Zur Autorenübersicht | Neuere Autoren | Impressum | Inhaltsverzeichnis "Ein deutscher Junge"

als Voyeure und blinzelten mit großem Vergnügen durch die Astlöcher

der Umkleidekabinen, um Mädchen und Frauen beim Umkleiden zu

beobachten. Zu unserem Glück sind wir dabei nie erwischt worden.

Hin und wieder stromerten wir in der Abenddämmerung gemeinsam

auf einem Schrottplatz an der Stör umher und schossen mit dem Luft-

gewehr auf Ratten.

Allerdings taten wir auch Dinge, deren Gefährlichkeit wir nicht ein-

zuschätzen wußten. In bodenlosem Leichtsinn zersägten wir einmal

eine Stabbrandbombe, die ich in einer Aktentasche (!) aus Kiel mitge-

bracht hatte. Wir wollten das metallisch glänzende Pulver aus dem In-

neren der Bombe gewinnen, um ein Feuerwerk damit zu veranstalten.

Dabei wußten wir sehr wohl, daß manche dieser Teufelsdinger einen

Zünder hatten, der schon bei leisester Berührung explodieren konnte.

Schlimmes ist bei der Bastelei nicht passiert, wir müssen wohl viele

Schutzengel gehabt haben.

Gelegentlich ,,besorgte" Erwin aus einem Schuppen das fahrtüchti-

ge Motorrad seines Vaters. Damit rasten wir durch die Dörfer der Um-

gebung bis nach Itzehoe. Es scheint mir heute wie ein Wunder, daß

diese halsbrecherischen Fahrten ohne den kleinsten Unfall verliefen.


Im Spätherbst kehrten meine Mutter und ich wieder nach Kiel zurück.
Alles schien ruhig, es gab kaum noch Fliegeralarm. Der Luftschutz

warb um freiwillige Mitarbeiter. Einige meiner Freunde und ich melde-

ten uns in der Pickertkaserne, weil wir aufrichtig glaubten, als Helfer

oder Melder könnten wir dazu beitragen, unsere Heimatstadt vor der

Zerstörung zu bewahren. Beim Einkleiden in der Kaserne steckte man

uns in abenteuerlich anmutende Uniformen: Die viel zu langen Hosen

stammten aus Belgien, die viel zu weiten Jacken aus Italien und die

abgewetzten Stiefel aus der Tschechoslowakei. Der Stahlhelm, den

man mir verpaßte, war für meinen Kinderkopf mindestens drei Num-

mern zu groß und schlackerte bedenklich. Mehrmals in der Woche

mußten wir in der Kaserne auf primitiven Pritschen übernachten, um

bei einem Luftschutzeinsatz sogleich zur Stelle zu sein. Dazu ist es a-


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