Zur Autorenübersicht | Neuere Autoren | Impressum | Inhaltsverzeichnis "Ein deutscher Junge"

Zum Glück gab es an der Schule aber auch tüchtige Lehrer, zum

Beispiel unseren Englischlehrer Brack, den wir ,,Bracker" oder ,,Mister"

nannten. Er war zwar nur von schmächtiger Gestalt und sprach stets

mit leiser Stimme; dennoch aber fürchteten wir Schüler ihn mächtig,

weil man nie genau wußte, woran man bei ihm war. Wenn er richtig in

Fahrt geriet, flog er nur so über Tische und Bänke, um einen Übeltäter

zu ergreifen und durchzuwalken.

Mein Deutschlehrer hieß Rohlf. Wie er zu seinem Spitznamen ,,Opa

Moses" gekommen war, wußten wir nicht. Opa Moses Rohlf war ein

Mann von großer Herzensgüte und langer Geduld. Wenn er glaubte,

einen Schüler mit dem Stock züchtigen zu müssen, tat er es aus lauter

Mitleid nur halbherzig.

Schließlich war da noch der Mathematik- und Chemielehrer Müller,

genannt ,,Bulle". Diese Bezeichnung war allerdings keineswegs zu-

treffend, denn er war von langer, dürrer Gestalt. Sein zweiter Spitzna-

me ,,Schwanenhals" paßte schon eher zu ihm. Müllers chemische Ex-

perimente schlugen häufig gründlich fehl, sehr zur Belustigung und

Schadenfreude der Schüler. Wir alle wußten nur zu gut, daß er dem

Alkohol zugetan war. Er hielt sich verdächtig lange in seinem Vorbe-

reitungsraum auf, denn er mußte sich ja für seinen Unterricht ,,stär-

ken", wie wir an seiner Alkoholfahne merkten.

Ab Klasse 7 hatten wir für einige Zeit Französischunterricht. Das

Besondere daran war, daß er uns zusammen mit den Schülerinnen

der benachbarten Mädchen-Mittelschule von einem spindeldürren

Fräulein erteilt wurde. Die Dame mühte sich zwar redlich, konnte aber

wegen der verständlichen Unaufmerksamkeit der Jungen nur geringe

Unterrichtserfolge erzielen. Die Geschlechter waren auch hier streng

getrennt: links die Reihe der Mädchen, rechts die der Jungen. Die

mittlere Reihe - sozusagen als Schamgrenze - blieb leer. Es ist kein

Wunder, daß ich von dem Französisch-Unterricht nicht viel profitierte,

denn ich war mehr damit beschäftigt, Briefchen und Zettel an eine von

mir bewunderte Mitschülerin namens Ulla zu schreiben, statt dem Un-

terricht zu folgen. Schlimm war nur, daß die böse Ulla die Zuneigung

eines 12Jährigennicht erwiderte.


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