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THEMA: Gedichte Kapitel 19
138 Antwort(en).
Heidi
begann die Diskussion am 27.10.01 (10:30) mit folgendem Beitrag:
Aus einem schönen alten Gedichtebuch: Lyrik des Ostens, Gedichte der Völker Asiens, Hanser Verlag
Die Schwestern
Die Jüngere:
Ich bin das Liebesvögelein, ich singe jeden Morgen, Und wenn der Morgen anhebt, dann weiß ich nichts von Sorgen. 's ist Zeit, o liebe Schwester! Wach auf vom Schlummer schnell - Die Nacht ist doch zu Ende, der Morgen leuchtet hell.
Du, öffne doch die Augen, die du noch halb verschließt! Sei froh, wenn du den Lichtglanz, die Luft erfüllend, siehst! Schau nur! Denn Schönheit füllt ja das Auge morgens ganz! Es leuchtet jedes Teilchen in einem heitren Glanz.
Wie zwischen Palmenhainen der Tigris drüben rauscht! Es drängt mich, aufzustehen, wenn man so liegt und lauscht. Den Nachtigallen lächeln die Blumen zu im Land, Der Wind bewegt die Zweige an der Kanäle Rand.
Die Nachtigall erwachte vor uns - wie schön sie singt! Auf! Daß wir es ihr gleich tun und horchen, wie es klingt!
Die Ältere:
Was du da siehst, o Schwester, das ist der Morgen nicht - Es ist, wie Silber fließend, vom Monde nur das Licht. Nein, noch ist fern der Aufgang der hellen Morgenglut. Wie schön die Nacht! Ihr Schlummer tut meinem Auge gut.
Ach, laß mich schlafen, weil ich im Schlafe träumen kann: O still! Der Liebste oder sein Traumbild spricht mich an! Er war von mir gegangen, und nun besucht er mich - Ach, laß an seiner Nähe mein Auge freuen sich.
Wie mir sein Traumbild lächelt! Und wie es näher zieht! Wenn ich die Augen öffne, wie rasch das Bild entflieht!
Des Freundes Antlitz ist mir mehr als das Morgenlicht, Denn wer den rechten Weg kennt, fragt nach dem Irrtum nicht. So lass mich mit den Freuden, die mich im Schlafe laben, Und laß den Morgen denen, die gar nichts andres haben!
Dschamil Sidki Az-Zahawi /Araber, 13./20.JH
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admin
antwortete am 27.10.01 (11:11):
Kapitel 18 ist unter
/seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a179.html nachzulesen
(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a179.html)
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Rosmarie Vancura
antwortete am 27.10.01 (11:49):
Prag ist mir zur zweiten Heimat geworden und ich lese mit Lust und Freude R.M.Rilke wie er meine Lieblingsstadt besingt.
Bei Nacht _________
v.R.M.Rilke
Weit über Prag ist riesengroß der Kelch der Nacht schon aufgegangen; der Sonnenfalter barg sein Prangen in ihrem kühlen Blütenschooß.
Hoch grinst der Mond. der schlaue Gnom, und neckend streut er das Gesträhne der weissen Silberhobelspäne hernieder in den Moldaustrom.
Da plötzlich, wie beleidigt, hat zurückgerufen er die Strahlen, weil er gewahr war des Rivalen: der Turmuhr helles Stundenblatt.
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sieghard
antwortete am 27.10.01 (13:11):
Herbst der Bettler
Das spröde Holz am Brombeerzaun trug auswärts Früchte viel, ganz erdige von Sonne braun und Regen innen kühl.
Die nachts auf brachem Felde ruhn, sie kämmten aus das Laub, eh sie auf drahtgeflickten Schuhn fortzogen unterm Staub.
Oktoberbüsche, kahl und nass, verfaulter Nüsse Riss, im rauhreifübereisten Gras des Nebels kalter Biss.
Wie eine Wabe, ausgeleert, die Sonnenblume starrt. Der Wind, der durch die Dornen fährt, klirrt wie ein Messer hart.
[Peter Huchel] .
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KarinD
antwortete am 27.10.01 (14:23):
Sie saßen und tranken am Teetisch
Sie saßen und tranken am Teetisch, Und sprachen von Liebe viel. Die Herren die waren ästhetisch, Die Damen von zartem Gefühl.
Die Liebe muss sein platonisch, Der dürre Hofrat sprach. Die Hofrätin lächelt ironisch, Und dennoch seufzet sie: Ach !
Der Domherr öffnet den Mund weit: Die Liebe sei nicht zu roh, Sie schadet sonst der Gesundheit, Das Fräulein lispelt: Wieso ?
Die Gräfin spricht wehmütig: Die Liebe ist eine Passion ! Und präsentiert gütig Die Tasse dem Herren Baron.
Am Tische war noch ein Plätzchen; Mein Liebchen, da hast du gefehlt. Du hättest so hübsch, mein Schätzchen, Von deiner Liebe erzählt.
(Heinrich Heine 1797 - 1856)
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KarinD
antwortete am 27.10.01 (14:31):
Abseits
Es ist so still, die Heide liegt im warmen Mittagssonnenstrahle, ein rosenroter Schimmer fliegt um ihre alten Gräbermale; die Kräuter blühn, der Heideduft steigt in die blaue Sommerluft.
Laufkäfer hasten durch´s Gesträuch mit ihren goldnen Panzerröckchen, die Bienen hängen Zwieg um Zwieg sich an der Edelheide Glöckchen; die Vögel schwirren aus dem Kraut - die Luft ist voller Lerchenlaut.
Ein halbverfallen niedrig Haus steht einsam hier und sonnbeschienen; der Kätner lehnt zur Tür hinaus, behaglich blinzelnd nach den Bienen; sein Junge auf dem Stein davor schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.
Kaum zittert durch die Mittagsruh´ ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten; dem Alten fällt die Wimper zu, er träumt von seinen Honigernten. - Kein Klang der aufgeregten Zeit klang noch in diese Einsamkeit.
(Theodor Storm)
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Rosmarie Vancura
antwortete am 27.10.01 (15:31):
Vor lauter Lauschen ____________________
R.M.Rilke
Vor lauter Lauschen und Staunen still, du mein tieftiefes Leben; Daß du weißt, was der Wind dir will, eh noch die Birken beben
Und wenn dir einmal das Schweigen sprach, laß deine Sinne besiegen. Jedem Hauche gib dich, gib nach, er wird dich wiegen und lieben.
Und dann meine Seele, sei weit, sei weit, daß dir das Leben gelinge, breite dich wie ein Federkleid über die sinnenden Dinge.
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Heidi
antwortete am 28.10.01 (03:40):
Der Abseitige
Wie auf den Bergen die wachsenden Bäume: Jeglicher Baum hat ein anderes Herz.
Wie im Wald die singenden Vögel: Jeder Vogel sein eigenes Lied.
Wie im Strom die schwimmenden Fische: Jeder für sich taucht unter und auf.
Hoch wie die steilauf ragenden Berge, Tief wie die grundwärts sinkenden Fluten:
Mühelos sichtbar die Spur seines Tuns. Schwer zu erforschen die innre Gestalt
Kaiser Wu-Di von Liang (Olbricht-Gundert)in Lyrik des Ostens
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Brita
antwortete am 28.10.01 (20:49):
Heidi, findest du noch so etwas ähnlich Schönes in Lyrik des Ostens?
Wer hat etwas parat von der Preisträgerin Frederike Mayerhöfer (ob der Name richtig geschrieben ist?)
Himmelsmärchen
Nun sind wir wieder unter uns Göttern, Sagte der Mond, als der Abend dunkelte, Und winkte zum Reigen den Planeten, Seinen Vettern. Das Goldblut funkelte Durch demantene Schleier, Wie sie langsam sich drehten In festlich melodischem Schritt. Dann reichten sie die Leier der Erde, Scheherezade, Und alle lauschten Ihrer glorreich wilden Ballade. Die Nacht summte träumerisch mit. Die Tränen rauschten.
Ricarda Huch
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Heidi
antwortete am 28.10.01 (21:24):
Ein Dorf am Flusse We
Schräg auf den Dorfplatz scheint die letzte Sonnenhelle, durch enge Gassen kehren die Herden in die Ställe.
Ein alter Bauer wartet vorm Tor aus Dorngeflecht, Schaut, auf den Stock gestützt, aus nach dem jungen Knecht.
Schrei der Fasane schallt aus hohem Weizen her. Die Seidenraupen schlafen, der Maulbeerbaum ist leer.
Wo Bauern sich begegnen, Plaudern sie eine Weile, die Hacke auf der Schulter, und haben keine Eile.
Neid fühl ich vor der Muße althergebrachter Welt, und was ich singe, klagt, daß Einfachheit verfällt.
Wang We (Eich) in Lyrik des Ostens (s.o.)
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KarinD
antwortete am 29.10.01 (07:52):
Liebe Brita!
Kann es sein, daß Du sie meinst?
FRIEDERIKE MAYRÖCKER (1924)
MANCHMAL BEI IRGENDWELCHEN ZUFÄLLIGEN BEWEGUNGEN
streift meine Hand deine Hand deinen Handrücken oder mein Körper der in Kleidern steckt lehnt fast ohne es zu wissen einen Augenblick gegen deinen Körper in Kleidern diese kleinsten beinahe pflanzlichen Bewegungen sein abgewinkelter Blick und dein Auge absichtlich ins Leere wandernd deine im Ansatz noch unterbrochene Frage wohin fährst du im Sommer was liest du gerade gehen mir mitten durchs Herz und durch die Kehle hindurch wie ein süszes Messer und ich trockne aus wie ein Brunnen in einem heissen Sommer
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ODE AN DIE VERGÄNGLICHKEIT
. . aufschauend sehnend mit den Augen der Seele fensterlos unter der Erde auf elfenbeinernen Pferden exil-äugig übervoll viel Wasser meine Geister und Falkenschwärme viel Wasser wird flieszen zu meinem Abbild Atemzüge gegürtet exupery-schmachtend absurd in Wüsten-Mäusen Geheimnissen und Gefährtinnen ertrinkend
Menschen zähmen reisen in harten Spuren blank und fetischistisch
denn wie Wolken Regenfäden Hoffnungen fransen wir Wolle verwirkt mit Himmel Gräber und hohe Wandelhallen Höfe und Stiegen Aufgänge Luft-Türme skelettierte Paläste Balustraden aus Sturm berstende Himmel Sonnen-Roste Einbrüche schwarzer Qualen.
Den Link dazu füge ich unten ein.
Gruß von Karin.
(Internet-Tipp: https://humanities.byu.edu/sophie/brinker/brinker6.htm#mayrocker)
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Brita
antwortete am 29.10.01 (08:07):
Liebe Heidi, :-) Lyrik des Ostens
Liebe Karin, ja - genau die Friederike Mayröcker meine ich. Ich danke dir sehr für deine Recherschen und den Link, wünsche allen einen guten Montagsbeginn, Brita
Spruch
So mußt du allen Dingen Bruder und Schwester sein, Daß sie dich ganz durchdringen, Daß du nicht scheidest Mein und Dein.
Kein Stern, kein Lauf soll fallen - Du mußt mit ihm vergehn! So wirst du auch mit allen Allstündlich auferstehn.
Hermann Hesse
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sieghard
antwortete am 29.10.01 (09:03):
Verlassene Alm
Regenwasser in den Trittspuren der Kühe. Ratlose Fliegen nah am November.
Der rote Nagel wird den Wind nicht überstehen. Der Laden wird in den Angeln kreischen, einmal an den Rahmen schlagen, einmal an die Mauer.
Wer hört ihn?
[Günter Eich 1907 - 1972]
.
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Heidi
antwortete am 29.10.01 (10:05):
Auf meinem Garten liegt noch die feuchte Frische des Regenschauers. Den Himmel kümmert es nicht: dort leuchtet der volle Mond.
Minamoto Yorimasa (Hammitzsch/Lyrik des Ostens..)
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KarinD
antwortete am 29.10.01 (17:17):
So oder so!
Die handeln und die dichten, Das ist der Lebenslauf Der eine macht Geschichten Der andre schreibt sie auf, Und der will beide richten; So schreibt und treibt sichs fort, Der Herr wird alles schlichten, Verloren ist kein Wort. (Joseph von Eichendorff)
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Schorsch
antwortete am 29.10.01 (21:47):
Unbedarfte Fortsetzung:
Drum lasst uns weiter schreiben, der Worte gross und viel; lasst uns doch Dichter bleiben, jeder nach seinem Stil. Und sind der Worte alle, und bleibt uns keines mehr, haun wir uns in die Falle; gut Nacht euch, bitte sehr.
Schorsch
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Rosmarie S
antwortete am 29.10.01 (22:20):
Noch unbedarftere Fortsetzung:
Nun reiß ich auf das Mäulchen und gähn ganz herzhaft laut. Draußen schreit das Eulchen, das nach dem Monde schaut. Doch Schorsch schnarcht schon im Bette so wie´s nun mancher macht. Ich schnarch gleich um die Wette. Allen: Gute Nacht!
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Schorsch
antwortete am 30.10.01 (08:27):
Und als ich heut erwachte ganz frisch und ausgeruht, laut meine Liebste lachte: "So, hast du gut geruht? Ich selber konnt` nicht schlafen, hab` Stunden übermarcht, war am Zählen bei den Schafen; du hast so laut geschnarcht!"
Schorsch
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Heidi
antwortete am 30.10.01 (08:28):
Guten Morgen :-)
Noch eins zu Gedichte und warum sie geschrieben werden :-))
Fluch
Nein, du vergißt mich nicht. Verrat ist möglich. Doch Vergessen nein. Zerstör mein Bild. Lösch mein Gesicht. Da wo du bist, werde ich sein.
Niemals entkommst du meinen Worten. Sie folgen dir nach als Gedicht Noch zu den fernsten fernen Orten. Versuch es: du vergißt mich nicht.
Eva Strittmatter (Hundert Gedichte, Aufbau-Verlag)
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KarinD
antwortete am 30.10.01 (16:25):
Die Rose
Als ich ganz jung war, laut und beschwingt lief ich auf Zeh'n Ich habe mich wie eine Irre geschminkt und fand das schön Einmal schob ich mir ne Rose ins Haar nun hing sie da Ich wußte nicht, daß ich komisch war weil ichs nicht sah
Als er gelacht hatte über mich nahm ich sie fort und ich versteckte sie ganz ordentlich an sichrem Ort
Nähme ich heute einen Rosenstrauch er käm nicht her und steckt ich ihn in die Haare auch er lacht' nicht mehr
Lang schon verwelkt liegt die Rose im Fach ich lauf dorthin und manchmal schaue ich heimlich nach sie liegt noch drin.
