Herzens Fluten rollten drüber her, Zerstörten mir des Liedes zarte Wellen.
So nimm die einfach schlichte Gabe hin, vom einfach ungeschmückten Wort getragen, Und meine ganze Seele nimm darin; Wo man am meisten fühlt, weiß man nicht viel zu sagen. .
|
Richard
antwortete am 12.05.02 (13:59):
Zum Nachdenken!!! Und schönen Muttertag!!! Richard
Muttertag
Am Telefon war eine Dame, Frau von Hagen. Sie möchte gerne für die Zeitung: »Frau und Gegenwart« --- es läge ihr so viel daran, mich etwas zu fragen. Sie schätze schon seit langem, sprach sie, meine Art.
Der sordinierte Alt erklärte mir sehr schmalzig, es wär ein schönes Thema, und mein Urteil sei ihr äußerst wertvoll, das betonte sie, und falls ich ihr diesen Dienst erwiese, käm sie mal vorbei.
Ich werde immer wieder scheu bei diesen Dingen. Es kommt ja nichts heraus bei einem Interview, weil sie die ungeheuerlichsten Dinge bringen. Vor allem hören Journalisten niemals zu.
Was man tatsächlich sagt, das lassen sie verschwinden, beziehungsweise ist immer ganz entstellt. Den Kern des Themas wird man nur verstümmelt finden. Gott, Gnade dem, der ihnen in die Finger fällt.
Sie kam und tat, als wäre sie zu Hause, schritt durch die Räume, schwärmte ohne Unterlass. Fand jedes Möbelstück erlesen, ohne Pause geriet sie in Entzücken: »Nein, wie hübsch ist das!«
Sie fragte in der Bibliothek: »Die ganzen Bände, die haben sie gelesen?« Da war es mir Leid. Das Maß war voll, und meine Langmut nun zu Ende, und ich erklärte ihr nurmehr: Ich wär soweit.
Ich fragte trotzdem, ob sie einen Sherry möge. Sie wollte lieber einen Armagnac. Als sie den dritten intus hatte, ward sie rege und fragte mich: »Wie stehen sie zum Muttertag?«
Was ich darüber dachte, wäre für sie wichtig. Vor allem meine Meinung maßgeblich für sie. Ich sagte ihr: Der Tag ist für mich null und nichtig. Verehrte Frau, das ist ein Trick der Industrie.
An diesem Tag erinnern sich sehr viele plötzlich: Verflixt nochmal, da ist ja noch mein Mütterlein. das hätte ich doch glatt vergessen, wie entsetzlich. Du liebe Zeit, zum Glück fiel dies mir grad noch ein.
Schon kauft man Blumen, Pralinés, verrückte Sachen, die oft das Mütterlein gar nicht gebrauchen kann. Man will nur das Versäumte ungeschehen machen, und strengt an diesem Tag sich ganz gewaltig an.
Da heißt es dann, man hat ja soviel um die Ohren. Dreihundertfünfundsechzig Tage lang im Jahr. Doch dieser eine ist für Mutter auserkoren. Ein herrlicher Gedanke, einfach wunderbar.
Da kann man seine Schuldigkeit, die ganzen Pflichten in einem Abwasch, und so mühelos pauschal, im Bausch und Bogen reibungslos entrichten. Der Einfall mit dem Muttertag ist genial.
Danach lässt man dreihundertvierundsechzig Tage die alte Dame ruhn, man tat ja seine Schuldigkeit. Dies ist die Antwort, beste Frau, auf ihre Frage. Wenn Sie das drucken wollen, bitte, jeder Zeit.
Dies Armutszeugnis werde ich nicht Unterstützen. Solch eine Ehrung ist ein trauriger Beweis. Ich fürchte, Ihnen wird mein Standpunkt wenig nützen. Adieu -- und grüßen Sie den werten Leserkreis.
Robert T. Odeman
|
Hans-Jürgen
antwortete am 12.05.02 (18:24):
Ännchen von Tharau
Annchen von Tharau ist, die mir gefällt, Sie ist mein Leben, mein Gut und mein Geld. Annchen von Tharau hat wieder ihr Herz Auf mich gerichtet in Lieb' und in Schmerz. Annchen von Tharau, mein Reichthum, mein Gut, Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut!
