Zur Autorenübersicht | Neuere Autoren | Impressum | Inhaltsverzeichnis "Ein deutscher Junge"

Bombenkrieg psychologisch einzustimmen versucht. Auf den Dächern

waren die Sirenen montiert, die Keller in den Häusern mit Stützbalken

befestigt, alle Wohnungsfenster mußten im Falle eines Fliegeralarms

verdunkelt werden. Eine Vorschrift verlangte, auf den Böden der Häu-

ser gefüllte Wassereimer, Sand und ,,Feuerpatschen" bereitzustellen.

In jedem Häuserblock gab es einen ,,Blockwart", der streng über die

Einhaltung dieser Maßnahmen wachte.

Bei uns Jungen entwickelte sich bald eine neue Tausch- und Sam-

melleidenschaft: Flaksplitter! Möglichst groß und scharfkantig mußten

sie sein. Begehrt waren Splitter mit Farbresten. Bombenteile, die aller-

dings nur selten zu finden waren, standen besonders hoch im Kurs.

Doch der Spaß verging uns bald. Denn im weiteren Verlauf des Krie-

ges bombardierte die englische Luftwaffe Kiel und zerstörte dabei

auch ganze Wohngebiete. Zu den ersten Ruinen setzte noch eine

wahre Völkerwanderung ein, jeder wollte die Verwüstungen mit eige-

nen Augen sehen. In den Nächten wurden die Menschen immer häufi-

ger aus dem Schlaf gerissen. Kaum hatte der ,,Großdeutsche Rund-

funk" sein Programm durch Warnmeldungen unterbrochen (,,Feindver-

bände im Anflug auf Norddeutschland..."), heulten auch schon ,,Meiers

Wunderhörner", wie die Sirenen genannt wurden, und die Menschen

hasteten so schnell wie möglich in den Luftschutzkeller oder Bunker.

Ein Koffer mit Wertsachen und Personalpapieren lag immer griffbereit

zum Mitnehmen. Je länger der Krieg dauerte, desto schlimmere Schä-

den richtete er an. Tausende verloren Hab und Gut und waren den-

noch froh, das nackte Leben gerettet zu haben. Die Naziführung

sprach von Terrorangriffen.


Wegen der zunehmenden Gefahren suchten meine Mutter und ich
immer öfter einen Schutzbunker auf, wenn sich feindliche

Flugzeuge näherten. Mein Vater dagegen blieb stets im Keller unseres

Hauses zurück, um im Falle eines Bombentreffers zu retten, was zu

retten war. Ein sogenannter Hochbunker in der Kaiserstraße bot Hun-

derten von Menschen eine gewisse Sicherheit, die allerdings von eini-


48


Anzeige



nach oben