1964/1986
(aus: "Bettina Wegner" Von Deutschland nach Deutschland ein Katzensprung, Rowohlt '86)
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Heidi
antwortete am 30.10.01 (22:10):
schein
ich bin die die du nie gekannt unsre zeit ist für mich wie ein fernes land das ich besucht vor langer zeit wie weit ist es heute wie weit
du bist der den ich nie gekannt einst gab ich mein schicksal in deine hand ich nahm es zurück und ging fort von dir mit abgewandten blick ich war nie teil von dir
was sicher schien war auf sand gebaut wir haben zu sehr auf gewohnheit vertraut in den tiefen der seele bleibt doch jeder allein gemeinsamkeit ist oft nur ein schein
ich bin die die du nie gekannt du bist der den ich nie gekannt einst wanderten wir hand in hand wie lang ist das her wie lang
hl
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KarinD
antwortete am 31.10.01 (09:11):
Ach, HEIDI, wie schön!!
Ich habe was "gefunden" im Netz. Mag ich sehr, und spricht bestimmt viele an:
Der Wert des Lächelns
Es kostet nichts, aber bewirkt so vieles. Es bereichert die, die es empfangen, ohne die, die es verschenken, ärmer zu machen. Es zeigt sich einen kurzen Moment, doch es bleibt nicht selten in ewiger Erinnerung. Niemand ist so reich, als dass er ohne es auskäme.
Es bringt Glück ins Haus, fördert guten Willen bei Geschäften, der Arbeit und im Privatleben und ist Beweis für Freundschaft. Es bedeutet Ruhe für sich Sorgende, Licht für die Mutlosen und Sonnenschein für die, die traurig sind. Es ist der Natur bester Gegenpol zur Schwermut.
Allerdings kann man es weder kaufen, erbetteln, ausleihen oder stehlen. Denn es hat für niemanden einen irdischen Wert bis zu dem Moment, da es verschenkt wird.
Sollten wir zu müde sein, ein Lächeln zu schenken - so können wir doch ein Lächeln eines anderen bei uns zulassen! Denn niemand braucht ein lächeln so sehr wie jene, die scheinbar keines mehr zu verschenken haben.
(Autor unbekannt)
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Ulrike
antwortete am 31.10.01 (14:29):
Hier mal etwas passend zum Thema "Dichterisches Tun" vom irischen Nobelpreisträger Seamus Heaney (1975)<br><br>FREIGELASSENER<br><br>Subjugation dort unter den Gewölben, eine Ewigkeit<br>Manuell frei die Pergament-Intelligenz<br>Mein Purpurschneckenstachel war das Violett der Fastenzeit<br>Auf der Agenda stand Entsagung, Abstinenz<br><br>"Memento homo quia pulvis es."<br>Empfing kniefällig noch der Asche Lasten<br>Ein seid´ner Finger rieb mir auf die Stirn die "res"<br>Und solche Hände, die die ganze Kaste fest umfassten<br><br>Unauslöschlich: Ich, ein erdbesternter, eingebor´ner Fremdling<br>Suchte das Demutskreuz vergeblich auf den wohlbestallten Optimaten<br>Abschätzender, Zensus nehmender Blick gerichtet auf den Sonderling<br>Saugte sich fest an krümeliger Stirn, um jeder Hoffnung zu entraten.<br><br>Dann kam die Poesie in jene Stadt --<br>Da schwor ich ab dem Selbstmitleid, dem falschen Ton<br>Welch Ansporn! Poesie strich mir die Stirne glatt<br>Nun klagen sie, mein Biss sei ihrer Mühe Lohn<br><br>(Übersetzung U.H. 24.06.01)
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Heidelinde
antwortete am 31.10.01 (19:58):
Und noch einmal Rainer Maria Rilke.
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn. Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn.
Dieses Gedicht bedeutet mir besonders viel.
Grüße an alle. Heidelinde
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Rosmarie S
antwortete am 31.10.01 (20:47):
Liebe Heidelinde,
auch mir bedeutet dieses Gedicht besonders viel. Dass du es gerade jetzt eingesetzt hast, freut mich besonders. Denn vor ein paar Tagen suchte ich in Gedanken danach, aber es fiel mir partout nicht ein. Nur die zweite Strophe (wenn es überhaupt von diesem Gedicht die zweite ist!) kam mir in den Sinn.
Herzliche Grüße, auch in die Runde! Rosmarie
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm, und ich kreise Jahrtausende lang. Und ich weiß nicht, bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang.
Rainer Maria Rilke
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KarinD
antwortete am 01.11.01 (09:29):
Guten Morgen an Allerheiligen:
Du bist ein Schatten am Tage und in der Nacht ein Licht; du lebst in meiner Klage und stirbst im Herzen nicht.
Wo ich mein Zelt aufschlage, da wohnst du bei mir dicht; du bist mein Schatten am Tage und in der Nacht mein Licht.
Wo ich auch nach dir frage, find' ich von dir Bericht, du lebst in meiner Klage und stirbst im Herzen nicht.
Du bist ein Schatten am Tage Und in der Nacht ein Licht, du lebst in meiner Klage und stirbst im Herzen nicht
(Friedrich Rückert)
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Brita
antwortete am 01.11.01 (09:43):
Ein Obdach
Ein Obdach gegen Sturm und Regen Der Winterzeit Sucht ich, und fand den Himmelssegen Der Ewigkeit. O Wort, wie du bewährt dich hast: Wer wenig sucht, der findet viel. Ich suchte eine Wanderrast, Und fand mein Reiseziel.
Friedrich Rückert
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Heidi
antwortete am 01.11.01 (10:18):
In Lyrik des Ostens ein kleines Gedicht für die DichterInnen gefunden :-)
Der Dichter
Wenn in der Nacht einsam ich aufwache und aus tiefer Seele meine Verse sinne: dann bin auch ich ein Gott
Ochiai Naobumi (Japan/Übs.v.Debon)
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KarinD
antwortete am 01.11.01 (10:53):
Liebe Heidi!
SCHÖN, auch wenn ich mich nicht als Gott(Göttin) bezeichnen würde, nur weil ich Verse notiere. Aber Du gehörst ja zu den Fortgeschrittenen!
Danke auch für die Behebung des Schadens :-))
Gruß, Karin.
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KarinD
antwortete am 01.11.01 (11:01):
Novembersonne
In den ächzenden Gewinden Hat die Kelter sich gedreht, Unter meinen alten Linden Liegt das Laub hoch aufgeweht.
Dieser Erde Werke rasten, Schon beginnt die Winterruh - Sonne, noch mit unverblaßten, Goldnen Strahlen wanderst du!
Ehe sich das Jahr entlaubte, Gingen, traun, sie müßig nie. Nun an deinem lichten Haupte Flammen unbeschäftigt sie.
Erst ein Ackerknecht, ein Schnitter, Und ein Traubenkoch zuletzt, Bist du nun der freie Ritter, Der sich auf der Fahrt ergetzt.
Und die Schüler, zu den Bänken Kehrend, grüßen jubelvoll, Hingelagert vor den Schenken, Dich als Musengott Apoll.
(Conrad Ferdinand Meyer)
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Heidi
antwortete am 01.11.01 (11:51):
Kleiner Hinweis an alle:
Wenn man nach dem Abschicken eines Beitrages auf "aktualisieren" klickt, wird der eigene Beitrag, sofern nicht ein anderer danach erschienen ist, nocheinmal verschickt. Das wiederholt sich so lange, bis ein anderer Beitrag eingesetzt wurde.
;-) passiert mir auch immer wieder
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sieghard
antwortete am 01.11.01 (12:47):
Ilse Aichinger (1.11.1921) hat heute 80. Geburtstag
Gebirgsrand
Denn was täte ich, wenn die Jäger nicht wären, meine Träume, die am Morgen auf der Rückseite der Gebirge niedersteigen, im Schatten.
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Dietlinde
antwortete am 01.11.01 (13:24):
1. 11. 1921 Ilse Aichinger Österreichische Schriftstellerin. In ihrem ersten Roman "Die größere Hoffnung" (1948) schilderte Ilse Aichinger das Schicksal einer jungen Halbjüdin unter dem Nationalsozialismus. Aichinger war selbst verfolgt worden. Das NS-Regime hatte einen Teil ihrer Familie in Konzentrationslagern ermordet. Mit dem Roman "Das vierte Tor" erschien zum ersten Mal in der österreichischen Literatur ein Buch, das sich mit dem Thema Konzentrationslager beschäftigte. Die Autorin war Mitglied in der "Gruppe 47" und ist Trägerin diverser Literaturpreise, u.a. des Preises der "Gruppe 47" (1952), des "Europa-Literaturpreises der Europäischen Union" (1987) und des "Großen Österreichischen Staatspreises" (1995). www.ub.fu-berlin.de/internetquellen/fachinformation/germanistik/autoren/multi_ab/aichinger.html Eine umfassende Linksammlung zu der Schriftstellerin auf den Seiten der FU Berlin. www.dhm.de/lemo/html/biografien/AichingerIlse/ Eine tabellarische Biografie von Ilse Aichinger.
(Internet-Tipp: https://easy.to/haikulinde)
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KarinD
antwortete am 01.11.01 (14:30):
Nasser November
Ziehen Sie die ältesten Schuhe an, die in Ihrem Schrank vergessen stehn! Denn Sie sollten wirklich dann und wann auch bei Regen auf die Straße gehn. Sicher werden Sie ein bisschen frieren, und die Straßen werden trostlos sein. Doch trotz allem: gehn Sie nur spazieren! Und, wenn's irgend möglich ist, allein. Müde fällt der Regen durch die Äste. Und das Pflaster glänzt wie blauer Stahl. Und der Regen rupft die Blätterreste. Und die Bäume werden alt und kahl.
Abends tropfen hunderttausend Lichter zischend auf den glitschigen Asphalt. Und die Pfützen haben fast Gesichter. Und die Regenschirme sind ein Wald. Ist es nicht, als stiegen Sie durch Träume? Und Sie gehn doch nur durch eine Stadt! Und der Herbst rennt torkelnd gegen Bäume. Und im Wipfel schwankt das letzte Blatt. Geben Sie ja auf die Autos acht. Gehn Sie, bitte, falls Sie friert, nach Haus! Sonst wird noch ein Schnupfen heimgebracht. Und –, ziehn Sie sofort die Schuhe aus.
(Erich Kästner)
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Heidi
antwortete am 01.11.01 (18:34):
Wind
Kühler Abend ins Ungewisse Anfang November. Die Welt hat Risse Frost dringt hindurch. Es leidet mein Freund. Ich denke Worte an ihn. Sagen Kann ich die Worte nicht. Daß ihn kein Mitleid kränke. Wenn eins vom andern scheidet, Schmerzen selbst Freundesfragen. Es hilft nicht, wenn man spricht.
Kalter Abend, von Norden kommt Wind. Wohl denen, die beieinander sind.
Eva Strittmatter
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KarinD
antwortete am 02.11.01 (18:16):
Alle über RT
Robert Trostbedürftig fährt in die Stadt nach Streicheln, doch wen immer er auch trifft, keiner will ihm schmeicheln.
Robert Trostbedürftig eilt ins Lokal nach Loben, doch der Wirt erklärt ihm barsch: Unten ist nicht oben.
Robert Trostbedürftig rennt vor Gericht nach Rache, doch dem Kläger scheint es als ob der Richter lache.
Robert Trostbedürftig geht gänzlich vor die Hunde. Kommt ein kleines Kätzchen an, leckt ihm seine Wunde.
(Robert Gernhardt)
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Erna Ecker-Philippi
antwortete am 03.11.01 (17:43):
Ein liebes, zartes Gedichtchen von Joachim Ringelnatz. Vielleicht gefällt es Euch auch. Erna
Kleines Gedichtchen
Kleines Gedichtchen Ziehe denn hinaus! Mach ein lustiges Gesichtchen, Merke dir aber mein Haus.
Geh ganz langsam und bescheiden Zu ihr hin, klopf an die Tür, Sag, ich möchte sie leiden, Doch ich könne nichts dafür.
Antwort, nein, bedarf es keiner. Sprich nur einfach überzeugt. Dann verbeug dich, wie ein kleiner Bote schüchtern sich verbeugt.
Und dann, kleines Gedichtchen, du, Sag noch sehr innig:"Geruhsame Ruh."
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Barbara
antwortete am 03.11.01 (20:41):
Kanonenlied
Und wenn ihr noch so viel in Straßen demonstriert, der Krieg passiert;
und wenn ein jeder seine Friedenstaube hat, er findet statt;
auch wenn ihr gegen die Erfahrung wißt, man werde künftig
das sein, was man noch nie gewesen ist, vernünftig.
(Manfred Hinzmann)
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Rosmarie Vancura
antwortete am 03.11.01 (21:39):
FELDBEICHTE
von Gottfried Keller
Im Herbst wenn sich der Baum entlaubt, Nachdenklich wird und schweigend, Mit Reif bestreut sein welkes Haupt, fromm sich dem Sturme neigend;
Da geht der Dichterjahr zu End, Da wird mir ernst zumute; Im Herbst nehm ich das Sakrament In jungem Traubenblute.
Da bin ich stets beim Abendrot Allein im Feld zu finden, Da brech ich zag mein Stücklein Brot Und denk an meine Sünden.
Ich richte mir den Beichtstuhl ein Auf ödem Heideplatze; Der Mond der muß mein Pfaffe sein Mit seiner Silberglatze.
Und wenn er grämlich zögern will, Der Last mich zu entheben, Dann ruf ich: " Alter, schweig nur still, Es ist mir schon vergeben!
Ich habe längst mit Not und Tod Ein Wörtlein schon gesprochen!" Dann wird mein Pfaff vor Ärger rot Und hat sich bald verkrochen
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Luzia
antwortete am 03.11.01 (23:40):
Um Mitternacht
Gelassen stieg die Nacht ans Land, leht träumend an der Berge wand, ihr Auge sieht die goldne Waage nun der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn; und kecker rauschen die Quellen hervor, sie singen der Mutter, der Nacht ins Ohr vom Tage, vom heute gewesenen Tage.