Käm' alles Wetter gleich auf uns zu schlahn, Wir sind gesinnet bei einander zu stahn. Krankheit, Verfolgung, Betrübnis und Pein Soll unsrer Liebe Verknotigung seyn. Annchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn, Mein Leben schließ' ich um deines herum.
Recht als ein Palmenbaum über sich steigt, Je mehr ihn Hagel und Regen anficht; So wird die Lieb' in uns mächtig und groß Durch Kreuz, durch Leiden, durch allerlei Noth. Annchen von Tharau, mein Reichthum, mein Gut, Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut!
Würdest du gleich einmal von mir getrennt, Lebtest, da wo man die Sonne kaum kennt; Ich will dir folgen durch Wälder, durch Meer, Durch Eis, durch Eisen, durch feindliches Heer. Was ich gebiete, wird von dir gethan, Was ich verbiete, das läßt du mir stahn.
Was hat die Liebe doch für ein Bestand, Wo nicht Ein Herz ist, Ein Mund, Eine Hand? Wo man sich peiniget, zanket und schlägt, Und gleich den Hunden und Katzen beträgt? Annchen von Tharau, das woll'n wir nicht thun; Du bist mein Täubchen, mein Schäfchen, mein Huhn.
Was ich begehre, ist lieb dir und gut; Ich laß den Rock dir, du läßt mir den Hut! Dies ist uns, Annchen, die süßeste Ruh, Ein Leib und Seele wird aus Ich und Du. Dies macht das Leben zum himmlischen Reich, Durch Zanken wird es der Hölle gleich. Das samländische Original von Johann Simon Dach, 1605-1659, wurde übertragen von Johann Gottfried Herder, 1744-1803.
(Internet-Tipp: https://ingeb.org/Lieder/Annchenv.html )
|
Dietlinde
antwortete am 16.05.02 (12:33):
Friedrich Rückert hat heute Geburtstag!
16. 5. 1788 Friedrich Rückert (+ 31.1.1866) Deutscher Dichter und Orientalist. Der Philologe habilitierte sich 1811 in Heidelberg und war anschließend Privatdozent in Jena. Während einer Tätigkeit als Redakteur entstanden ab 1812 erste Gedichte, 1814 erschienen Rückerts "Geharnischte Sonette" über die Befreiungskriege. Ab 1818 erwachte Rückerts Interesse für orientalische Sprache und Literatur. Er übertrug zahlreiche persische und arabische Gedichte ins Deutsche und machte die orientalische Lyrik in Deutschland populär. 1826 wurde er als Professor für Orientalistik an die Universität Erlangen berufen. Sein sechsbändiges Hauptwerk "Die Weisheit der Brahmanen" (1836-1839) ist eine Zusammenfassung östlicher Lebensweisheiten, und seine 1872 posthum veröffentlichten "Kindertotenlieder" wurden von Gustav Mahler vertont. www.mbeck.de/rueckert/rueckbio.html Leben und Werk Friedrich Rückerts mit Auszügen aus seinen Gedichten. www.gutenberg2000.de/autoren/rueckert.htm Kurzbiografie Friedrich Rückerts mit Online-Fassung der "Kindertotenlieder".
****************************************************************************************
Du bist die Ruh, Der Friede mild, Die Sehnsucht du, Und was sie stillt.
Ich weihe dir Voll Lust und Schmerz Zur Wohnung hier Mein Aug und Herz.
Kehr ein bei mir, Und schließe du Still hinter dir Die Pforten zu.
Treib andern Schmerz Aus dieser Brust. Voll sei dies Herz Von deiner Lust.
Dies Augenzelt Von deinem Glanz Allein erhellt, O füll es ganz.
Friedrich Rückert
Aus den östlichen Rosen
Friedrich Rückert
Ich sende einen Gruß wie Duft der Rosen, Ich send' ihn an ein Rosenangesicht. Ich sende einen Gruß wie Frühlingskosen, Ich send' ihn an ein Aug voll Frühlingslicht.
Aus Schmerzensstürmen, die mein Herz durchtosen, Send' ich den Hauch, dich unsanft rühr' er nicht! Wenn du gedenkest an den Freudelosen, So wird der Himmel meiner Nächte licht.
