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auch einmal ein Buch zu reden. Unnötig eigentlich zu erwähnen, dass es außer den genannten Möglichkeiten keine weiteren privaten Freizeitbeschäftigungen gab.
Old Joe musste dabei meist mit dem Fahrrad im Schritt fahren oder es schieben, Reiner besaß nämlich kein Fahrrad. Ohne Rad kam sich Reiner dabei oft sehr überflüssig und als Hemmnis vor.
Es war fast wie Weihnachten, als eines Abends im Sommer 1946 der Vater überraschend mit einem alten Rosthaufen, der sich bei näherer Betrachtung und einigermaßen gutem Willen als Fahrrad bezeichnen ließ, nach Hause kam. Mit Feuereifer wurde versucht, das alte Ding wieder zum Laufen zu bringen. Wenn auch die Schläuche vielfach geflickt und die abgefahrenen Reifen mehrfach unterlegt waren, fuhr dieses Jammergestell schließlich doch wieder.
Reiner war überglücklich, konnte er doch jetzt endlich mit Old Joe und den anderen mithalten. Ein Renommierfahrzeug war das Vehikel zwar nicht, aber auch Joes und der anderen Gruppenkameraden Fahrräder waren Vorkriegs- oder Kriegsprodukte. Ein paar Spuren von Lack und Chrom konnten sie aber alle noch vorweisen. An Reiners Gefährt war keine rostfreie Stelle zu entdecken.
Vollends zur Parodie eines Fahrrads wurde das Tretmobil, als Joe einen Topf mit schwarzer Lackfarbe (oder was er als solche bezeichnete) angeschleppt brachte und Reiner den Drahtesel von oben bis unten damit regelrecht einbalsamierte.
Old Joe stand dabei und grinste über beide Ohren, als er sah, wie Reiner nicht nur den Rahmen und die Schutzbleche, sondern auch Lenker und Felgen einpinselte. Joe lästerte:
,,Lass' das bloß niemand sehen, sonst bist du gleich überall der Zorro oder der Schwarze Ritter"und leiser fügte er hinzu: ,,von der traurigen Gestalt".
Reiner hatte auch die gemurmelte Schlussbemerkung gehört. Aber zum einen kannte er Old Joe, der immer sehr witzig sein wollte, und zum anderen war er so in seine Arbeit vertieft, dass er keine Lust verspürte sich mit Joe auf eines seiner beliebten Wortgefechte einzulassen.
Als Old Joe feststellen musste, dass er diesmal kein Glück mit Sticheleien hatte und sah, wie Reiner selbst die Pedale und die Speichen dieser Schönheitskur unterzog, trollte er sich pfeifend und kopfschüttelnd davon. Der Mühe, den gröbsten Rost und das abgeblätterte Chrom vorher zu entfernen, hatte Reiner sich gar nicht erst unterzogen. Alle durch Rostfraß entstandenen Unebenheiten verkleisterte er einfach mit einer umso dickeren Lackschicht. Reiner war der Meinung: lieber alles schwarz als alles rostig.
Old Joe, dem Reiner jeden Streich und Schabernack zutraute, schwor später tausend Eide, dass er die Folgen der Behandlung von Reiners Fahrrad mit seinem ,,Lack", weder gewusst und schon gar nicht beabsichtigt hatte. Reiner konnte das Gegenteil nicht beweisen und musste es glauben.
Als Reiner am nächsten Tag sein ,,Werk" besichtigte, war der Lack natürlich noch nicht trocken. Am Tag darauf war der Lack auch noch nicht trocken. Reiner war enttäuscht über das Aussehen seines guten Stücks. Der Lack, der im Topf noch einigermaßen geglänzt hatte, wirkte auf dem Fahrrad stumpf und unansehnlich. Er hoffte, dass beim Trocknen der Glanz sich von selbst einstellen würde oder jedenfalls durch kräftiges Polieren herauskommen würde. Wieder einen Tag später war die Farbe noch immer nicht trocken und weitere zwei Tage später dachte der Anstrich nicht im entferntesten ans Festwerden. Nach einer Woche klebte das Fahrrad von oben bis unten wie frisch gestrichen.