Das uralt alte Schlummerlied, sie achtet's nicht, sie ist es müd; ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch , der flücht'gen Stunden gleichgeschwungenes Joch. Doch immer behalten die Quellen das Wort, es singen die Wasser im Schlafe noch fort vom Tage, vom heute gewesenen Tage.
Eduard Mörike
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Luzia
antwortete am 03.11.01 (23:52):
Mit diesen Worten von ---Phil Bosmans wünsche ich allen einen schönen Sonntag.
Heute leben!
Pack diesen Tag an mit deinen beiden Händen. Nimm gern entgegen, was er dir gibt: das Licht dieses Tages, die Luft und das Leben, das Lachen dieses Tages, das Weinen und das Spielen, das Wunder dieses Tages. Nimm diesen Tag entgegen!
Um wirklich zu leben, mußt du heute leben. Das Leben ist kurz und geht schnell vorbei. Wenn du heute nicht lebst hast du den Tag verloren. Verdüstere deinen Geist nicht mit Angst und Sorgen von morgen. Beschwere dein Herz nicht mit dem ganzen Elend von gestern.
An das Gute von gestern magst du getrost denken; träume auch von schönen Dingen, die morgen kommen mögen. Aber verliere dich nicht ins Gestern oder ins Morgen. LEB HEUTE!!!
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Rosmaire Vancura
antwortete am 04.11.01 (08:49):
Prag ist meine absolute Lieblingsstadt. Ich kenne sie gut und freue mich über jedes Gedicht das die "Goldene an der Moldau " besingt. Eines welches mir besonders ans Herz ge- wachsen ist, ist
Du vielgeliebte Schöne ----------------------
von Jaroslav Seifert
Deine Gedichte sind wie Sonnenstrahlen die liebevoll den düsteren Tag erhellen.
Sie sind Paukenschläge auf dem gespannten Trommelfell meiner Ohren
Sie sind das sanfte Streicheln einer liebenden Hand deren Wärme man spürt über den Tod hinaus.
Prag ist du und du bist Prag meine vielgeliebte Schöne nach der ich mich sehne als hätte ich wie du immer in ihr gelebt.
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KarinD
antwortete am 04.11.01 (09:57):
Blätterfall
Der Herbstwald raschelt um mich her ... Ein unabsehbar Blättermeer entperlt dem Netz der Zweige. Du aber, dessen schweres Herz mitklagen will den großen Schmerz - sei stark, sei stark und schweige!
Du lerne lächeln, wenn das Laub, dem leichten Wind ein leichter Raub, hinabschwankt und verschwindet. Du weißt, dass just Vergänglichkeit das Schwert, womit der Geist der Zeit sich selber überwindet.
(Christian Morgenstern)
Allen einen schönen Sonntag!!
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Rosmarie Vancura
antwortete am 04.11.01 (14:17):
Liebe Freunde! Es kann sein, dass die nachfolgende Betrachtung einigen unter Euch bekannt ist, oder zumindesten bekannt vorkommt. Ich jedenfalls kann es immer wieder lesen, sie ist nicht nur wegweisend, sondern wie ich meine auch tröstend.
Du bist so jung wie deine Zuversicht ____________________
Jugend ist nicht ein Lebensabschnitt - sie ist ein Geisteszustand. Sie ist Schwung des Willens, Regsamkeit der Phantasie, Stärke der Gefühle, Sieg des Mutes über die Feigheit, Triumpf der Abenteuerlust über die Trägheit. Niemand wird alt, wenn man seinen Jdealen Lebewohl sagt. Mit den Jahren runzelt die Haut, mit dem Verzicht auf Begeisterung aber runhzelt die Seele. Sorgen, Zweifel, Mangel an Selbstvertrauen, Angst und Hoffnungslosigkeit, das sind die langen,langen Jahre die das Haupt zur Erde ziehen und den aufrechten gang in den Stab beugen. Ob siebzig oder siebzehn, im Herzen eines jeden Menschen wohnt die Sehnsucht nach dem Wunderbaren das erhebende Staunen, beim Anbick der ewigen Sterne ud der ewigen Gedanken und Dinge, das furchtlose Wagnis, die unersättliche, kindliche Spannung, was der nächste Tag bringen möge, die ausgelassene Freude und Lebenslust. Du bist so jung wie deine Zuversicht, so alt wie deine Zweifel. So jung wie deine Hoffnung, so alt wie deine Verzagtheit. Solange die Botschaften der Schönheit, Freude, Kühnheit, Größe, Macht von der Erde den Menschen und dem Unendlichen dein Herz erreichen, solange bist du jung. Erst wenn die Flügel nach unten hängen und das Innere deines Herzens vom Schnee des Pessimismus und dem Eis des Zynismus bedeckt sind, dann erst bist du wahrhaftig alt geworden. Albert Schweitzer
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Heidi
antwortete am 04.11.01 (21:21):
Lyrik des Ostens/Japan Ryôkwan Shônin
Am Wegesrande pflück und pflücke ich Veilchen. Die Bettelschale, ach, die vergeß ich dabei, die arme Bettelschale!
Am Wegesrande pflückt' und pflückte ich Veilchen. Die Bettelschale - Ich, ich hab sie vergessen! - Aber es nimmt sie niemand!
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KarinD
antwortete am 05.11.01 (07:59):
An die Zweifler unter uns:
Ja, hätte mir von Anbeginn So manches nicht gefehlt, und hätt ich nur mit andrem Sinn den andern Weg gewählt, und hätt ich auf dem rechten Pfad die rechte Hilf empfahn und so statt dessen, was ich tat, das Gegenteil getan, und hätt ich vieles nicht gemußt, auf höheren Geheiß und nur die Hälft vorher gewußt von dem was heut ich weiß, und hätt ich ernstlich nur gewollt, ja wollt ich nur noch jetzt, und wäre mir das Glück so hold wie manchem, ders nicht schätzt, und hätt ich zehnmal soviel Geld und könnt, was ich nicht kann, und käm noch einmal auf die Welt - ja dann!
(Ludwig Fulda)
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Rosmarie Vancura
antwortete am 05.11.01 (08:41):
Liebesanfang ____________
von R.M.Rilke
O Lächeln, erstes Lächeln, unser Lächeln. Wie war das Eines: Duft der Linden atmen, Parkstille hören-, plötzlich in einander aufschauen und staunen bis heran an das Lächeln.
In diesem Lächeln war Erinnerung an einen Hasen, der da drüben im Rasen spielte; dieses war die Kindheit des Lächelns. Ernster schon war ihm des Schwanes Bewegung eingegeben, den wir später den Weiher teilen sahen in zwei Hälften lautlosen Abends.- Und der Wipfel Ränder gegen den reinen, freien, ganz schon künftig nächtigen Himmel hatten diesem Lächeln Ränder gezogen gegen die entzückte Zukunft im Antlitz.
Ich wünsche Euch allen eine " Lächelwoche "!
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Heidi
antwortete am 05.11.01 (12:34):
Klage des blinden Harfners über die Vergänglichkeit
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Folge deinem Herzen, solange du lebst, Leg Myrrhen auf dein Haupt und kleide dich in feines Linnen, Salbe dich mit den echten Wundern der Gottesdinge. Vermehre dein Gutes, laß dein Herze nicht ermatten, Folge deinem Herzen und deinem Vergnügen, Verrichte deine Sachen auf Erden und quäle dein Herz nicht, Bis jener Tag des Wehgeschreis zu dir kommt.
Der mit ruhendem Herzen, Osiris, erhört ihr Schreien nicht, Und die Klagen erretten niemanden aus der Unterwelt.
Feire den frohen Tag, und werde sein nicht müde - Siehe, niemanden ist vergönnt, seine Habe mit sich zu nehmen, Siehe, keiner, der fortgegangen ist, kehrt zurück!
Lyrik des Ostens/Ägypter, 2.JHRT.v.Chr.
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Ulrike
antwortete am 05.11.01 (14:17):
Ja, die Orientalen sind gute Poeten, denke da auch an Hafiz, Omar Khayyam, Rumi. Hier das Gedicht eines Marokkaners, das mich in diesen Tagen besonders anspricht:
zweifel
für diese zweifel die uns erleuchten für diese zufluchten sich sich verbinden bestimmen wir die farbe der spur und säen sie als pelikan säen sie als welle oder als stein
Mohammed Dennis, Marokko (Aus: Die Farbe der Farne Moderne arabische Dichtung hrsg. von Stefan Weidner, München)
Liebe Grüße an alle und guten Start in die Woche.
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Dietlinde
antwortete am 05.11.01 (14:45):
Rumi, Jelaludin (1207-1273)
Die Welt umfasset nicht das Bild der Rose. Die Phantasie umfasset nicht die Rose. Vom Seelengarten Botin ist die Rose, und Inbegriff der Schoenheit ist die Rose.
Wär auch die ganze Welt, Mit Dornen rings umstellt, Ein Herz, das Liebe fühlt, Bleibt stets ein Rosenfeld.
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KarinD
antwortete am 05.11.01 (14:59):
Ach, ist das schön hier - mit all den Gedichten. Ruzenka, Heidi und Ulrike - schöne Beiträge!
Gegengewicht
Dieses Gedicht ist ein kleines Gegengewicht auf der Schale der Waage, auf der immer zuwenig liegt. Ein Gegengewicht zum Autolärm, zu überfüllten Wartezimmern, ein Gegengewicht zu den Nachrichten, zu Schlagzeilen und Schlagbäumen, Hochstraßen und Dampfwalzen, Herzinfarkt und Krebsverdacht. Ich lege es vorsichtig auf die Waagschale zu all den andren leichten Dingen... Einen Moment erschien es mir, als hätte sich etwas verändert.
(Hans Kruppa)
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Ulrike
antwortete am 05.11.01 (16:08):
An Dietlinde: Ich sehe schon vor meinem geistigen Auge die Derwische tanzen. Persönlich liegt mir Khayyam aber mehr als Rumi, weil erdnäher, ein persischer Humanist, der dieses schon war, lange bevor sich in Europa der Humanismus Bahn brach:
Khayyam, der Zelte der Wissenschaft zu näh´n verstand Fiel in des Kummers Schmelzofen und ward darin verbrannt Des Schicksals Scheren kappten seines Lebens Taue Der Zwischenhändler Hoffnung verschleuderte ihn für nichts als "Tand"
(Übersetzung aus dem Englischen:u.h.)
An Karin: Etwas von der verehrten Hilde Domin
LIED ZUR ERMUTIGUNG II
Lange wurdest du um die türelosen Mauern der Stadt gejagt.
Du fliehst und streust die verwirrten Namen der Dinge hinter dich.
Vertrauen, dieses schwerste ABC.
Ich mache ein kleines Zeichen in die Luft, unsichtbar, wo die neue Stadt beginnt, Jerusalem, die goldene, aus Nichts.
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;-) Heidi
antwortete am 05.11.01 (16:31):
Khayyam
Zu Asche wird, wonach der Mensch sich sehnt, Und selbst wenn es gedeiht, währt es nicht lang, Wie Schnee im heißen Sand der Wüste Muß es nach kurzer Zeit vergehn.
Komm mit dem alten Khayyam, laß die Weisen Plappern - eins ist gewiß: das Leben flieht. Das ist gewiß und alles sonst ist Lüge. Was gestern blühte ist für immer welk.
Einst war ich jung und ich verkehrte bei Weisen und Doktoren, lauschte viel doch jedesmal ging ich zur Tür hinaus, durch die ich eingetreten war.
Dann streute ich die Saat der Weisheit aus und pflegte sie mit eigenen Händen doch dies ist alles, was mir blieb als Ernte: Ich kam als Wasser und verhauch als Wind.
Ich kam zur Welt, weiß nicht woher Muß wie das Wasser fließen Und sie als Wind verlassen, weiß nicht wohin - ich wehe mit.
Du willst in deinem kurzen Leben das große Rätsel lösen, Freund? Beeil dich, denn ein dünnes Haar Trennt Trug und Wahrheit, kaum zu sehen.
:-) ich eil' mich
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Schüler
antwortete am 05.11.01 (18:24):
An "Gabriela" ich bin Schüler und musste genau die beiden Gedichte "Abseits" und "im Sommer" vergleichen .. Vielen Dank, dass sie mir die Arbeit abgenommen haben :)
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Luzia
antwortete am 05.11.01 (18:46):
Wettrüsten----< aber anders gemeint >
Die fürchterlich das Land durchschnaubt, manch blühend Leben uns geraubt: die finstre alte Drachenbrut - weiß man jetzt auszuschwefeln gut! Denn kommt man ihr sulfonamidlich, dann wird sie harmlos, friedlich-niedlich. Doch leider hat der Therapeut sich des Erfolgs zu früh gefreut: Die Keime, mit modernsten Mitteln vertrieben, scheinbar, aus den Spitteln, sie lassen sich nicht fürder locken. Geharnischt warten Viren, Kokken und brechen plötzlich,mit Gewalt hervor aus ihrem Hinterhalt. Mit panzerbrechend-neuen Waffen hofft wieder es der Arzt zu schaffen. Und Niederlagen gibts und Siege, abwechelnd in dem zähen Kriege. Gut, wenn wir an der Reihe sind, wenn grad die Wissenschaft gewinnt.
Eugen Roth
Allen, die gerade "verschnupft" sind wünsche ich:Gute Besserung. Luzia
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Rosmarie Vancura
antwortete am 05.11.01 (20:21):
Liebe Freundin
Wennn meine Freundin traurig ist ist die ganze Welt nur Mist. Da hüpft kein Has, es spring kein Reh, überall liegt schwarzer Schnee.
Ist meine Freudin aber fröhlich sind alle Wesen völlig seelig. Delphine prusten, Mücken lachen, vom Himmel fallen schöne Sachen.
Was macht man nur, verdammter Mist, damit Freundin wieder fröhlich ist? Man setzt sich an die Schreibmaschin' und faxelt ihr ein Verslein hin
Und es hilft!