******************************************** Jasminenstrauch
Friedrich Rückert
Grün ist der Jasminenstrauch Abends eingeschlafen, Als ihn mit des Morgens Hauch Sonnenlichter trafen, Ist er schneeweiß aufgewacht: "Wie geschah mir in der Nacht?" Seht, so geht es Bäumen, Die im Frühling träumen.
Für alle Gäste und Freunde des Seniorentreffs kribbelnde Maikäfergrüße! Herzlichst Dietlinde
(Internet-Tipp: https://easy.to/haikulinde)
|
sieghard
antwortete am 17.05.02 (22:44):
So Auf der rechten Seite so liegen daß die Knie das Kinn fast berühren. Sich den Rücken freihalten für einen nicht zu weichen schmiegsamen Bauch. Beine auch die mit meinen scharf in die Kurve gehn zwanzigfach Zeh'n ganz unten. Ums Herz in der linken Brust eine Hand die den Schlag spürt und bleibt im Nacken ein schlafender Mund Speichelfäden. Morgens aufwachen. Immer noch dasein. So.
Ulla Hahn .
|
Rosmarie Vancura
antwortete am 17.05.02 (23:26):
Vor dem Laden _____________
Sah ihn grad' am letzten Montag hockte vor dem Edelladen rotgedunsen das Gesicht, weisses Haar, verfilzte Strähnen fielen auf die Schultern nieder.
Hatte selbst ein Schild geschrieben: Langzeitarbeitslos, geschieden. Vor ihm stand die leere Dose.
Saß ergeben da und hoffte, dass sein Anblick Mitleid bringt,
Wusste nicht, dass teure Kleider keine Mark mehr übrig lassen.
Gerhard Stübner. Dr.med. * 1943 Arzt in Hannover Aus " Lyrik heute"Edition L ISBN 3-934960-13-8
|
ianna
antwortete am 18.05.02 (00:46):
Zehnzeiler
Ich fühlte tief im Herzen schon seit Jahren Zu Euch der Liebe mächtiges Begehren, ( so schicklich doch und nur mit allen Ehren ) Wie nie ein Herz es durfte so erfahren. Doch jetzt ist solcher Trost mir wiederfahren: Obwohl ich meiner Neigung sicher bin, Zeigt Eure klar mir Euren Sinn, Daß das Gefühl, worauf mein Herze schwört, Mich drängen will zu solchem Zweifel hin: Ob diese Liebe Euch, ob mir gehört.
Marguerite de Navarre 1492 - 1549
|
de la
antwortete am 18.05.02 (09:39):
grüsse euch von oog und wünsche allen lesern des forums sonnige feiertage.
IN DER FREMDE
Kalte Luft liegt in den Gassen Menschen eilen hin und her
Schon von weitem... wieder sah ich ihn wie vorgestern - gestern ...
Hockte da auf verschliß’nem Koffer Rücken an die Wand gelehnt Hockte da mit fremdem Gesicht Balalaika auf dem Knie Hockte da mit stumpfen Augen abgeschlagenem Mund
Mitleid - im Vorübergehen fiel als Groschen in den Kasten griff zum Instrument dann und ...
jetzt erklangen fremde Weisen unendliche Folgen schwerer Einsamkeiten wie bitterer Honig aus fernen Weiten
(Manfred Tasler)
Aus: „Anstösse“ EDITION L, ISBN 3-934960-04-9
|
sieghard
antwortete am 18.05.02 (17:24):
Bildlich gesprochen
Wär ich ein Baum ich wüchse dir in die hohle Hand und wärst du das Meer ich baute dir weiße Burgen aus Sand.
Wärst du eine Blume ich grübe dich mit allen Wurzeln aus wär ich ein Feuer ich legte in sanfte Asche dein Haus.
Wär ich eine Nixe ich saugte dich auf den Grund hinab und wärst du ein Stern ich knallte dich vom Himmel ab.
[Ulla Hahn] .
|
RFosmarie Vancura
antwortete am 19.05.02 (01:22):
Konstantin Wecker
Liebeslieder
Du liebst und die Naturgewalten werfen dir die Zügel hin. Die Zeit wird für dich angehalten und alles blüht in neuem Eigensinn.
