Zur Autorenübersicht | Neuere Autoren | Impressum | Inhaltsverzeichnis "Ein deutscher Junge"

gen angezweifelt wurde. Man hatte von mehreren Fällen gehört, in de-

nen ein Hochbunker von einer Sprengbombe größeren Kalibers voll

getroffen worden war. Das hatte viele Tote und Verletzte gegeben.

Besseren Schutz, so sagte man, böten die Tiefbunker. Einen davon

gab es in der Werftstraße unter dem großen Park (damals hieß er

Horst-Wessel-Park). Um dorthin zu gelangen, brauchte man aber min-

destens fünf Minuten, und zwar im Laufschritt. Hörten wir im Rundfunk

die Meldung, ein größerer feindlicher Kampfverband sei im Anflug auf

Kiel, machten wir uns sofort auf den Weg in die Werftstraße, zusam-

men mit Hunderten von Schutzsuchenden. Es kam vor, daß wir den

rettenden Bunker nicht mehr rechtzeitig erreichten. Wenn das Flakfeu-

er einsetzte, mußten wir wohl oder übel im Keller eines der Häuser der

Kaiserstraße notdürftigen Unterschlupf vor den Bomben suchen.

Eine für mich angenehme Seite des Bunkerlebens allerdings will ich

nicht verschweigen. Ganz in der Nähe unseres Bunkerplatzes hielt

sich häufig Frau K. mit ihrer Tochter Rita auf. Ich bewunderte und ver-

ehrte Rita. Mit ihren langen schwarzen Zöpfen und ihren braunen Au-

gen erschien sie mir als das schönste Mädchen der Welt. Seltsamer-

weise war sie mir vorher noch nie aufgefallen, obwohl sie ganz in mei-

ner Nähe wohnte. Mit Rita konnte ich mich wunderbar über die kleinen

und großen Fragen des Lebens unterhalten, nicht nur über Schule,

Sport und BDM, sondern auch über Bücher, Reisen und fremde Län-

der. Hin und wieder trafen wir uns nun auch außerhalb der Alarmzei-

ten. Sie stand immer schon am Fenster und wartete, wenn ich sie zu

einem kleinen Spaziergang abholte. Welch eine Glückseligkeit, welch

ein Gunstbeweis, daß ich ihre Hand halten durfte! Dabei blieb es aber

auch. Ich muß ehrlich bekennen: Damals habe ich Tag und Nacht von

Rita geträumt. Wir haben uns durch die Kriegs- und Nachkriegswirren

völlig aus den Augen verloren - nach 55 Jahren sind wir uns zufällig

wieder begegnet.


Im Frühjahr 1941 wurde unser Haus von mehreren Stabbrandbom-
ben getroffen. Eine davon durchschlug das Dach und blieb in einem


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