Aus: Liebe Lilly Fritz Rumler Gutenachtgedichte, Unsinsgedichte, Ich-denk-an-dich ge dichte Rätselgedichte, Gedichtgedichte Knauer Verlag
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KarinD
antwortete am 05.11.01 (21:06):
Vom Bäumchen, das sich goldene Blätter wünschte: Es ist ein Bäumlein gestanden im Wald In gutem und schlechtem Wetter; Das hat von unten bis oben halt Nur Nadeln gehabt statt Blätter; Die Nadeln, die haben gestochen, Das Bäumlein, das hat gesprochen:
Alle meine Kameraden Haben schöne Blätter an, Und ich habe nur Nadeln, Niemand rührt mich an; Dürft' ich wünschen, wie ich wollt', Wünscht' ich mir Blätter von lauter Gold.
Wie's Nacht ist, schläft das Bäumlein ein, Und früh ist's aufgewacht; Da hatt' es goldene Blätter fein, Das war eine Pracht! Das Bäumlein spricht: Nun bin ich stolz; Goldene Blätter hat kein Baum im Holz.
Aber wie es Abend ward, Ging ein Räuber durch den Wald Mit großem Sack und langem Bart, Der sieht die goldnen Blätter bald; Er steckt sie ein, geht eilends fort Und läßt das leere Bäumlein dort.
Das Bäumlein spricht mit Grämen: Die goldnen Blättlein dauern mich, Ich muß vor den andern mich schämen, Sie tragen so schönes Laub an sich. Dürft' ich mir wünschen noch etwas, So wünscht' ich mir Blätter von hellem Glas.
Da schlief das Bäumlein wieder ein, Und früh ist's wieder aufgewacht; Da hatt' es gläserne Blätter fein, Das war eine Pracht! Das Bäumchen sprach: Nun bin ich froh; Kein Baum im Walde glitzert so.
Da kam ein großer Wirbelwind Mit einem argen Wetter, Der fährt durch alle Bäume geschwind Und kommt an die gläsernen Blätter; Da lagen die Blätter von Glase Zerbrochen in dem Grase.
Das Bäumlein spricht mit Trauern: Mein Glas liegt in dem Staub; Die anderen Bäume dauern Mit ihrem grünen Laub. Wenn ich mir noch was wünschen könnte .... (Friedrich Rückert (1788-1866)
Allen noch einen schönen Abend.
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Rosmarie Vancura
antwortete am 06.11.01 (08:11):
Zwischen den Jahreszeiten *************************
Der Garten leert sich, die Vögel ziehen ihre Stimmen zurück, und der überwachsene Stein wird sichtbar. Ich lerne das Frösteln wieder, lehne mich an die Ziegelmauer, sehe meinem Atem nach, der nicht weit kommt, und denke an den Sommer, der mich ausstieß, mich mit Schüttelfrost winterfest machte in den Nächten zwischen den Jahreszeiten, in denen ich die alten Buchstaben vergass und heute noch nicht schreiben konnte. Mühsam beginne ich nun zu reden, schaue hinüber zu dir und warte, wie nach so langem Schweigen die Antwort ausfällt.
Peter Härtling
Ich wünschen Euch einen schönen, sonnigen Herbsttag!
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KarinD
antwortete am 06.11.01 (08:15):
Wenn die Felder sich verdunkeln, Fühl ich, wird mein Auge heller; Schon versucht ein Stern zu funkeln, Und die Grillen wispern schneller.
Jeder Laut wird bilderreicher, Das Gewohnte sonderbarer, Hinterm Wald der Himmel bleicher, Jeder Wipfel hebt sich klarer.
Und du merkst es nicht im Schreiten, Wie das Licht verhundertfältigt Sich entringt den Dunkelheiten. Plötzlich stehst du überwältigt.
(Richard Dehmel)
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Stephan Reyntjes
antwortete am 06.11.01 (10:43):
Ich freue mich, diese web-site mit den vielen lyrischen Texten, gefunden zu haben... Ich gebe hiermit zwei Gedichte meines Freundes Gert O.E. Sattler ein:Gert O.E. Sattler, Recklinghausen
Frieden
Frei zu leben hier auf Erden nach dem Selbstbestimmungsrecht sollten Maß- und Richtschnur werden: Keiner sei des and'ren Knecht.
Ohne Zwänge und Gewalten, Stoß und Schlag und Gegenhieb, muß die Menschheit sich gestalten nach dem göttlichen Prinzip.
Alle Völker müssen lernen sich von Rache zu befrei'n, jeder Mensch darf unter Sternen hier auf Erden glücklich sein.
Haß und Streit sind eine Schlinge, bringen Völkern Angst und Not, Frieden ist das Maß der Dinge, Kriege sind des Menschen Tod.
** Gert O.E. Sattler, Recklinghausen
Dunkle Feiertage
Allerheiligen und Allerseelen, ernste Tage im Novemberwind, uns im Diesseitsleben nicht verhehlen, daß wir hier auf Erden sterblich sind.
Über Kreuz und Kranz und Grab und Hügel brennen Andachtskerzen, Licht bei Licht, Gottes Gnadentum hat Engelsflügel, ew'ge Dunkelheit, die gibt es nicht.
Jene, die das Leid mit Lebensnarben einst erfuhren durch des Schicksals Macht, die vereinsamt und verloren starben, sind befreit von Trauer, Not und Nacht.
Alle gingen nur in and're Räume, seelenwärts von einem Hier nach Dort, dieses Wissen ist nicht Traum der Träume, ist ein Trost des Seins durch Gottes Wort.
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KarinD
antwortete am 06.11.01 (17:58):
Völker der Erde
ihr, die ihr euch mit der Kraft der unbekannten Gestirne umwickelt wie Garnrollen, die ihr näht und wieder auftrennt das Genähte, die ihr in die Sprachverwirrung steigt wie in Bienenkörbe, um im Süßen zu stechen und gestochen zu werden –
Völker der Erde, zerstört nicht das Weltall der Worte, zerschneidet nicht mit den Messern des Hasses den Laut, der mit dem Atem zugleich geboren wurde. Völker der Erde, O daß nicht Einer Tod meine, wenn er Leben sagt – und nicht Einer Blut, wenn er Wiege spricht –
Völker der Erde, lasset die Worte an ihrer Quelle, denn sie sind es, die die Horizonte in die wahren Himmel rücken können und mit ihrer abgewandten Seite wie eine Maske dahinter die Nacht gähnt die Sterne gebären helfen –
Nelly Sachs (1891 - 1970)
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KarinD
antwortete am 07.11.01 (08:10):
Guten Morgen, alle hier!
Blinde Flecken
Daß wir so uneins sind hält uns zusammen du dort ich hier – wir sind auf andrer Fahrt: Dein Istgewesen mein Eswirdnochkommen zwei blinde Flecken in der Gegenwart die uns gehört wie Träume vorm Erwachen wenn wir schon wissen daß wir Träumer sind die mit uns spielt ein Weilchen in den Winden bis jedes hier und dort sich wiederfindet.
(Ulla Hahn)
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KarinD
antwortete am 07.11.01 (08:14):
Eine Frau spricht im Schlaf
Als er mitten in der Nacht erwachte, schlug sein Herz, daß er davor erschrak. Denn die Frau, die neben ihm lag, lachte, daß es klang, als sei der Jüngste Tag.
Und er hörte ihre Stimme klagen. Und er fühle, daß sie trotzdem schlief. Weil sie beide blind im Dunkeln lagen, sah er nur die Worte, die sie rief.
"Warum tötest du mich denn nicht schneller?" fragte sie und weinte wie ein Kind. Und ihr Weinen drang aus jenem Keller, wo die Träume eingemauert sind.
"Wieviel Jahre willst du mich noch hassen?" rief sie aus und lag unheimlich still. "Willst du mich nicht weiterleben lassen, weil ich ohne dich nicht leben will?"
Ihre Fragen standen wie Gespenster, die sich vor sich selber fürchten, da. Und die Nacht war schwarz und ohne Fenster. Und schien nicht zu wissen, was geschah.
Ihm (dem Mann im Bett) war nicht zum Lachen. Träume sollen wahrheitsliebend sein ... Doch er sagte sich: "Was soll man machen!" und beschloß, nachts nicht mehr aufzuwachen. Daraufhin schlief er getröstet ein.
(Erich Kästner)
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Rosmarie Vancura
antwortete am 07.11.01 (11:00):
Ein neuer Tag ______________
Ein neuer Tag liegt vor dir, ein neues Stück Leben, breitet sich in dir aus
Ergreife die vielfältigen Möglichkeiten, die dir entgegenkommen, fülle die Stunden mit deiner Lust, entfalte deine Begabungen und spiele mit deinen Phantasien und du wirst leuchten und lieben und leben.
Christa Spilling-Nöcker mit deinen Phanatsien und du
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Dietlinde
antwortete am 07.11.01 (11:35):
Schläft ein Lied in allen Dingen, die da träumen fort und fort, und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort. Joseph von Eichendorff
(Internet-Tipp: https://easy.to/haikulinde)
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Ulrike
antwortete am 07.11.01 (13:24):
Dietlindes Internet-Tipp: WOW!:-)
Kein Problem
Geschichten mag ich nicht schreiben Aphorismen noch viel weniger was ich mag, sind Gedichte! Reimen kann ich nicht also mach ich´s mit der Anord nung der Wo rt e !
(Jörn Pfennig)
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sieghard
antwortete am 07.11.01 (13:57):
Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916)
Ein kleines Lied
Ein kleines Lied. Wie geht's nur an, Daß man so lieb es haben kann, Was liegt darin? Erzähle! Es liegt darin ein wenig Klang, Ein wenig Wohllaut und Gesang Und eine ganze Seele. .
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KarinD
antwortete am 08.11.01 (07:49):
Guten Morgen!
Hier gießt es in Strömen, aber macht nix!
Drinnen duften die Äpfel im Spind. Prasselt der Kessel im Feuer. Doch draußen pfeift Vagabundenwind Und singt das Abenteuer!
Der Sehnsucht nach dem Anderswo Kannst du wohl nie entrinnen: Nach drinnen,wenn du draußen bist. Nach draußen, bist du drinnen.
(Mascha Kaleko)
Einen schönen Tag wünsche ich Euch allen. Gruß von Karin.
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KarinD
antwortete am 08.11.01 (08:04):
Bleib ruhig
Erscheint Dir etwas unerhört, Bist du tiefsten Herzens empört, Bäume dich nicht auf, versuch's nicht mit Streit, Berühr' es nicht, überlass es der Zeit. Am ersten Tage wirst Du feige dich schelten, Am zweiten läßt du dein Schweigen schon gelten, Am dritten hast du's überwunden, Alles ist wichtig nur auf Stunden, Ärger ist Zährer und Lebensvergifter, Zeit ist Balsam und Friedensstifter.
(Theodor Fontane)
genau...........
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Luzia
antwortete am 08.11.01 (10:23):
Und hier noch ein----Fontane----
So und nicht anders
Die Menschen kümmerten mich nicht viel, eigen war mein Weg und Ziel.
Ich mied den Markt, ich mied den Schwarm, andere sind reich, ich bin arm.
Andere regierten( regieren noch) ich stand unten und ging durchs Joch.
Entsagen und lächeln bei Demütigungen, das ist die Kunst, die mir gelungen.
Und doch, wär's in die Wahl mir gegeben, ich führte noch einmal dasselbe Leben.
Und sollt' ich noch einmal die Tage beginnen, ich würde den gleichen Faden spinnen.
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Luzia
antwortete am 08.11.01 (10:48):
Mittag
Theodor Fontane
Am Waldessaume träumt die Föhre. Am Himmel weiße Wölkchen nur. Es ist so still, daß ich sie höre, die tiefe Stille der Natur.
Rings Sonnenschein auf Wies' und Wegen, die Wpfel stumm, kein Lüftchen wach. Und doch, es klingt, als ström' ein Regen leis tönend auf das Blätterdach.
----und es strömt der Regen nur so!!!!!----
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Rosmarie Vancura
antwortete am 08.11.01 (14:46):
Paracelsus schreibt:
Wer nichts weiss, liebt nichts. Wer nichts tun kann, versteht nichts. Wer nichts versteht, ist nichts wert. Aber wer versteht, der liebt, bemerkt und sieht auch... Je mehr Erkenntnisse einem Ding innewohnt desto grösser ist die Liebe... Wer meint, alle Früchte würden gleichzeitig mit den Erdbeeren reif, versteht nichts von den Trauben.
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KarinD
antwortete am 09.11.01 (08:14):
Guten Morgen zum Wachwerden!
Kleine Morgengymnastik
Ich stehe mit dem richtigen Fuß auf, öffne das Fenster der Seele, verbeuge mich vor allem, was liebt, wende mein Gesicht der Sonne entgegen, springe ein paar Mal über meinen Schatten und lache mich gesund.
(Hans Kruppa)
(Internet-Tipp: https://www.hans-kruppa.de/inhalt.htm)
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KarinD
antwortete am 09.11.01 (08:27):
Dieses Gedicht hat Theodor Fontane vor mehr als 150 Jahren(!) geschrieben. Noch immer aktuell...
Das Trauerspiel von Afghanistan
Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt, Ein Reiter vor Dschellalabad hält, "Wer da!" - "Ein britischer Reitersmann, Bringe Botschaft aus Afghanistan." Afghanistan! Er sprach es so matt; Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt, Sir Robert Sale, der Kommandant, Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand. Sie führen ins steinerne Wachthaus ihn, Sie setzen ihn nieder an den Kamin, Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht, Er atmet hoch auf und dankt und spricht: "Wir waren dreizehntausend Mann, Von Kabul unser Zug begann, Soldaten, Führer, Weib und Kind, Erstarrt, erschlagen, verraten sind. Zersprengt ist unser ganzes Heer, Was lebt, irrt draußen in Nacht umher, Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt, Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt." Sir Robert stieg auf den Festungswall, Offiziere, Soldaten folgten ihm all', Sir Robert sprach: "Der Schnee fällt dicht, Die uns suchen, sie können uns finden nicht. Sie irren wie Blinde und sind uns so nah, So lasst sie's hören, dass wir da, Stimmt an ein Lied von Heimat und Haus, Trompeter blast in die Nacht hinaus!" Da huben sie an und sie wurden's nicht müd', Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied, Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang, Dann Hochlandslieder wie Klagegesang. Sie bliesen die Nacht und über den Tag, Laut, wie nur die Liebe rufen mag, Sie bliesen - es kam die zweite Nacht, Umsonst, dass ihr ruft, umsonst, dass ihr wacht. Die hören sollen, sie hören nicht mehr, Vernichtet ist das ganze Heer, Mit dreizehntausend der Zug begann, Einer kam heim aus Afghanistan.