Die Welt beschliesst sich wieder neu zu träumen und jeder Monat reimt sich nun auf Mai. Es fallen Federbetten aus den Nadelbäumen und aus dem Einerlei erwachen zwei.
Die Winde wiehern vor Vergnügen weil ihnen du die Peitsche gibst. Trink nur die Welt in vollen Zügen: Sie muss einst enden, doch du liebst.
|
Adolf
antwortete am 20.05.02 (02:46):
Liebe Freunde/innen dieser Runde, wieder zurück aus dem sonnigem Süden, möchte ich allen noch ein frohes Pfingstfest wünschen.
Willst du klug durchs Leben wandern, prüfe andre, doch auch dich! Jeder täuscht gar mal den Andern, doch am liebsten jeder sich.
Friedrich Bodenstedt
Herzliche Grüße an die Rund Adolf
|
Dietlinde
antwortete am 20.05.02 (08:10):
PFINGSTEN von Heinrich Seidel
Es sandte der Frühling, der frohe Geselle, Viel lustige Boten, sein Kommen zu künden: Die schimmernden Glöckchen im weissen Gewand, Narzissen, Tazetten und Hyazinthen, leuchtende Krokos und liebliche Veilchen. Erst rief die Meise an milden Tagen, Dann lullte die Lerche in laueren Lüften, Dann tönte so fröhlich des Finken Fanfare, Und dann in wiegenden Wipfeln des Waldes Da schlug die Amsel im Abendroth. Sie riefen es alle: "Er kommt, er kommt!" Und siehe, er kam, der sonnige Sieger, Zu Häupten die Wolke von schweifenden Schwalben. Er kam, umklungen von Nachtigallchören, Von Faltern umflattert, von Bienen umflogen, Und Rosen trug er in seiner Rechten Und liebliche Lilien in seiner Linken Maiblumen umblühten sein goldenes Haar. Nun pflanzen wir auf die Fahnen des Sieges, Die lustigen Büsche der leuchtenden Birke. Es flattern und wehen die fliegenden Wimpel Von hohen Gerüsten, Thürmen und Thoren. Es kündet ihr Duften in dumpfen Kellern Des frischen Frühlings fröhlichen Gruss. Sie winken und wehen von Karren und Wagen. Ja selbst der magere mürrische Miethsgaul Erhält zur Zierde ein grünes Zweiglein Als frohes Zeichen der fröhlichen Zeit. Nun strömt es hervor aus Strassen und Thoren Wo Wiesen sich weiten, wo winket der Wald, Die blühenden Mädchen, die Menschenblumen Leuchten im Grün mit lichten Gewändern. Doch heller noch glänzen und rosiger glühen Die lächelnden Augen, der liebliche Mund. Ja selbst der vertrocknete trübe Philister Fühlet ein wenig von wirklicher Wonne! Ihm fährt's in die Beine, er hüpft wie ein Böcklein Und trällert ein Liedchen und trabt in die "Boombluth". Doch andere wandern auf anderen Wegen, Wo zwischen Bäumen und Blüthengebüschen Mit röthlichen Mauern der Dom emporragt Und im Sonnenglanz, umschweift von Schwalben., Hoch zum Himmel mit riesigem Finger Hinaufzeigt, mächtig mahnend die Menschen. Feierlich tönen die frommen Choräle Und der Orgel wundergewaltiges Dröhnen Hinaus in die heitre wonnige Welt. Doch rings in der Runde in Blüthengebüschen Da jubeln und jauchzen die Nachtigallen. Sie singen das Lied von Liebe und Leben Und alles mischt sich zu mächtigem Chore, Das Frühlingsjauchzen, die frommen Gesänge. Sie steigen vereinigt zur Höhe, zum Himmel, Zum gütigen Gotte, der alles gegeben. Zu ihm, den herrlichen Herrscher der Welt!
Weiterhin fröhliche Pfingsten!
Herzlichst Dietlinde
(Internet-Tipp: https://easy.to/haikulinde)
|
sieghard
antwortete am 20.05.02 (09:04):
Kehr ein bei mir
Du bist die Ruh, Der Friede mild, Die Sehnsucht du Und was sie stillt.
Ich weihe dir Voll Lust und Schmerz Zur Wohnung hier Mein Aug und Herz.
