Woche bleiben. Tante Guschi zeigte mir viele Sehenswürdigkeiten
Berlins. Wir besuchten den Zoo, bestiegen den Funkturm, wanderten
stundenlang durch den Grunewald und fuhren mit dem Boot durch
wunderschöne Seenlandschaften. Leider gingen die schönen Tage
allzu schnell vorüber. Ich war doch ein wenig traurig, als Tante Guschi
mich inden Zug nach Kiel setzte.
Das Jahr 1937 war geprägt von zwei wichtigen Ereignissen: Zum
einen hatten meine Eltern zu entscheiden, auf welche weiterfüh-
rende Schule sie mich schicken sollten, zum anderen rückte für mich
die Aufnahme in die Hitlerjugend in greifbare Nähe. Klassenlehrer Assi
riet meinen Eltern, mich wegen meiner durchweg guten Leistungen zur
Oberschule zu schicken - so hieß damals das Gymnasium -, mich a-
ber zog es mit Gewalt auf die benachbarte Mittelschule, weil ich auf
keinen Fall meine Freunde verlieren wollte. Mit dieser absurden Be-
gründung habe ich meine Eltern regelrecht erpreßt. Ich bedaure heute
noch, daß sie nach längerem Zögern meiner dringenden Forderung
tatsächlich nachgaben. Wer konnte damals ahnen, daß damit eine
schwerwiegende Fehlentscheidung getroffen wurde, wie sich bald
herausstellen sollte.
Zunächst war alles neu für mich: eine fremde Umgebung, fremde
Lehrer und ungewohnte Schulfächer. Es zeigte sich aber schnell, daß
ich gründlich unterfordert war: Ich konnte dem Unterricht spielend fol-
gen und nahm bald eine ungewollte Spitzenstellung ein, die ich mehre-
re Jahre innehielt. Die 5. Knaben-Mittelschule galt allgemein als stren-
ge Lehranstalt. Ihr Rektor war in erster Linie seinem Führer und der
Partei als Politischer Leiter verpflichtet. Er meinte er wohl, stets in sei-
ner braunen Uniform den Dienst an der Jugend verrichten zu müssen.
Vom Unterrichten verstand dieser Schwätzer so gut wie nichts, und
vorbereitet war er nie. Als Fachlehrer für Biologie langweilte er uns
monatelang mit dem Thema ,,Das Wasser als Lebenselement". Er be-
gann jede Unterrichtsstunde mit den törichten Worten ,,Die Herren
Schüler haben mir gesagt...". Es war für uns unsäglich langweilig.
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