(Theodor Fontane)
(Internet-Tipp: https://home.t-online.de/home/hhehrmann/main1.htm )
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Ulrike
antwortete am 09.11.01 (09:26):
Guten Morgen an alle. Ja, Karin, das Thema liegt schwer im Magen, auch wenn uns hier die Sonne scheint.
Wo hört die Heimat auf und fängt die Fremde an? Es liegt daran, wie weit das Herz ist aufgetan. Ein reges Herz, das sich verstockt im Winkel hat, Es findet fremdes Land drei Finger von der Stadt; Ein weites aber hat das Fernste sein genannt, Als wie vom Himmel wird die blühende Welt umspannt.
(Rückert, Die Weisheit des Brahmanen)
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sieghard
antwortete am 09.11.01 (09:33):
Ja, vielen Dank, der Text "Das Trauerspiel von Afghanistan", hallo, Rosmarie, hallo Karin hatte ihn gestern Abend in "Monitor" gehört,
hier ein weiteres politisches Gedicht von ihm, Theodor Fontane:
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Die Balinesenfrauen auf Lombok (1895)
Unerhört, Auf Lombok hat man sich empört, Auf der Insel Lombok die Balinesen Sind mit Mynheer unzufrieden gewesen.
Und die Mynheers faßt ein Zürnen und Schaudern: "Aus mit dem Brand, ohne Zögern und Zaudern!" Und allerlei Volk, verkracht, verdorben, Wird von Mynheer angeworben, Allerlei Leute mit Mausergewehren Sollen die Balinesen bekehren. Vorwärts, ohne Sinn und Plan; Aber auch planlos wird es getan: Hinterlader arbeitete gut, Und die Männer liegen in ihrem Blut.
Die Männer. Aber groß anzuschaun Sind da noch sechzig stolze Fraun, All eingeschlossen zu Wehr und Trutz In eines Buddha-Tempels Schutz. Reichgekleidet, gloldgeschmückt, Ihr jüngstes Kind an die Brust gedrückt, Hochaufgericht't eine jede stand, Dein Feind im Auge, den Dolch in der Hand.
Die Kugeln durchlagen Trepp' und Dach - "Wozu hier noch warten, feig und schwach?" Und die Türen auf und hinab ins Tal, Hoch ihr Kind und hoch den Stahl (Am Griffe funkelt der Edelstein), So stürzen sie sich in des Feindes Reihn. Die Hälfte fällt tot, die Hälfte fällt wund, Aber jede will sterben zu dieser Stund, Und die Letzten, in stolzer Todeslust, Stoßen den Dolch sich in die Brust.
Mynheer derweilen, in seinem Kontor, Malt sich christlich Kulturelles vor. Wo liegt Lombok? Nun irgendwo - Übrigens machen es alle so. .
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Schorsch
antwortete am 09.11.01 (11:21):
Ja, liebe Mitmenschen, so haben "wir Christen und Hochentwickelten" den "Unterentwickelten" unsere Auffassung von Kultur beibringen wollen - und versuchen es heute noch!
Schorsch
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sieghard
antwortete am 09.11.01 (14:27):
Die Füße im Feuer
Wild zuckt der Blitz. In fahlem Lichte steht ein Turm Der Donner rollt. Ein Reiter kämpft mit seinem Ross Springt ab und pocht ans Tor und lärmt. Sein Mantel saust Im Wind. Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest. Ein schmales Gitterfenster schimmert goldenhell Und knarrend öffnet jetzt das Tor ein Edelmann ...
- "Ich bin ein Knecht des Königs, als Kurier geschickt Nach Nîmes. Herbergt mich! Ihr kennt des Königs Rock!" - "Es stürmt. Mein Gast bist du. Dein Kleid, was kümmerts mich? Tritt ein und wärme dich! Ich sorge für dein Tier!" Der Reiter tritt in einen dunkeln Ahnensaal, Von eines weiten Herdes Feuer schwach erhellt, Und je nach seines Flackerns launenhaftem Licht Droht hier ein Hugenott im Harnisch, dort ein Weib, Ein stolzes Edelweib aus braunem Ahnenbild ... Der Reiter wirft sich in den Sessel vor dem Herd Und starrt in den lebendgen Brand. Er brütet, gafft ... Leis sträubt sich ihm das Haar. Er kennt den Herd, den Saal ... Die Flamme zischt. Zwei Fusse zucken in der Glut. Den Abendtisch bestellt die greise Schaffnerin Mit Linnen blendend weiss. Das Edelmägdlein hilft. Ein Knabe trug den Krug mit Wein. Der Kinder Blick Hangt schreckensstarr am Gast und hangt am Herd entsetzt ... Die Flamme zischt. Zwei Füsse zucken in der Glut.
- "Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal! Drei Jahre sinds ... Auf einer Hugenottenjagd ... Ein fein, halsstarrig Weib ... `Wo steckt der Junker? Sprich!' Sie schweigt. `Bekenn!' Sie schweigt. `Gib ihn heraus!' Sie schweigt. Ich werde wild. Der Stolz! Ich zerre das Geschöpf ... Die nackten Füsse pack ich ihr und strecke sie Tief mitten in die Glut ... `Gib ihn heraus!' ... Sie schweigt ... Sie windet sich ... Sahst du das Wappen nicht am Tor? Wer hiess dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr? Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich." - Eintritt der Edelmann. "Du träumst! Zu Tische, Gast ..."
Da sitzen sie. Die drei in ihrer schwarzen Tracht Und er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet. Ihn starren sie mit aufgerissnen Augen an - Den Becher füllt und übergiesst es, stürzt den Trunk, Springt auf: "Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt! Müd bin ich wie ein Hund!" Ein Diener leuchtet ihm, Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück Und sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr ... Dem Diener folgt er taumelnd in das Turmgemach.
Fest riegelt er die Tür. Er prüft Pistol und Schwert. Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke stöhnt. Die Treppe kracht ... Dröhnt hier ein Tritt? Schleicht dort ein Schritt? ... Ihn täuscht das Ohr. Vorüberwandelt Mitternacht. Auf seinen Lidern lastet Blei, und schlummernd sinkt Er auf das Lager. Draussen plätschert Regenflut.
Er träumt. "Gesteh!" Sie schweigt. "Gib ihn heraus!" Sie schweigt. Er zerrt das Weib. Zwei Füsse zucken in der Glut. Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt ... - "Erwach! Du solltest längst von hinnen sein! Es tagt!" Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt, Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr - ergraut, Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar.
Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut. Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad, Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch. Friedselge Wolken schwimmen durch die klare Luft, Als kehrten Engel heim von einer nächtgen Wacht. Die dunkeln Schollen atmen kräftgen Erdgeruch, Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug, Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: "Herr, Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit Und wisst, dass ich dem grössten König eigen bin. Lebt wohl! Auf Nimmerwiedersehn!" Der andre spricht: "Du sagsts! Dem grössten König eigen! Heute ward Sein Dienst mir schwer ... Gemordet hast du teuflisch mir Mein Weib! Und lebst ... Mein ist die Rache, redet Gott."
[Conrad Ferdinand Meyer 1825-1898] .
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Herbertkarl Huether
antwortete am 10.11.01 (21:21):
furios
fortsein anders als dabeibleiben im schlauch der existenz begruendet
voelker im blutrausch atavistischer triebe geeint in gemeinsamer heuchelei
dekadenz des geistes aufgewertet durch die gier nach macht
ich spreche von tief unten aus der achse der galaxien vom terrain nimmerwo
saeuseln des lebenssaftes im trommelfell um gehoer zu finden
fern den ufern der leeren hand vor den saenden des urmeeres
schleier des verstandes vor faszinierten augen der gelungenen gnade
blasen der unmutigen weite des nichtgehoerten nachwindes chiffrierter saetze
zeichen der tumulte gedruckter gaenge des einschaubaren
war da wo der eingang zum tal der vergessenen
idole einer fernen heimat die suchend die seele erblickt um gehetzt zu verscheiden
uebergaenge an der schwelle zum verstehbaren einfallstore des kollektiven
huschen der partikel ueber den feenbeinstein ewger fortsetzungen
kreislaeufe in zirkeln anteilhaftiger experimente des geraden weges
schleppen der schaerpe mit hutkrempe ueber der zerkluefteten stirn
gejagtes wild der thermik im gleissen
aufgerissen der globus zerflossener staehle des bewegtseins
hkh
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Luzia
antwortete am 11.11.01 (09:03):
Heute ist der St. Martinstag.Da ziehen in vielen Städten und Dörfern die Kinder mit ihren Laternen durch den Ort und singen das Lied vom hl.Martin.
St. Martin,.. ritt durch Schnee und Wind, sein Roß, das trug ihn fort geschwind. St. Martin ritt mit leichtem Mut, sein Mantel deckt ihn warm und gut.
Im Schnee saß, .. da saß ein armer Mann, hat Kleider nicht, hat Lumpen an: "Oh helft mir doch in meiner Not, sonst ist der bttere Frost mein Tod!"
St. Martin,.. zieht die Zügel an, sein Roß steht still beim armen Mann. St. Martin mit dem Schwerte teilt den warmen Mantel unverweilt.
St. Martin .. gibt den Halben still, der Bettler rasch ihm danken will. St. Martin aber ritt in Eil hinweg mit seinem Mantelteil.
Der hl.Martin von Tours lebte in der Zeit von 317 bis 397 nach Christus. Ich wünsche allen so einen sonnigen Schneesonntag wie wir ihn haben.
Lieben Gruß Luzia
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KarinD
antwortete am 11.11.01 (09:15):
Pappellaub
Sommer hat mit leichter Hand Laub der Pappel angenäht. Unsichtbarer Schauder ist windlos auf die Haut gesät.
Zuckt wie Schatten Vogelbalg, Spötterbrust, als winzger Strich: Ach, schon wird es Überfall, wie sie blätterhin entwich!
Luft, die unterm weichen Flug kurzer Schwinge sich gerührt schlägt wie blaue Geissel zu, die, die dumpfe Stille führt.
Grüne Welle flüstert auf, Silbermund noch lange spricht, sagt mir leicht die Welt ins Ohr, hingerauscht als Ungewicht.
(Karl Krolow 1915-1999)
Allen einen schönen Sonntag!
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Rosmarie Vancura
antwortete am 11.11.01 (22:13):
Vermutlich einigen bekannt, ich finde es fröhlich und ermutigend in seiner spielerischen Leichtigkeit...Das Gedicht vom
Pfeifen _______
Klavier und Geige, die ich wahrlich schätze, Ich konnte mich mit ihnen kaum befassen; Mir hat bis jetzt des Lebens rasche Hetze Nur zu der Kunst des Pfeifens Zeit gelassen.
Zwar darf ich mich noch keinen Meister nennen, Lang ist die Kunst und kurz ist unser Leben. Doch alle, die des Pfeifens Kunst nicht kennen, Bedaure ich. Mir hat sie viel gegeben.
Drum hab ich längst mir innigst vorgenommen, In dieser Kunst von Grad zu Grad zu reifen, Und hoffe endlich noch dahin zu kommen, auf mich, auf euch, auf alle Welt zu pfeifen.
Hermann Hesse
Ich wünsche Euch eine pfiffige Woche! Rosmarie
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Adolf Widenka
antwortete am 11.11.01 (23:04):
Nie stille steht die Zeit, der Augenblick entschwebt, und den Du nicht genutzt, den hast Du nicht gelebt. unbekannt.
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Dietlinde
antwortete am 12.11.01 (00:05):
" Arno Holz" gibt eine Einstimmung auf den Winter und neue Hoffnung für den Frühling, der immer wieder kommt!
Winter.
Du lieber Frühling! Wohin bist du gegangen? Noch schlägt mein Herz, was deine Vögel sangen. Die ganze Welt war wie ein Blumenstrauß, längst ist das aus! Die ganze Welt ist jetzt, o weh, Barfüßle im Schnee. Die schwarzen Bäume stehn und frieren, im Ofen die Bratäpfel musizieren, das Dach hängt voll Eis. Und doch: bald kehrst du wieder, ich weiß, ich weiß! Bald kehrst du wieder, o nur ein Weilchen, und blaue Lieder duften die Veilchen!
Einen schönen Wochenanfang wünscht
Dietlinde!
(Internet-Tipp: https://easy.to/haikulinde)
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Rosmarie Vancura
antwortete am 12.11.01 (07:55):
Wer von uns könnte ohne Freundschaft leben? Dazu am frühen Morgen gelesen und Euch auf den Frühstückstisch gelegt:
Doch auch in schweren Tagen will Freundschaft sich bewähren.
Du kommst dann zu mir oder ich komme zu dir.
und bepacken kannst du mich ruhig.
Deine Sorgen abladen bei mir und ich meine bei dir.
Denke bitte nie: "Das kannn ich dir doch nicht zumuten!"
Gib der Freundschaft die Ehre, die "Trägfähigkeit" heisst.
Schone mich nicht
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KarinD
antwortete am 12.11.01 (08:37):
Laternenlied
Abends, wenn es dunkel wird, Und die Fledermaus schon schwirrt, Gehn wir mit Laternen aus In den Garten hinter'm Haus, Und im Auf- und Niederwallen Lassen wir das Lied erschallen: Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne.
Wie so lieblich aus dem Grün Fern und nah die Lichter glühn, Schimmern auf den hellen Steig, Spiegeln sich im schwarzen Teich; Rosig aus dem Dunkel leuchtet Manche Blume thaubefeuchtet. Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne!
Plötzlich aus dem Wolkenthor Kommt der gute Mond hervor, Wandelt seine Himmelsbahn Als ein Hauptlaternenmann, Leuchtet bei dem Sterngefunkel Lieblich aus dem blauen Dunkel. Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne!
Ei nun gehen wir nach Haus, Blasen die Laternen aus, Lassen Mond und Sternelein Leuchten in der Nacht allein, Bis die Sonne wird erwachen, Alle Lampen auszumachen. Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne!
(Heinrich Seidel)
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KarinD
antwortete am 12.11.01 (14:36):
Durcheinander
Sich lieben in einer Zeit in der Menschen einander töten mit immer besseren Waffen und einander verhungern lassen und wissen das man wenig dagegen tun kann und versuchen nicht stumpf zu werden und doch sich zu lieben
Sich lieben und einander verhungern lassen sich lieben und wissen das man wenig dagen tun kann sich lieben und versuchen nicht stumpf zu werden sich lieben.