Kehr ein bei mir, Und schließe du Still hinter dir Die Pforten zu.
Treib andern Schmerz Aus dieser Brust! Voll sei dies Herz Von deiner Lust.
Dies Augenzelt Von deinem Glanz Allein erhellt, O füll es ganz!
[Friedrich Rückert 1788-1866] .
|
de la
antwortete am 20.05.02 (10:15):
Ein von Robert Schumann vertonter Text:
[Friedrich Rückert 1788-1866]
Du meine Seele, du mein Herz, Du meine Wonn', 0 du mein Schmerz, Du meine Welt, in der ich lebe, Mein Himmel du, darein ich schwebe, O du mein Grab, in das hinab Ich ewig meinen Kummer gab. Du bist die Ruh', du bist der Frieden, Du bist der Himmel mir beschieden. Daß du mich liebst, macht mich mir wert, Dein Blick hat mich vor mir verklärt, Du hebst mich liebend über mich, Mein guter Geist, mein bessres Ich!
|
Rosmarie Vancura
antwortete am 20.05.02 (23:41):
Ich und Du __________
Wir träumten voneinander Und sind davon erwacht, Wir leben, um uns zu lieben, Und sinken zurück in die Nacht.
Du tratst aus meinem Traume, Aus deinem trat ich hervor, Wir sterben, wenn sich eines Im anderen ganz verlor.
Auf einer Lilie zittern Zwei tropfen, rein und rund Zerfließen in eins und rollen Hinab in des Kelches Grund.
Friedrich Hebbel 1813 - 1863
|
sieghard
antwortete am 21.05.02 (22:01):
Die Uhr
Ich trage, wo ich gehe, stets eine Uhr bei mir. Wieviel es geschlagen habe genau seh ich an ihr. Es ist ein großer Meister, der künstlich ihr Werk gefügt; wenngleich ihr Gang nicht immer dem törichten Wunsche genügt.
Ich wollte sie wäre rascher gegangen an manchem Tag; ich wollte sie hätte manchmal verzögert den raschen Schlag. In meinen Leiden und Freuden, im Sturm und in der Ruh: Was immer geschah im Leben, sie pochte den Takt dazu.
Sie schlug am Sarge des Vaters sie schlug an des Freundes Bahr, sie schlug am Morgen der Liebe, sie schlug am Traualtar. Sie schlug an der Wiege des Kindes, sie schlägt wills Gott noch oft Wenn bessere Tage kommen wie meine Seel es hofft.
Und ward sie auch manchmal träger und drohte zu stoppen ihr Lauf so zog der Meister immer großmütig sie wieder auf. Doch stände sie einmal stille, so wärs um sie geschehn. Kein anderer als der sie fügte bringt die Zerstörte zum Gehn.
Dann müsste zum Meister ich wandern, der wohnt am Ende wohl weit, wohl draußen jenseits der Erde, wohl dort in der Ewigkeit. Dann geb ich sie ihm zurücke mit dankbar kindlichem Flehn: Sieh Herr, ich hab nichts verdorben, sie blieb von selber stehn!
[Carl Loewe 1796-1869]
.
|
:-)
antwortete am 22.05.02 (09:17):
Ich entzünde die Kerze an beiden Enden Die ganze Nacht brennt sie wohl nicht Aber, ach, meine Freunde, ach, meine Feinde Sie gibt so ein herrliches Licht!
Edna St.Vincent Millay
|
Heidi
antwortete am 22.05.02 (09:53):
Wie leicht wird Erde sein nur eine Wolke Abendliebe wenn als Musik erlöst der Stein in Landsflucht zieht und Felsen die als Alp gehockt auf Menschenbrust Schwermutgewichte aus den Adern sprengen.
Wie leicht wird Erde sein nur eine Wolke Abendliebe wenn schwarzgeheizte Rache vom Todesengel magnetisch angezogen an seinem Schneerock kalt und still verendet.
Wie leicht wird Erde sein nur eine Wolke Abendliebe wenn Sternenhaftes schwand mit einem Rosenkuss aus Nichts -
Nelly Sachs
|
Dietlinde
antwortete am 22.05.02 (22:37):
SCHWERTLILIEN
Das sind die Blumen, die wie Kirchen sind. Ein Blick in sie hinein zwingt uns zu schweigen. Wie Weihrauch fromm berauschend strömt ihr Duft, Wenn wir uns zu der schönen Blüte neigen.
