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miteinander bekannt 40.

Die Autorin stellt fest, dass ältere Menschen zwar zu dem Muster des painful self-disclosure,

vor allem im Hinblick auf die Gegenwart, neigten; bezogen auf die Vergangenheit gaben sie

jedoch eher eine positive Bewertung ab. Sachweh spricht von einer ,,unausgesprochenen Norm

[...], derzufolge man keinen Zweifel an dem eigenen Bemühen um positives Denken aufkommen

lassen darf" 41. Sprachlich schlägt sich dies nieder in Steigerungspartikeln wie ,,sehr", manchmal

intensiviert durch Wiederholung (sehr, sehr schöne Schulzeit gehabt). Laut Sachweh gilt ,,die

Konzentration älterer Menschen auf positive Aspekte und positive Umdeutungen von Erlebtem

u.a. als akkommodative, selbstwertdienliche Formen der Bewältigung von immer

eingeschränkteren gesundheitlichen, sozialen und lebenszeitlichen Handlungsressourcen" 42.

Ein Beispiel von Svenja Sachweh sei hier exemplarisch wiedergegeben 43:


Frau H:in innsbruck waren solche lateinische * >ähm äh<
Verse oder was was mir/
#hic locus est ubi mors gaudet succurere vitae# REZITIERT
sie könn natür=ch latein
Sachweh:ja
Frau H:ja nech s doch schö:nnech
Sachweh:ja


Aus diesem Beispiel geht hervor, dass es der Sprecherin wichtig ist, ihre positive Bewertung mit

der Gesprächspartnerin zu teilen und von ihr verstanden zu werden. Es zeigt sich darin, dass sie

sich vergewissert, dass die Interviewerin Latein kann, in anderen Beispielen geht es um

medizinische, zeitgeschichtliche oder regionale Begriffe, die die Sprecherinnen jeweils erklären,

um einen Konsens sicherzustellen.

Sachweh berichtet von einer 82-Jährigen, die ausgerechnet die Kriegszeit als ihre schönste Zeit

bezeichnet, oder von einer 78-jährigen früheren Volksschullehrerin,die ihre Vergangenheit

metaphorisch verklärt, indem sie ihr Gefühl ausdrückt, dass ,,früher immer die Sonne geschienen

hätte" 44. Krieg und Nazi-Diktatur blendet sie dabei aus wie eine 81-Jährige, die die eigene

Verstrickung in das NS-Regime verharmlost und schönfärbt. Auffallend ist, dass Äußerungen

Betroffener darüber häufig nicht mit dem Pronomen ,,ich", sondern mit ,,man" verallgemeinernd

und distanzierend fallen, d.h. die Person offenbar doch nicht ganz so dahintersteht, wie sie

vorgibt.


Während ihrer Arbeit hat Sachweh außerdem die Feststellung gemacht, dass auch ihre Tätigkeit

als Interviewerin von den Älteren ,,übertrieben positiv und der Situation nicht angemessen" 45

bewertet wurde, und deutet es als eine Form des Patronisierens oder ,,overparenting", also eine