(Erich Fried)
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Ulrike
antwortete am 12.11.01 (18:13):
DAS FACH SCHÖNSCHREIBEN
Aber gewiß doch: Nach Schablone und In Schönschrift
Tanzt kein Buchstabe Aus der Reihe
Liegt kein Wort Schief
Halten alle Den Rand Ein Und erhalten ein Lob
Nur die Wahrheit Fällt immer auf
Als sehr schwer Erziehbar
(Jürgen Fuchs)
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Rosmarie Vancura
antwortete am 14.11.01 (11:17):
Aus dem vom ersten Schnee gepuderten Ravensburg, zur Einstimmung auf den sich ankündenden Winter, das bekannte Wintergedicht meines Landsmannes GOTTFRIED KELLER:
Erster Schnee _____________
Wie nun alles stirbt und endet und das letzte Lindenblatt müd sich an die Erde wendet in die warme Ruhestadt, so auch unser Tun und Lassen, was uns zügellos erregt, unser Lieben, unser Hassen sei zum welken Laub gelegt.
Reiner, weisser Schnee, o schneie, decke beide Gräber zu, dass die Seele uns gedeihe still und kühl in Wintersruh! Bald kommt jene Frühlingswende, die allein die Liebe weckt, wo der Hass umsonst die Hände dräuend aus dem Grabe streckt
Gottfried Keller geb. 1819 in Zürich gest. 1890 dasselbst
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Heidi & Karin
antwortete am 14.11.01 (20:21):
Hier mal wieder ein "Teamwork" Karin und mir :-)) getrennt geschrieben zum gleichen Thema, anlässlich meines Besuches bei ihr:
Ein Besuch
Erwartung, Spannung ein neues Gesicht vertraut, obwohl noch fremd
direktes Gegenüber Sprache und Mimik ohne Barriere
Annäherung, Erleichterung Freude und neue Gemeinsamkeit
..Fortsetzung folgt
hl
Ein Besuch
Nicht persönlich kannten wir uns nur durch das Medium Internet Interesse an Gedichten führte uns zusammen regelmäßiger Austausch begann Telefonate folgten ein Treffen wurde angedacht
ein Urlaub in der Nähe brachte dich zu mir nicht fremd waren wir uns vom ersten Augenblick an sympathisch Plaudern und Lachen bestimmten den gemeinsamen Tag die Stunden bis zum Abend vergingen im Fluge
K.E.
Wir wünschen allen einen schönen Abend :-))
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Rosmarie S
antwortete am 15.11.01 (18:18):
Hallo, ihr beiden,
eure Gedichte über euer Treffen zu lesen, war eine erfreuliche Überraschung. Aber auch ich als völlig Außenstehende hätte damit gerechnet, dass ihr euch gut versteht. Denn ich finde, dass aus euren Gedichten und auch aus denen, die ihr von anderen Autoren aussucht, sehr viel übereinstimmendes Gedankengut spricht. Ich wünsche euch weiterhin eine bereichernde Freundschaft!
Herzlichen Gruß Rosmarie
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Karin
antwortete am 16.11.01 (07:59):
Guten Morgen, an alle!
Spät im Jahr
Habt Vorrat ihr genug, ihr meine Augen, Für einen Winter, lang und weiß und grau? Nehmt noch dies Asternrot, dies weiche Lila, Dies späte Gelb, dies herbstlich klare Blau,
Und nehmt den Silberglanz der großen Flüge Des Habichts und des Eichelhähers wahr, Und auch den Birnbaum nehmt, ein goldnes Gleichnis Des Überschwangs vom segensreichen Jahr.
Und endlich nehmt das Lächeln und die reine Strahlung des schönen Menschenangesichts, Und alle Nacht wird herrlich euch erhellt sein Vom farbgen Widerschein geliebten Lichts.
(Albrecht Goes)
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eva
antwortete am 16.11.01 (17:31):
Kinder, heute gehts´mir gut - ich trage einen Doktorhut !!! Hab´auf meine alten Tage unterzogen mich der Plage und ohn ´jegliches Genieren angefangen zu studieren. Manchmal war es ziemlich hart, Ärger wurde nicht erspart, musste, statt am Wein zu süffeln, in den dicken Büchern büffeln; gestern doch, mit letzter Kraft, das Rigorosum noch geschafft !!! Damit bin ich jetzt am Ziel, darf mich nennen : "Dr.phil." Doch, was ich war, bin ich geblieben : Eure eva (klein geschrieben).
PS. Und das Beste der Geschichte- jetzt hab´ich Zeit für die Gedichte.
eKr
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Ulrike
antwortete am 16.11.01 (17:54):
Hallo Eva, habe gerade von Deinen Erfolgen gelesen. Super!
Also:
Unbekannterweise Sende ich Einen Glückwunsch auf die Reise Fände ich Den Mut, auf diese Gleise Auch mich zu begeben Könnte ich auch solch Glück erleben
Liebe Grüße Ulrike
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Rosmarie Schmitt
antwortete am 16.11.01 (18:26):
Liebe Eva,
ganz, ganz toll! Ich bewundere dich und gratuliere dir von ganzem Herzen!
Ich freu mich richtig mit! Rosmarie
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Karin
antwortete am 16.11.01 (19:22):
Liebe eva!
Auch von mir die allerherzlichsten Glückwunsche! HUT AB (jetzt hast Du ja schließlich einen!) vor so viel eigenem Mut und Erfolg.
Jetzt werden wir ja wieder Neues von Dir lesen.
Genieß Deinen Erfolg und sei herzlichst gegrüßt von Karin.
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Dietlinde
antwortete am 16.11.01 (19:31):
Liebe Eva,
auch von mir recht herzlichen Glückwunsch zu der neu erlangten, und sicher auch schwer verdienten Doktorwürde!
Wie schön, daß Du Dein gestecktes Ziel erreicht hast, und Dich von Herzen darüber freust! Ich freue mich mit Dir, und wenn Du schreibst, jetzt hast Du wieder mehr Zeit zum Dichten, dann bin ich schon ganz gespannt auf Deine neuen, wunderbaren Verse.
Bei uns sagt man, "Laß es krachen, liebe Eva", und feier recht schön und genieße Deinen Erfolg!
Herzlichst Dietlinde
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Heidi
antwortete am 17.11.01 (02:10):
aus dem Zugfenster gesehen..
unterwegs
wege, in berge geschnitzt erweitert, verbreitert metall begleitet den fluss natürlicher weg neben menschengemachtem klaffen die wunden jahrhunderte später der berg blutet immer noch lebende natur grau verstaubt menschenwerke - verlassen
hl
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sieghard
antwortete am 17.11.01 (10:45):
Der November von Erich Kästner
Ach, dieser Monat trägt den Trauerflor... Der Sturm ritt johlend durch das Land der Farben. Die Wälder weinten. Und die Farben starben. Nun sind die Tage grau wie nie zuvor. Und der November trägt den Trauerflor.
Der Friedhof öffnete sein dunkles Tor. Die letzten Kränze werden feilgeboten. Die Lebenden besuchen ihre Toten. In der Kapelle klagt ein Männerchor. Und der November trägt den Trauerflor.
Was man besaß, weiß man, wenn man's verlor. Der Winter sitzt schon auf den kahlen Zweigen. Es regnet, Freunde, und der Rest ist Schweigen. Wer noch nicht starb, dem steht es noch bevor. Und der November trägt den Trauerflor... .
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Karin
antwortete am 17.11.01 (15:42):
Bald ist es wieder so weit, Ihr lieben Leut'!
In der Weihnachtsbäckerei
In der Weihnachtsbäckerei gibt es manche Leckerei. Zwischen Mehl und Milch macht so mancher Knilch eine riesengrosse Kleckerei - in der Weihnachtsbäckerei in der Weihnachtsbäckerei!
Wo ist das Rezept geblieben von den Plätzchen, die wir lieben? Wer hat das Rezept - verschleppt? Na, dann müssen wir es packen, einfach frei nach Schnauze backen. Schmeisst den Ofen an - und ran! In der Weihnachtsbäckerei ...
Brauchen wir nicht Schokolade, Zucker, Honig und Succade und ein bisschen Zimt? - Das stimmt! Butter, Mehl und Milch verrühren, zwischendurch einmal probieren - und dann kommt das Ei - vorbei! In der Weihnachtsbäckerei ...
Bitte mal zur Seite treten, denn wir brauchen Platz zum Kneten. Sind die Finger rein? - Du Schwein! Sind die Plätzchen, die wir stechen, erst einmal auf Ofenblechen, warten wir gespannt - verbrannt! In der Weihnachtsbäckerei ...
(Text: Rolf Zuckowski)
(Ich kann's euch auch gerne vorsingen! *ggg*). Lieber doch nicht :-))
Gruß von Karin.
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Heidi
antwortete am 18.11.01 (02:03):
hörst du?
hörst du wie laut die stille ist? nur das rauschen des blutes in den ohren das müde klopfen des herzens übertönt noch die stille des zimmers das gelächter des schlafes mischt sich mit dem wehklagen des traumes du fieberst dem morgen entgegen dem licht
hl
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eva
antwortete am 18.11.01 (08:55):
Ihr Lieben alle - ich will hier keine Namen nennen, aber ich danke allen, die sich mit mir gefreut haben und mir so liebe Grüße und Glückünsche geschickt haben, besonders auch unserem Webmaster Karl ! Ich bin zutiefst gerührt. Eigentlich hätte ich alles bescheiden für mich behalten sollen, aber ich war so glücklich und Ihr gehört ja auch zu meinem Leben ! Also nochmals herzlichsten Dank ! Leider ist mir inzwischen kein tiefgründiges Gedicht eingefallen, nur der übliche Nonsens - demnächst hier zu finden. Jetzt mache ich einen tüchtigen Nebelspaziergang über den Kahlenberg. Euch allen wünsche ich einen schönen Sonntag - Eure eva
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Karin
antwortete am 18.11.01 (10:33):
Ich bin zwar schon wach, aber dennoch:
Nachtgedanken
Denk ich an Deutschland in der Nacht Dann bin ich um den Schlaf gebracht, Ich kann nicht die Augen schließen, Und meine heißen Thränen fließen.
Die Jahre kommen und vergehn! Seit ich die Mutter nicht gesehn, Zwölf Jahre sind schon hingegangen; Es wächst mein Sehnen und Verlangen.
Mein Sehnen und Verlangen wächst. Die alte Frau hat mich behext Ich denke immer an die alte, Die alte Frau, die Gott erhalte!
Die alte Frau hat mich so lieb, Und in den Briefen, die sie schrieb, Seh' ich wie ihre Hand gezittert, Wie tief das Mutterherz erschüttert.
Die Mutter liegt mir stets im Sinn; Zwölf lange Jahre flossen hin, Zwölf lange Jahre sind entflossen, Seit ich sie nicht an's Herz geschlossen.
Deutschland hat ewigen Bestand, Es ist ein kerngesundes Land, Mit seinen Eichen, seinen Linden, Werd' ich es immer wiederfinden.
Nach Deutschland lechzt' ich nicht so sehr, Wenn nicht die Mutter dorten wär'; Das Vaterland wird nie verderben, Jedoch die alte Fraau kann sterben.
Seit ich das Land verlassen hab', So viele sanken dort in's Grab, Die ich geliebt - wenn ich sie zähle, So will verbluten meine Seele.
Und zählen muß ich - Mit der Zahl Schwillt immer höher meine Qual, Mir ist als wälzten sich die Leichen Auf meine Brust - Gottlob! sie weichen!
Gottlob! durch mein Fenster bricht Französisch heit'res Tageslicht; Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen, Und lächelt fort die deutschen Sorgen.
(Heinrich Heine)
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Karin
antwortete am 18.11.01 (15:30):
Zwischen Herbst und Winter
Die Krähen stehen im Baum und frieren. Das Laub ist gelb geworden, und ich glaub, der Baum wird es verlieren.
Die süßen Zuckerrüben fahren täglich in die Stadt. Den frechen Staren, ganzen Scharen, bleibt ein Kirschbaumblatt.
Die Störche sind auch abgereist, eh sie den letzten Frosch verspeist. In seinen Ufern ruht der See. Erst gibt es Eis und später Schnee.
Der Sturm pflückt alle Äste leer, er streut die Vögel wüst umher; die Sterne tanzen, glitzern und abends heult der Nebelhund.
Schnell rennt das Kind ins Dorf hinein, da ihm die Ohren frieren; es will am warmen Ofen sein. Es schlägt voll Kraft das Brennholz klein und schließt die Zimmertüren.
(Sarah Kirsch)
Einen schönen kuscheligen Sonntag!
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sieghard
antwortete am 18.11.01 (21:26):
Friedrich Nietzsche (1844-1900)
Vereinsamt
Die Krähen schrein Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt: Bald wird es schnein. - Wohl dem, der jetzt noch - Heimat hat!
Nun stehst du starr, Schaust rückwärts, ach! wie lange schon! Was bist du Narr Vor Winters in die Welt entflohn?
Die Welt - ein Tor Zu tausend Wüsten stumm und kalt! Wer das verlor, Was du verlorst, macht nirgends halt.
Nun stehst du bleich, Zur Winter-Wanderschaft verflucht, Dem Rauche gleich, Der stets nach kältern Himmeln sucht.
Flieg, Vogel, schnarr Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! - Versteck, du Narr, Dein blutend Herz in Eis und Hohn!
Die Krähen schrein Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt: Bald wird es schnein, - Weh dem, der keine Heimat hat!
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Heidi
antwortete am 18.11.01 (21:57):
auch das von Nietzsche :-)
Nach neuen Meeren
Dorthin - will ich; und ich traue Mir fortan und meinem Griff. Offen liegt das Meer; ins Blaue Treibt mein Genueser Schiff.
Alles glänzt neu und neuer, Mittag schläft auf Raum und Zeit - Nur dein Auge - ungeheuer Blickt mich's an, Unendlichkeit!
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Brita
antwortete am 18.11.01 (22:22):
...Als Friedrich Nietzsche starb, hat er nichts von seinem beginnenden Ruhm gewußt...
