Zur Autorenübersicht | Neuere Autoren | Impressum | Inhaltsverzeichnis "Ein deutscher Junge"

sollte. Vergessen will ich nicht zu erwähnen, daß Lurche ein spätes

persönliches Glück fand, und zwar in der Person der Schulsekretärin.

Die beiden - er etwa 65, sie etwa 60 Jahre alt - heirateten und veran-

stalteten in der Schulaula eine kleine Feier. Und wieder sang der ver-

dammte Ahl sein Lieblingslied!

Zu den wenigen Lehrern, denen wir Schüler mit Respekt begegne-

ten, gehörte mein Klassenlehrer Rudolf Tams (,,Udel" genannt), der

Englisch und Geschichte unterrichtete. Wir achteten ihn als Pädago-

gen und verehrten ihn als Menschen. Obwohl er Parteimitglied war,

übte er mehr oder weniger offene Kritik am Nationalsozialismus. Das

hätte ihn ins KZ bringen können, aber kein Schüler, nicht einmal die

eingefleischten Hitleranhänger, haben ihn jemals verraten.


Im Juli 1943 wurde unsere Klasse geschlossen zur Marineartillerie
eingezogen. Das geschah aufgrund einer Notdienstverordnung, wo-

nach Jugendliche vom vollendeten 15. Lebensjahr an dem Militär zu

einem längerfristigen Notdienst zugeteilt werden konnten. Anfang

1943 rückten die Jahrgänge 1926 und 1927 zum Dienst ein, zunächst

bei der Luftwaffe als Luftwaffenhelfer), kurz darauf auch zur Marine als

Marinehelfer. Ziel dieser Aktion war: 100 Flakhelfer sollten etwa 70

Flaksoldaten für den Fronteinsatz freimachen. Eine Vorschrift besagte,

daß Flakhelfer keine schweren, ihrer körperlichen Entwicklung unan-

gemessene Tätigkeiten ausüben durften, zum Beispiel als Ladekano-

nier. Ihr Einsatz sollte möglichst nahe am Wohn- oder Schulort erfol-

gen.

Bei der Einkleidung erhielten wir zwei Uniformen: Eine feldgraue für

den täglichen Dienst und eine blaue für den ,,Landgang". Zur blauen

Marineuniform gehörte die HJ-Armbinde und ein Ärmelstreifen mit dem

goldfarbigen Aufdruck ,,Marinehelfer". Später zeigte sich in der Praxis,

daß die HJ-Armbinde bei den Marinehelfern höchst unbeliebt war;

meistens wurde sie nach Verlassen des Batteriegeländes sofort in die

Jackentasche gesteckt. Das war auch ein Zeichen dafür, daß wir auf

Distanz zur Hitlerjugend gingen, daß wir uns nicht nur äußerlich, son-


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