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Haus. Wasser und Sand standen immer an vorgeschriebenen Orten bereit. Die Bombe war glücklicherweise keine Phosphorbombe, und so fand das Brandmittel in der leeren Wohnung nicht sofort genügend Nahrung. Das Löschen der Bombe war für die beiden gut ausgebildeten Helfer dann eine kleinere Übung. Nur ausgerechnet auf das kleine Püppchen tropften einige Funken von dem Brandmittel. Wenn die Bombe nicht in der Decke stecken geblieben wäre, hätte es für das ganze Haus keine Rettung mehr gegeben.
Vater und Reiner gingen dann wieder zurück zum Luftschutzkeller, um Mutter und Hildegard zu holen. Auf der Straße blieb Reiner plötzlich erschrocken und wie angewurzelt stehen. Als er nun die Straße in der anderen Richtung entlang sah und die gewohnte Silhouette des Schulhauses erwartete, sah er nun ein völlig verändertes Bild. Der Mädchenflügel der Schule war fort. In all der Aufregung hatte er das vorher gar nicht bemerkt. Es war der zweite große Einschlag, der im Keller die schwere Fluchttüre aufspringen und im dahinterliegenden Raum den ganzen Deckenputz herunterstürzen ließ.
Auch der Tabakladen brannte, aber das registrierte Reiner schon nicht mehr und auch nicht, dass die Bäckerei unversehrt war, bis auf die Schaufensterscheibe und die gläserne Ladentüre, die zerbröselt im und vor dem Laden lagen.
Vaters Sanitätskolonnenführer hatte ihm über die Nachrichtenstation des SHD die kurze aber erfreuliche Nachricht zukommen lassen, dass bei seinen Eltern in Johannis nichts passiert sei. Dieser Nachrichtenweg war natürlich verboten. Auch seinen anderen Großeltern, die nicht sehr weit weg wohnten, machten Vater und Reiner noch einen kurzen Besuch und auch hier war außer geborstenen Fensterscheiben kein Schaden zu beklagen. An Schlaf war unter diesen Umständen natürlich nicht mehr zu denken.
Am nächsten Morgen sah im Tageslicht alles noch viel schlimmer aus. Obwohl Rauch und Qualm aus den Ruinen zusammen mit einem feinen Ascheregen das grelle Sonnenlicht dämpften, war das ganze Ausmaß der Zerstörungen deutlicher erkennbar, als in der rötlich flackernden Nacht. Hatten die nächtlichen Eindrücke noch etwas Unwirkliches, fast theatralisch Faszinierendes und durch die Glocke der Dunkelheit über den Bildern des Schreckens auch noch räumliche Begrenzung, so war die kalte Wirklichkeit im Tageslicht die schonungslose Bestätigung des Ausmaßes der Zerstörungen. Die Dokumentation der Hilflosigkeit und ein Manifest der Willkür. Über allem stand die unausgesprochene Frage nach dem Warum und die Suche nach Schuldigen!
Der Anblick des Unheils gönnte dem Geist keine Ruhe und raubte dem Körper den Schlaf und die notwendige Entspannung. In wenigen Minuten war aus der fast dörflichen Vorstadtidylle eine unwirklich und fremd wirkende Mischung aus Zerstörung, Beschädigung und fast an Wunder grenzende Unversehrtheit geworden Auf keinem Dach waren die Ziegel noch vollständig vorhanden. Das Gerippe der Dachsparren war darunter erkennbar und die restlichen Ziegel hatten über Nacht einen stumpfen grauen Puderüberzug erhalten. Das Laub der Bäume am Straßenrand und in den Gärten hatte den gleichen aschfahlen Überzug wie die Dächer und sein Grün schimmerte nur noch schwach hindurch.
Auf vielen der ausgebrannten Häuser waren die verkohlten Dachbalken noch vorhanden. Sie neigten sich zueinander, als wollten sie sich gegenseitig an den Händen stützen, um ein bizarres Spalier zu bilden über den Resten des Hauses das sie einmal vor dem Regen geschützt hatten. Zwischen den schwarzen Balken waren breite Streifen des verhangenen Himmels zu sehen, wo einmal Mansardenfenster auf die Menschen herunter geblickt hatten. Überall stieg noch dünner Rauch aus den Ruinen. Aus den Geröllhalden ragte verbeulter Hausrat und halbverschüttete angekohlte Schränke, Betten oder Tische und Stühle heraus.