Die Feder kritzelt
Die Feder kritzelt: Hölle das! Bin ich verdammt zum Kritzeln-Müssen? - So greif' ich kühn zum Tintenfaß Und schreib' mit dicken Tintenflüssen. Wie läuft das hin, so voll, so breit! Wie glückt mir alles, wie ich's treibe! Zwar fehlt der Schrift die Deutlichkeit - Was tut's? Wer liest denn, was ich schreibe?
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Karin
antwortete am 19.11.01 (08:29):
Bei uns ist es zwar noch nicht so weit, aber bei anderen gewiß schon:
Wintergedicht
Ein Fichtenbaum steht einsam Im Norden auf kahler Höh. Ihn schläfert; mit weißer Decke Umhüllen ihn Eis und Schnee.
Er träumt von einer Palme Die, fern im Morgenland, einsam und schweigend trauert Auf brennender Felsenwand.
(Heinrich Heine)
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Ulrike
antwortete am 19.11.01 (11:16):
Hallo Karin, bei uns auch nicht, daher dies:
Der Winter schaute kurz vorbei Umgab uns schnell mit Nebel Wir sind ihm schnurz und einerlei Er sitzt am läng´ren Hebel
Liebe Grüße an alle und eine schöne Woche.
Ulrike
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Rosmarie Vancura
antwortete am 19.11.01 (12:22):
Novembergang ____________
Durch den grauen Novembertag geht mein Schritt.-Wohin? Irgendwohin, denn ich weiss den Weg nicht, der mir bestimmt sein mag. Ich gehe langsam und ungewiss, in das graue Nichts, in ein Nebelreich, das November heisst. Wer geht noch neben mir? Gestalten, ungenau wie ich, schattenhaft, fremd, ohne Kontur, wie der Strauch, wie der Baum, eines des anderen Gespenst.
Herbstlich verzaubertes Land, der Trost des flammenden Laubes ist ausgelöscht und entrückt, das Auge sucht müde die Spuren des Lebens in dieser tödlichen Zeit.
Irgendwo, weit über den Schleiern, weiss ich die Sonnenbahn, und der lebendigen Wiederkehr erinnert sich die trauernde Kreatur.- Durch den grauen Novembertag geht beschwingter mein Schritt, irgendwohin, wo die Zweifel wie Nebel verwehn,
Gebhard Schuhböck
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Dela Risse
antwortete am 19.11.01 (20:35):
Ich grüsse Euch, Eure Gedichte sind wundervoll!
An meinen Schutzengel
Aus: Mascha Kaléko, In meinen Träumen läutet es Sturm Mascha Kaléko war Tochter jüdischer Eltern, emigrierte 1938 in die USA.
Den Namen weiss ich nicht. Doch du bist einer Der Engel aus dem himmlischen Quartett, Das einstmals, als ich kleiner war und reiner, Allnächtlich Wache hielt an meinem Bett.
Wie du auch heisst- seit vielen Jahren schon Hältst du die Schwingen über mich gebreitet Du hast, der Toren guter Schutzpatron, Durch Wasser und durch Feuer mich geleitet.
Du halfst dem Taugenichts, als er zu spät Das Einmaleins der Lebensschule lernte. Und meine Saat, mit Bangen ausgesät, Ging auf und wurde unverhofft zur Ernte.
Seit langem bin ich tief in deiner Schuld. Verzeih mir noch die eine -letzte- Bitte: Erstrecke deine himmlische Geduld Auch auf mein Kind und lenke seine Schritte.
Er ist mein Sohn. Das heisst: er ist gefährdet. Sei um ihn tags, behüte seinen Schlaf. Und füg es, dass mein liebes schwarzes Schaf Sich dann und wann ein wenig weiss gebärdet.
Gib du dem kleinen Träumer das Geleit. Hilf ihm vor Gott und vor der Welt bestehen. Und bleibt dir dann noch freie Zeit, Magst du bei mir auch nach dem Rechten sehen.
(Internet-Tipp: https://www.meiningsen.de)
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Karin
antwortete am 20.11.01 (08:34):
Hab auch eines von M.K.:
Katzenjammermonolog
Zuweilen möchte man aus sich heraus und kann die Tür ins Freie doch nicht finden. Dann schnüffelt man vielleicht mal nach den Gründen und kriecht noch tiefer in sein Schneckenhaus.
Man müßte vieles tun und manches lassen, und kann das eine wie das andere nicht. Man denkt an manche unerfüllte Pflicht, bis sich die Dinge dann mit uns befassen.
So vieles tut man rasch in Acht und Bann mit Augen, die geschlossen schon erblinden. Doch auch das Schicksal hat so dann und wann auf unserem Konto Unterlassungssünden.
Mitunter scheints, man sei nun endlich da, - Am Ziel, von dem man schüchtern nur geträumt hat - Da plötzlich merkt man, daß man was versämt hat, Ein dummes Etwas nur. Beinah ... beinah.
Wenn man ein zweites Mal geboren würde, Dann finge man das Leben anders an. - Vielleicht, daß dann so manches anders würde... (Vorausgesetzt, daß man vergessen kann-)
Daß man vergessen kann, was man erfahren. Man horcht sehr oft zu viel in sich herum. Am bestenwär es, klug zu sein und stumm. Man ist zuweilen alt mit zwanzig Jahren.
(MASCHA KALEKO)
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Dela
antwortete am 20.11.01 (13:33):
Und noch eines?
Stickmuster-Spruch fürs Kopfkissen
Sobald man beginnt, Gespenster zu sehen, Und spärlich bekleidet Spazierenzugehen, Von Türmen zu sinken, Im Bad zu ertrinken, -sobald man sich duzt Mit Dämonen und Drachen, Empfiehlt es sich, schleunigst Aufzuwachen.
(Mascha Kaléko)
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Luzia
antwortete am 20.11.01 (13:42):
Elternlied
Kinder laufen fort. Lang her kann's noch gar nicht sein kamen sie zur Tür herein, saßen zwistiglich vereint alle um den Tisch.
Kinder laufen fort. Und es ist schon lange her schlechtes Zeugnis kommt nicht mehr, Stunden Ärgers,Stunden schwer: Scharlach, Diphterie!
Kinder laufen fort. Söhne hängen Weibern an, Töchter haben ihren Mann. Briefe kommen, dann und wann, nur auf einen Sprung.
Kinder laufen fort. etwas nehmen sie doch mit. Wir sind ärmer, sie sind quitt. Und die Uhr geht Schritt für Schritt um den leeren Tisch.
Franz Werfel, er lebte von 1890 - 1945
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Rosmarie Vancura
antwortete am 21.11.01 (19:41):
Ich riskiers mit nachstehendem Gebet der unbekannten Äbtissin. Die, denen es bekannt ist, lassen das Lesen. Es könnte übrigens ebensogut aus der Feder eines Abtes stammen und ist nicht nur für Frauenohren gedacht.
Gebet einer unbekannten Äbtissin ________________________________
Herr du weisst, dass ich altere und bald alt sein werde. Bewahre mich davor schwatzhaft zu werden und besonders vor der Gewohnheit bei jeder Gelegenheit und über jedes Thema mitreden zu wollen. Befreie mich vor der Einbildung, ich müsse anderer Leute Angelegenheiten in Ordnung bringen. Bei meinem ungeheuren Schatz an Erfahrung und Weisheit ist's freilich ein Jammer, nicht jedermann daran teilhaben zulassen. Aber du weisst, Hrr dass ich am Ende doch noch ein paar Freunde brauche
Ich wage nicht,dich um die Fähigkeit zu bitten, die Klagen meiner Mitmenschen über ihre Leiden mit nie versagender Teilnahme anzuhören. Hilf mir nur, sie mit Geduld zu ertragen und verdsiegle meinen Mund, wenn es sich um meine eigenen Kümmernisse und Gebresten handelt Sie nehmen zu mit den Jahren und meine Neigung, sie aufzuzählen, wächst mit ihnen.
Ich will dich auch nicht um ein besseres Gedaächtnis bitten, nur um etwas mehr Demut und weniger Selbstsicherheit, wenn meine Erinnerungen nicht mit denen anderer übereinstimmen. Schenk mir doch die wichtige Einsicht,dass ich mich irren kann.
Hilf mir, einigermassen milde zu bleiben. Ich habe nicht den Ehrgeiz eine Heilige zu werden, (mit manchen von ihnen ist so schwer auszukommen) aber ein scharfes, altes Weib ist eines der Meisterwerke des Teufels.
Mache mich teilnehmend, aber nicht sentimental, hilfsbereit, aber nicht aufdringlich. Gewähre mir, dass ich gutes finde, wo ich es nicht vermutet habe und Talente bei Leuten denen ich sie nicht zugetraut hätte. Und schenke mir Herr, die Liebenswürdigkeit es ihnen zu sagen.
Amen
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Stephan Drissen-Reyntjes
antwortete am 21.11.01 (22:47):
Gruß und Dank an alle Lyrik-Feunde, besonders an die kunstsinnige Rosmarie; hier mein Gedicht, das der Arbeiterprister Cardenal (Nicaragua) schrieb für eine der bekanntesten Frauen dieser Welt, ein Gebet für uns alle...:
ERNESTO CARDENAL: Gebet für Marilyn Monroe
Herr, nimm dieses Mädchen auf, das die ganze Welt kannte als Marilyn Monroe, obwohl dies nicht ihr wirklicher Name war, (doch Du kennst ihren Namen, den Namen des Waisenkindes, das vergewaltigt wurde mit 9 Jahren, den Namen der kleinen Verkäuferin, die mit 16 versuchte, ihrem Leben ein Ende zu machen) dieses Mädchen, das jetzt vor Dir steht, ohne jedes Make-up, ohne ihren Manager, ohne Fotografen, ohne Autogramme zu geben, einsam wie ein Astronaut vor der Nacht des Universums. Als Kind träumte sie, daß sie nackt in einer Kirche stand, (so stand's in der Time) vor einer knienden Menge, die Köpfe geneigt bis zur Erde, und sie mußte auf Zehenspitzen gehen, um die Köpfe nicht zu zertreten. Du kennst unsere Träume besser als alle Psychiater. Kirche, Haus, Höhle - das bedeutet Sicherheit des mütterlichen Schoßes, aber doch auch mehr als das Die Köpfe sind die Bewunderer, das ist klar, (die Masse der Köpfe in der Dunkelheit, erhellt von einem Lichtstrahl) doch der Tempel ist keins der Studios der 20th Century-Fox. Der Tempel - Heiligtum aus Marmor und Gold - ist der Tempel ihres Körpers. Und dort steht der Menschensohn mit einer Peitsche in der Hand und treibt sie aus, die Händler der 20th Century, die Dein Bethaus zu einer Räuberhöhle machten.
Herr, in dieser Welt, die verseucht ist von Sünde und Radioaktivität, sprichst Du eine kleine Verkäuferin nicht schuldig, die wie alle kleinen Verkäuferinnen davon träumte, ein Filmstar zu sein. Ihr Traum wurde Wirklichkeit (doch eine Wirklichkeit in Technicolor). Sie agierte nur nach dem Drehbuch, das wir ihr gaben - das Drehbuch unseres eigenen Lebens - es war ein absurdes Script. Vergib ihr, Herr, und vergib uns allen unser 20th Century, diese Kolossal-Superproduktion, an der wir alle Anteil haben.
Sie hungerte nach Liebe, und wir boten ihr Beruhigungsmittel. Gegen die Traurigkeit, nicht heilig zu sein, empfahl man die Psychoanalyse. Denk, Herr, an ihre wachsende Angst vor der Kamera, an ihren Haß auf die Schminke - und sie schminkte sich für jede Szene und wie ihr Entsetzen immer größer wurde und wie sie immer unpünktlicher in den Studios erschien.
Wie jede kleine Verkäuferin träumte sie davon, ein Filmstar zu sein. Und ihr Leben war irreal wie ein Traum, den der Psychiater analysiert und zu den Akten legt. Ihre Liebesabenteuer waren wie ein Kuß mit geschlossenen Augen - und wenn man die Augen öffnet, merkt man, daß es nur ein Filmkuß war. Und dann löschen sie die Scheinwerfer! und demontieren die zwei einzigen Wände der Filmwohnung (es war ein kinematografischer Set) und der Regisseur geht mit dem Drehbuch davon, denn die Szene ist abgedreht. Oder wie eine Fahrt auf einer Yacht, ein Kuß in Singapur, ein Tanz in Rio, der Empfang im Landhaus des Herzogs und der Herzogin von Windsor - all das betrachtet in einem schäbig möblierten Zimmer. Der Film ist aus - doch ohne Happy-End. Man fand sie tot, den Hörer in der Hand. Und die Detektive wußten nicht, mit wem sie sprechen wollte. Es war wie wenn jemand die Nummer der einzigen Freundesstimme gewählt hat und eine Stimme vom Tonband hört, die schnarrt: WRONG NUMBER, oder wie wenn jemand, getroffen von der Kugel der Gangster, die Hand ausstreckt nach einem Telefon, das nicht angeschlossen ist.
Herr, wer es auch sei, den sie anrufen wollte und nicht erreichte (vielleicht war es auch niemand oder jemand, dessen Nummer nicht im Telefonbuch von Los Angeles steht)
nimm Du den Hörer ab! (Aus: Ein seltsamer Briefträger. Hrsg. v. Hermann Schulz. Wuppertal 1996: Peter Hammer Verlag. S. 47ff.)
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Luzia
antwortete am 21.11.01 (22:57):
Die Weihe der Nacht
Nächtliche Stille! Heilige Fülle, wie von göttlichem Segen schwer, säuselt aus ewiger Ferne daher.
Was da lebte, was aus engem Kreise auf ins Weitste strebte, sanft und leise sank es in sich selbst zurück und quillt auf in unbewußtem Glück.
Und von allen Sternen nieder strömt ein wunderbarer Segen, daß die müden Kräfte wieder sich in neuer Frische regen, und aus seinen Finsternissen tritt der Herr, so weit er kann, und die Fäden, die zerrissen, knüpft er alle wieder an.
Friedrich Hebbel
Ich wünsche allen eine gute Nacht.