Sie sind wie Schmetterlinge dünn und zart. Und wissen ihr Geheimnis doch zu hüten. Es hellen goldne Kerzen sanft den Pfad Ins Allerheiligste der Wunderblüten.
Francisca Stoecklin (1894-1931)
(Internet-Tipp: https://easy.to/haikulinde)
|
Heidi
antwortete am 22.05.02 (22:51):
Siebenhundert Intellektuelle beten einen Öltank an
Ohne Einladung Sind wir gekommen Siebenhundert (und viele sind noch unterwegs) Überall her, Wo kein Wind mehr weht, Von den Mühlen, die langsam mahlen, Und den Öfen, von denen es heißt, Daß kein Hund mehr vorkommt.
Und haben dich gesehen Plötzlich in der Nacht, Öltank.
Gestern warst du noch nicht da, Aber heute bist nur du mehr.
Eilet herbei, alle Die ihr abgesägt den Ast, auf dem ihr sitzet, Werktätige! Gott ist wiedergekommen In Gestalt eines Öltanks.
Du Häßlicher, Du bist der Schönste, Tue uns Gewalt an, Du Sachlicher!
Lösche aus unser Ich! Mach uns kollektiv! Denn nicht wie wir wollen Sondern wie du willst. Und bist du nicht gemacht aus Elfenbein Und Ebenholz, sondern aus Eisen. Herrlich, Herrlich, Herrlich! Du Unscheinbarer!
Du bist kein Unsichtbarer, Nicht Unendlich bist du! Sondern sieben Meter hoch. In dir ist kein Geheimnis Sondern Öl. Und du verfährst mit uns Nicht nach Gutdünken, noch unerforschlich Sondern nach Berechnung.
Was ist für dich Gras? Du sitzest darauf. Wo ehedem Gras war Da sitzest jetzt du, Öltank, Und vor dir ist ein Gefühl Nichts.
Darum erhöre uns Und erlöse uns von dem Übel des Geistes Im Namen der Elektrifizierung Der Ratio und der Statistik!
Berthold Brecht
|
Rosmarie Vancura
antwortete am 22.05.02 (23:20):
Hier einmal ein Gedicht, was sich ganz gezielt an die Männer richtet. Ich finde es sehr gut und Ihr?
Laß dich gehn _____________
Wenn es dir mal dreckig geht und dich keiner mehr versteht dann laß dich gehn wenns Wasser in den Augen steht wein dich aus, so gut es geht und laß dich gehn: sei ein Mann lehn dich an - bei mir!
Wenn der Kummer dich erdrückt und deine Seele spielt verrückt dann laß dich gehn sei nicht tapfer oder stolz sag dir lieber: Mensch, was soll's und lass dich gehn: sei ein Mann lehn dich an - bei mir!
Sei kein Held kein Supermann sei ein guter Egoist sei mal stark, mal schwach mal weder noch sei ganz einfach wie du bist - hör auf zu mimen reiß dich am Riemen und laß dich endlich gehn!
|
Rosmarie Vancura
antwortete am 22.05.02 (23:28):
Sorry: Das obige Gedicht ist von Jörn Pfennig, Jahrgang 1944, Jugend in Tübingen, seit 1964 in München. Studium der Theaterwissenschaft. Texte und Kompositionen,öffentliche S Auftritte und Schallplattenproduktionen.
Autor und Moderator bei verschiedenen Rundfunk- und Fernsehanstalten. Seit 1970 mehrere Buchveröffentlichungen, Lyrik und Prosa. Lebt als freier Schriftsteller und Jazzmusiker in München und Burghausen.
Das Gedicht ist aus dem Gedichtband GRUNDLOS ZÄRTLICH, TB Heyne Verlag München
|
Rosmarie Vancura
antwortete am 22.05.02 (23:36):
Eine Rose blüht, weil sie blüht... ___________________________________
Nicht immer wissen wollen weshalb etwas so ist wie es ist.
Ahnen und nicht wissen dass die Rose blüht weil meine Augen sehen dass sie blüht.
