keiner über diese rauhe Methode der Wissensvermittlung, weder De-
linquenten noch Eltern.
Im übrigen war Assi ein hilfsbereiter, gutmütiger und gerechter Leh-
rer und Mensch, den jeder Schüler trotz seiner gnadenlosen Strenge
gern hatte. So brachte Assi zum Beispiel für alle ärmeren Jungen -
und derer gab es etliche - bei Schulausflügen und -wanderungen le-
ckere Stullenpakete mit. Jede Klasse veranstaltete mehrmals im Jahr
halbtägige Wandertage. Meistens ging es in die nähere Umgebung
Kiels zu irgendwelchen Sehenswürdigkeiten.
Einmal im Jahr, kurz vor den Sommerferien, unternahm die ge-
samte Schule einen Tagesausflug an den Schönberger Strand. Mit
fröhlichem Gesang zogen die Klassen, voran die kleineren Schüler,
zum Kleinbahnhof in Gaarden-Süd, wo ,,Hein Schönbarg", ein Zug der
Linie Kiel-Schönberg, schon auf uns wartete. Nach etwa einstündiger
Fahrt und kurzem Fußmarsch waren wir am Ziel. Den Tag verbrachten
wir bei Spiel und Sport am steinigen Strand und auf dem Deich. Die
örtliche Feuerwehr fuhr eine Gulaschkanone auf und bereitete eine
deftige Erbsensuppe. Müde und abgekämpft erreichten wir am frühen
Abend wieder unser Zuhause. Das einzig Unangenehme dieser Aktion
war der am folgenden Tag unweigerlich anstehende Aufsatz ,,Unser
Schulausflug"!
August Wiegand, ein Junge unserer Klasse, war Zigeuner. Er hatte
mich besonders in sein Herz geschlossen. Er lebte mit seinen Eltern
und sieben Geschwistern in einem Zigeunerlager an der Preetzer
Chaussee. August war ein Junge von kleiner, aber muskulöser Statur
mit flinken, gewandten Bewegungen. Er erfüllte sicher nicht die äußer-
lichen Anforderungen, die man damals an einen ,,arischen" Jungen
stellte. Statt blond, blauäugig und hellhäutig zu sein, stellte August ge-
nau das Gegenteil dar: Dichte, schwarze Haare umrahmten ein dun-
kelhäutiges Gesicht. Besonders auffällig aber waren seine braunen,
stets wachen Augen. Zigeuner haben wohl eine andere Lebensart als
die Menschen ihrer Umgebung. Es mag sein, daß ihre Ansichten über
Privateigentum nicht den unseren entsprechen. Das berechtigt aber
keineswegs zu einer Vorverurteilung nach dem Motto: Alle Zigeuner
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