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worden war. Die Luftmine, die auch die im Keller Schutz Suchenden zu Beginn des Hexensabbats so durchgerüttelt hatte, setzte die meisten Geschütze außer Gefecht und hatte den Munitionsbunker in die Luft gejagt. Es gab mehrere Tote und sehr viele Verletzte.
Die Schwestern, Reiner und die meisten der in Todesangst schwebenden Menschen in dem Keller beteten unablässig. Mit dem Näherkommen der Einschläge schwoll das Beten in der Lautstärke an, so als fürchteten die Beter, Gott könne sie bei dem Getöse sonst nicht hören.
Dieses qualvolle Auf und Ab der Empfindungen ließ die Menschen jedes Zeitgefühl verlieren. Keiner wusste so recht, wie lange alles gedauert hatte, als urplötzlich Stille eintrat. Es war eine beklemmende, vorsichtige Stille! Erst langsam wurde allen bewusst: es war vorbei! Für dieses Mal vorbei - man lebte noch!
Die Entwarnung nach solchen Angriffen war aber nicht immer nur Musik in den Ohren der geschundenen Menschen, sondern häufig das Signal zum zweiten Teil des Grauens. Nachdem der SHD im Keller immer genauestens über die Luftlage informiert war und dies auch den Wartenden mitteilte, holte Vater Reiner noch vor dem ersten Entwarnungston aus dem Keller.
Gleich vor der Tür stülpten sich dem Jungen unvergesslich schauerliche Eindrücke über. Die in der Verdunkelung sonst tiefschwarze Nacht sah nun wie von roten Scheinwerfern einer Theaterbühne angestrahlt aus. Es war fast wie ein kitschiger Sonnenuntergang. Die Bäume links und rechts des Treppenabgangs, der zum Sportplatz im Pegnitztal führte, waren wie mit schwarzer Farbe auf einen in kräftigem Rot gehaltenen Hintergrund gemalt, zwischen den Ästen und Blättern schimmerte es dunkelrot. Der Fußballplatz, der Weg daneben, die Wiesen und Felder, die ganze Gegend lag in fahles, rötlich flackerndes Licht getaucht vor ihm.
Das Wasser der Flussbiegung kräuselte sich wie rot und schwarz marmoriert und floss, als wenn nichts geschehen wäre, ungerührt und leise plätschernd, in seinem gewohnten Bett durch die kleine Badebucht. Die ganze Umgebung war ihm plötzlich fremd und unheimlich. Es war Reiner als wäre er von einer schauerlichen Hand von einem Moment zum andern aus seiner gewohnten Welt, die vor wenigen Augenblicken noch in Ordnung war, in einen neuen, fremden, chaotischen und gleichzeitig faszinierenden und unbegreiflichen Traum gehoben worden.
Über dem Talgrund hinweg war das Tafelwerk in einer schaurig schönen tiefroten Beleuchtung zu erkennen. Seine Ritterburg zu Weihnachten hatte eine ebensolche geheimnisvolle Beleuchtung von Innen heraus, wie sie nun die Fenster der Fabrikhallen hatten. Zum Greifen nahe hob sich der rote Backsteinbau vor den rosa Rauchwolken, die als Hintergrund über und hinter ihm schwebten, in solcher Deutlichkeit ab, dass man auf die Entfernung noch die einzelnen glühenden Steine erkennen konnte. Das Dach war bereits eingestürzt und so waren keine Flammen mehr sichtbar - nur die unwirklich, schauerlich schön illuminierten Mauern.
Dazu kam ein eigentümlicher, völlig unbekannter, undefinierbarer und beißender Geruch über der ganzen Umgebung. Er reizte Augen und Nase. Rauch und Feuer aller möglichen brennbarer Quellen und der Geruch von altem, geborstenem Mauerwerk aus Mörtel, Kalk und Steinen, vermengt mit dem Geheul der Sirenen von Feuerwehr, Polizei und Rettungsfahrzeugen war so neu, so beängstigend und verwirrend, dass Reiner trotz der Sommernacht fror.
Als er sich umdrehte, war ihm, als vernebelten sich seine Sinne. Kindergarten und Schwesternhaus sahen ohne Dach, Fenster und Türen fremd und unwirklich aus. Der gepflasterte Zugang zur Straße zwischen Kindergarten und Schwesternhaus war übersät mit zerbrochenen Dachziegeln, Glasscherben und geborstenen Fensterrahmen. Türen waren durch den Luftdruck herausgerissen oder eingedrückt. Aus allen