Gibt es Gott? Obwohl ich nicht weiss dass es ihn gibt?
Ich ahne nur dass Gott in mir Mensch sein will.
Menschen werden nicht reich durch sich selbst sondern durch andere.
Einen anderen ohne wenn und aber zutiefst lieben bedeutet ich finde den Weg zur Liebe in mir selbst.
Eine Rose blüht, weil sie blüht...
|
Adolf
antwortete am 23.05.02 (02:53):
Mann mit zugeknöpften Taschen, Dir tut niemand was zu lieb; Hand wird nur von Hand gewaschen; Wenn Du nehmen willst, so gib! Goethe
Einen schönen Tag wünscht allen, Adolf
|
Rosmarie Vancura
antwortete am 24.05.02 (15:25):
Gebrannte Kinde _______________
Es gibt Kinder die ein gebrannter Finger davon abhält je wieder mit dem Feuer zu spielen.
und es gibt Kinder die merken daß eine gebrannte Hand schnell wieder heilt
und
es gibt Kinder die wissen daß man mit einem gebrannten Arm mehr spürt
und
es gibt Kinder, die haben begriffen daß ein gebranntes Herz immer warm bleibt.
Jörn Pfennig
|
de la
antwortete am 24.05.02 (17:56):
EBBE
[Hermann Wischnat]
Mein Traum: ich ein Fels in der Brandung neulich war ich bereits im Watt mit aufgekrempeltem Hosenbein
Mein Traum: ich Avantgardist hinaus in ufer lose Weiten neulich war ich bereits im Watt mit hochgekrempeltem Hosenbein
Mein Traum: ich Nachfolger neulich war ich bereits im Watt mit hochgekrempeltem Hosenbein
aber die Flut immer die Flut
|
Erich Kästner
antwortete am 24.05.02 (22:46):
Ich war einmal ein Kind. Genau wie ihr. Ich war ein Mann. Und jetzt bin ich ein Greis. Die Zeit verging. Ich bin noch immer hier und möchte gern vergessen, was ich weiß. Ich war ein Kind. Ein Mann. Nun bin ich mürbe. Wer lange lebt, hat eines Tag's genug. Ich hätte nichts dagegen, wenn ich stürbe. Ich bin so müde. And're nennen's klug.
Ach, ich sah manches Stück im Welttheater. Ich war einmal ein Kind, wie ihr es seid. Ich war einmal ein Mann. Ein Freund. Ein Vater. Und meistens war es schade um die Zeit... Ich könnte euch verschiedenes erzählen, was nicht in euren Lesebüchern steht. Geschichten, welche im Geschichtsbuch fehlen, sind immer die, um die sich alles dreht. Wir hatten Krieg. Wir sahen, wie er war. Wir litten Not und sah'n, wie sie entstand. Die großen Lügen wurden offenbar. Ich hab' ein paar der Lügner gut gekannt.
Ja, ich sah manches Stück im Welttheater. Ums Eintrittsgeld tut's mir noch heute leid. Ich war ein Kind. Ein Mann. Ein Freund. Ein Vater. Und meistens war es schade um die Zeit...
Wir hofften. Doch die Hoffnung war vermessen. Und die Vernunft blieb wie ein Stern entfernt. Die nach uns kamen, hatten schnell vergessen. Die nach uns kamen, hatten nichts gelernt. Sie hatten Krieg. Sie sahen, wie er war. Sie litten Not und sah'n, wie sie entstand. Die großen Lügen wurden offenbar. Die großen Lügen werden nie erkannt.
Und nun kommt ihr. Ich kann euch nichts vererben: Macht, was ihr wollt. Doch merkt euch dieses Wort: Vernunft muß sich ein jeder selbst erwerben, und nur die Dummheit pflanzt sich gratis fort. Die Welt besteht aus Neid. Und Streit. Und Leid. Und meistens ist es schade um die Zeit.
|
admin
antwortete am 25.05.02 (11:05):
Zeit für ein neues Kapitel für "Gedichte".
Dieses wird gleich archiviert und ist dann unter
/seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a298.html
zu finden.Die Mailingliste wird, wie immer, auf das neue Kapitel übertragen.
(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a298.html)
|
|