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Karin
antwortete am 22.11.01 (07:45):
Das traurige Röslein
Ein Röslein war gar nicht munter, weil es im Topfe stand, Sah immer traurig hinunter Auf die Blumen im freien Land. Die Blumen nicken und winken: »Wie ist es im Freien so schön, Zu tanzen und Tau zu trinken Bei lustigem Windeswehn. Von bunten Schmetterlingen Umgaukelt, geschmeichelt, geküßt; Dazwischen der Vöglein Singen Anmutig zu hören ist. Wir preisen dich und loben Dich, fröhliche Sommerzeit; Ach, Röslein am Fenster droben, Du tust uns auch gar zu leid.« Da ist ins Land gekommen Der Winter mit seiner Not. In Schnee und Frost verklommen, Die Blumen sind alle tot. Ein Mägdlein hört es stürmen, Macht fest das Fenster zu. Jetzt will ich dich pflegen und schirmen, Du liebes Röslein du.
(Wilhelm Busch)
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sieghard
antwortete am 22.11.01 (09:18):
Manche Menschen wissen nicht, wie wichtig es ist, dass sie einfach da sind.
Manche Menschen wissen nicht, wie gut es tut, sie nur zu sehen.
Manche Menschen wissen nicht, wie tröstlich ihr gütiges Lächeln wirkt.
Manche Menschen wissen nicht, wie wohltuend ihre Nähe ist.
Manche Menschen wissen nicht, wie viel ärmer wir ohne sie wären.
Manche Menschen wissen nicht, dass sie Geschenk des Himmels sind.
Sie wüssten es, würden wir es ihnen sagen.
[Paul Celan] .
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eva
antwortete am 22.11.01 (11:55):
Mitternachtsballade
Es treiben die Wolken, das Käuzchen lacht, der Mond scheint auf die Dächer; die Tante Clothilde um Mitternacht spukt durch die alten Gemächer.
Die Türen klappern, Gebälk das ächzt, ein Ahnenbild blickt so traurig; vom Turm der Mitternachtsrabe krächzt, wie ist die Nacht so schaurig !
Ja, die alte Tante Clothilde, sie findet im Grab keine Ruh´, in der Jugend war sie zu wilde, nun seufzt sie : huhu, huhu ...
Ritter Kuno in blutigem Leichentuch, beladen mit einem gräßlichen Fluch, kommt manchmal auf kurze Visite vorbei, damit sie nicht so einsam sei.
Dann plaudern die beiden zusammen, umlodert von höllischen Flammen, vom Jagen, Tanzen und Reiten und allerlei Grausamkeiten und denken vergangener Zeiten ...
eKr
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Rosmarie Schmitt
antwortete am 22.11.01 (20:16):
Liebe Eva, verzeih mir , ich konnte es nicht lassen und habe deine köstliche Mitternachtsballade weitergedichtet...
Und wenn dann das Käuzchen zum zweiten Mal lacht, so tanzen die beiden nach Mitternacht. sie drehn sich und flirten und lachen, gedenken pikanterer Sachen.
Und ehe beim Frühlicht das Hähnchen kräht, sind beide Gespenster zusammengedreht. Des blutigen Kunos Leichentuch wurde Clothildes gräßlicher Fluch.
Als feste Wurst verflochten, verdreht sie ihrem Kuno zur Seite steht. So eng aber haben nun beide nicht gerade die wahre Freide...
Drum lerne aus dieser Gespensternot: Besser lebend getanzt als im leintuch und tot.
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sieghard
antwortete am 23.11.01 (09:17):
Rondel
Verflossen ist das Gold der Tage, Des Abends braun und blaue Farben: Des Hirten sanfte Flöten starben Des Abends braun und blaue Farben Verflossen ist das Gold der Tage.
Georg Trakl (1887-1914) .
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Ulrike
antwortete am 23.11.01 (12:10):
MEMENTO
Kannst dem Schicksal widerstehen, Aber manchmal gibt es Schläge; Wills nicht aus dem Wege gehen, Ei! so geh du aus dem Wege!
(Goethe)
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eva
antwortete am 23.11.01 (15:02):
Liebe Rosmarie - auch mir fiel in der Strassenbahn noch ein Vers zu meiner "Mitternachtsballade" ein :
Und wenn es den beiden manchmal gelingt, einen Ur-Urenkel zu schrecken, dann lachen sie, dass es schauerlich klingt, und kichern in dunklen Ecken ... -
aber Deine Fortsetzung ist tausendmal besser !! In diesem Sinne mit klappernden Zähnen --- eva
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Luzia
antwortete am 23.11.01 (15:17):
Hier noch ein kurzer Goethe
Laß nur die Sorge sein, das gibt sich alles schon; und fällt der Himmel ein, kommt doch eine Lerche davon.
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Karin
antwortete am 23.11.01 (15:37):
Für die, die's mögen:
Ostpreußenlied "Land der dunklen Wälder"
Land der dunklen Wälder und kristallnen Seen, über weite Felder lichte Wunder gehn.
Starke Bauern schreiten hinter Pferd und Pflug; über Ackerbreiten streicht der Vogelzug.
Tag hat aufgegangen über Haff und Moor. Licht ist aufgegangen steigt im Ost empor.
Heimat,wohlgeborgen zwischen Strand und Strom, blühe heut und morgen unterm Friedensdom.
Und die Meere rauschen den Choral der Zeit, Elche stehn und lauschen in die Ewigkeit
(Melodie von Herbert Brust 1930 / Text von Erich Hannighofer)
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Karin
antwortete am 23.11.01 (15:42):
Speziell für M.K.-Anhängerinnen!
Für Einen
Die Andern sind das weite Meer, Du aber bist der Hafen; So glaube mir, kannst ruhig schlafen, ich steure immer wieder her. Denn all die Stürme, die mich trafen, sie ließen meine Segel leer. Die Andern sind das bunte Meer, Du aber bist der Hafen. Du bist der Leuchtturm, letztes Ziel, kannst, Liebster, ruhig schlafen. Die Andern, das ist Wellenspiel, Du aber bist der Hafen.
(Mascha Kaléko)
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Dela
antwortete am 23.11.01 (16:16):
Ich bin gluecklich, diese Foren im ST gefunden zu haben.....und dann oft schon zum Fruehstueck Lyrik in einer Mail. Danke!
Nichts ist
-sagt der Weise. Du laesst es erstehen. Es wird mit dem Wind Deines Atems verwehen Unmerklich und leise. Nichts ist. Sagt der Weise.
(Mascha Kaléko)
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Brita
antwortete am 23.11.01 (16:34):
Das berühmte Gefühl
Als ich zum ersten Male starb, -Ich weiß noch, wie es war. Ich starb so ganz für mich und still, Das war zu Hamburg, im April, Und ich war achtzehn Jahr.
Und als ich starb zum zweiten Mal, Das Sterben tat so weh. Gar wenig hinterließ ich dir: Mein klopfend Herz vor deiner Tür, Die Fußspur rot im Schnee.
Doch als ich starb zum dritten Mal, Da schmerzte es nicht sehr. So altvertraut wie Bett und Brot Und Kleid und Schuh war mir der Tod. Nun sterbe ich nicht mehr.
Mascha Kaléko
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Brita
antwortete am 23.11.01 (17:01):
Föhn
Blinde Klage im Wind, mondene Wintertage, Kindheit, leise verhallen die Schritte an schwarzer Hecke, Langes Abendgeläut. Leise kommt die weiße Nacht gezogen,
Verwandelt in purpurne Träume Schmerz und Plage Des steinigen Lebens, Daß nimmer der dornige Stachel ablasse vom ver- wesenden Leib.
Tief im Schlummer aufseufzt die bange Seele.
Tief der Wind in zerbrochenen Bäumen, Und es schwankt die Klagegestalt Der Mutter durch den einsamen Wald
Dieser schweigenden Trauer; Nächte, Erfüllt von Tränen, feurigen Engeln. Silbern zerschellt an kahler Mauer ein kindlich Gerippe.
Georg Trakl
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Ulrike
antwortete am 23.11.01 (17:09):
Sie hat aber auch tolle Sachen gemacht:
Aus dem Leben eines Einzelgängers
Einen Tagedieb Schelten mich die Nachbarn Doch ich Schon früh Im Schweiße meines Angesichtes Säge an dem Ast, auf dem ich sitze, Überprüfe meine brachliegenden Äcker und Werfe fleißg die Flinte ins Korn.
Schlägt es dreizehn Löffle ich fromm die Suppe aus, die ich mir Eingebrockt habe, und beiße zufrieden In den sauren Apfel. Ein gutes Gewissen ist der beste Koch.
Kommt Besuch, Setze ich die Herren Gemütlich zwischen zwei Stühle, Die Damen in Verlegenheit und Mich selbst in die stets bereiten Brennesseln.
Zu festlichen Gelegenheiten Schlage ich dem Faß den Boden aus und Schlachte die Henne, die die goldenen Eier legt. Carpe Diem! Das heißt: Nütze den Tag!
Endlich Feierabend. Ich lege mich auf die wohlverdiente Bärenhaut, falte die Hände In den Schoß und Träume Von aller Tage Abend.
(Mascha)
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Schorsch
antwortete am 23.11.01 (17:48):
"....aber Deine Fortsetzung ist tausendmal besser !! In diesem Sinne mit klappernden Zähnen --- eva...."
Es klappern die Zähne im lustigen Reigen, es tönt ganz entsetzlich durchs Haus; achtung ihr Klapperer, ich werds euch zeigen; ich nehm euch ganz einfach heraus....
(;--)))))))
Mit klapprigen Grüssen Schorsch
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Karin
antwortete am 24.11.01 (14:08):
Betrifft: Erster Schnee
Eines Morgens leuchtet es ins Zimmer, und du merkst: 's ist wieder mal soweit. Schnee und Barometer sind gefallen. Und nun kommt die liebe Halswehzeit.
Kalte Blumen blühn auf Fensterscheiben. Fröstelnd seufzt der Morgenblattpoet: "Winter lässt sich besser nicht beschreiben, als es schon im Lesebuche steht."
Blüten kann man noch mit Schnee vergleichen, doch den Schnee... Man wird zu leicht banal. Denn im Sommer ist man manchmal glücklich, doch im Winter nur sentimental.
Und man muss an Grimmsche Märchen denken Und an einen winterweißen Wald Und an eine Bergtour um Silvester. Und dabei an sein Tarifgehalt.
Und man möchte wieder vierzehn Jahr sein: Weihnachtsferien ... Mit dem Schlitten raus! Und man müsste keinen Schnupfen haben, sondern irgendwo ein kleines Haus,
und davor ein paar verschneite Tannen, ziemlich viele Stunden vor der Stadt. Wo es kein Büro, kein Telefon gibt. Wo man beinah keine Pflichten hat.
Ein paar Tage lang soll nichts passieren! Ein paar Stunden, da man nichts erfährt. Denn was hat wohl einer zu verlieren, dem ja doch so gut wie nichts gehört.
(Mascha Kaléko)
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Brita
antwortete am 25.11.01 (08:21):
Stille Winterstraße
Es heben sich vernebelt braun Die Berge aus dem klaren Weiß, Und aus dem Weiß ragt braun ein Zaun, Steht eine Stange wie ein Steiß.
Ein Rabe fliegt, so schwarz und scharf, Wie ihn kein Maler malen darf, Wenn er's nicht etwa kann. Ich stapfe einsam durch den Schnee. Vielleicht steht links im Busch ein Reh Und denkt: Dort geht ein Mann.
Joachim Ringelnatz
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Rosmarie Vancura
antwortete am 26.11.01 (07:50):
Schon wieder wühlt sich dein Gesicht in irgendeine Weichheit ein. So zart umfangen, so vertraut das muss doch Liebe sein.
Jetzt ist nur wichtig. dass man spürt das Denken hat dir Angst gemacht. Nun eine Hand, die schmiegt und führt und dann den Frieden einer Nacht.
Wozu noch weiter, Kuss und Sand und etwas Wärme sind genug. Der Himmel schweigt. Das hat Bestand. Und alles andre ist Betrug.
Konstantin Wecker
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Karin
antwortete am 26.11.01 (08:38):
Ein Liedertext:
Jahre
Die Zeit vergeht, wir werden langsam alt, ich strahle die Liebe nicht mehr zurück wie gestern, in jede Unterhaltung, in jeden Kuss, in jede Umarmung drängt sich immer ein Stück Vernunft.
Wir leben fort und sehen wie die Stunden vergehen, die alten Diskussionen verlieren sich in der Vernunft, während Jahre vorher, deine Hand zu nehmen, dir einen Kuss zu stehlen ohne den Moment zu erzwingen, Teil einer Wahrheit waren.
Weil die Zeit vergeht, werden wir langsam alt, ich strahle die Liebe nicht mehr zurück wie gestern, in jede Unterhaltung, in jeden Kuss, in jede Umarmung drängt sich immer ein Stück Vernunft.
Du sagst zu allem ja, zu nichts sage ich nein, um diese gewaltige Harmonie aufbauen zu können, die die Herzen alt werden lässt.
Denn die Zeit vergeht, wir werden langsam alt, ich strahle die Liebe nicht mehr zurück wie gestern, in jede Unterhaltung, in jeden Kuss, in jede Umarmung drängt sich immer ein Stück Furcht.
(von Mercedes Sosa)
Einen schönen Wochenbeginn wünscht allen Karin.
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Karin
antwortete am 26.11.01 (08:44):
Ein Winterabend
Wenn der Schnee ans Fenster fällt, Lang die Abendglocke läutet, Vielen ist der Tisch bereitet Und das Haus ist wohlbestellt.
Mancher auf der Wanderschaft Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden. Golden blüht der Baum der Gnaden Aus der Erde kühlem Saft.
Wanderer tritt still herein; Schmerz versteinerte die Schwelle. Da erglänzt in reiner Helle Auf dem Tische Brot und Wein.
(Georg Trakl)
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Ulrike
antwortete am 27.11.01 (19:57):
Form
Ist die Form auch festgeschlossen, Immer noch ist´s kein Gedicht, Wenn um den Gedanken nicht Stetig sich das Wort gegossen.
Werfen noch die Worte Falten, Kein lebend´ger Leib, nur Kleid, Was sie wecken, Lust und Leid, Wird im Hörer bald erkalten.
Hört den losen Kern er klappern Wie Toneisenklapperstein, Mag das Wort gemeistert sein, Ist es doch nur dürres Plappern.
Nikolaus Lenau 1844
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admin
antwortete am 27.11.01 (22:38):
Gedichte 19 wird archiviert und kann unter
/seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a190.html
nachgelesen werden.
Die Mailadressen werden wieder auf Kapitel 20 übertragen
(Internet-Tipp: https:///seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a190.html)
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