,,Ich dich auch nicht", sagte sie schließlich.
Reiner dachte bei sich, das sei ja nicht gerade verwunderlich, denn mit Schulmädchen pflegte er normalerweise keinen Umgang.
,,Und - wie alt bist du?" fragte er nochmals, weil er glaubte, sie könnte noch jünger sein, als er sie schätzte, und wollte deshalb mit der Antwort
nicht herausrücken.
,,Was glaubst du?" war ihre Gegenfrage.
Das war nun doch ziemlich unangenehm. Ältere Damen musste man immer jünger schätzen, das wusste er. Kinder dagegen wollten lieber älter
sein als sie tatsächlich waren, das wusste er auch. ,,Wenn ich einmal groß bin", das hatte er selbst oft genug gesagt. Wenn sie nur nicht so
verdammt gut tanzen würde, das passte gar nicht zu ihrem Alter. Unter ihrer Dirndlbluse zeichneten sich zwei kleine Wölbungen ab. Aber das
war kein sicherer Hinweis, das beginnt ja schon mit Vierzehn oder früher. Na, von so einem jungen Ding wird er sich doch nicht in
Verlegenheit bringen lassen, dachte Reiner und legte auf seine ursprüngliche Schätzung noch ein Jahr drauf:
,,Höchstens Fünfzehn", sagte er und erwartete, dass sie verlegen sagen würde: ,,Noch nicht ganz, aber bald".
Sie erwiderte zunächst gar nichts und schwebte mit genau soviel Gewicht in seinen Arm, wie nötig war, um beim nächsten Takt sich kaum
fühlbar anzuschmiegen. Reiner wurde immer verlegener. Hatte er jetzt doch etwas Falsches gesagt? Es wurde ihm fast zur Gewissheit, eine
Dummheit gesagt zu haben. Sie genoss es offensichtlich, ihn zappeln zu lassen.
Bei der nächsten Drehung lag sie so in seinen Arm, dass er ihr voll ins Gesicht sehen konnte. Er sah zwei verträumte, tiefgründige Augen, die
ihn anstrahlten. In diesem Moment kam ihm der Gedanke: ,,Muss der Mann glücklich sein, den diese Augen verliebt anschauen!" Er wusste
jetzt auch, dass es diese Augen waren, die ihn bewogen hatten, sie und nur sie zum Tanz zu holen. Mit leiser, aber fester Stimme sagte sie:
,,Ich bin Neunzehn!"
Das schlug ein wie ein Blitz! Mit einem feinen Lächeln hatte sie den Kopf wieder etwas zur Seite gedreht und tanzte mit seliger Hingabe.
Reiner wäre am liebsten stehen geblieben und vor Verlegenheit in den Boden gesunken. Hatte er geglaubt, fast noch ein Kind zum Tanz geholt
zu haben! Neunzehn - wirbelte es in seinem Kopf - Neunzehn, kein Kind mehr! Neunzehn - eine junge Frau! Wie alt war eigentlich seine
Traumfrau? Um ganz sicher zu sein,fragte er noch einmal, obwohl sie nicht den Eindruck machte, geschwindelt zu haben:
,,Das gibt's nicht! - Wirklich Neunzehn?"
,,Neunzehn - schon ein paar Monate drüber", sagte sie.
Sie kam kein Bisschen aus dem Rhythmus und zeigte ein so inniges Lachen mit ihrem Strahlen in den Augen, dass bei Reiner ein ganz
seltsames, bisher nie gekanntes Kribbeln durch den Körper huschte. Er wagte jetzt erstmals, sie richtig anzusehen. Er wagte es, sie fester in den
Arm zu nehmen. - Neunzehn! - Er hatte Mühe, nicht aus dem Takt zu kommen. Er konnte und wollte nicht noch mehr von seiner
Überraschung zeigen. Sie sollte seine Gedanken nicht erraten, sollte nichts von seinen Gefühlen ahnen. Es gelang ihm nur mühsam. -
Neunzehn! - Aber gleich wirbelte ein neuer Gefühlssturm in ihm hoch. Hatte er jetzt seine Traumfrau im Arm? Unsinn! Er kannte sie ja
überhaupt nicht.
Einen kurzen Moment stellte er sich vor, allein mit ihr zu sein und nur in diese Augen zu schauen. Von einer Sekunde zur anderen hatte sich in
ihm der Gedanke gefestigt, alles tun zu wollen, dass ihn eines Tages diese Augen verliebt anschauen würden. - Neunzehn! - Gleich wieder rief