Zeugnisse erhielten die Schüler zweimal im Jahr, zu den Oster- und
zu den Herbstferien. Die allgemeine Beurteilung war aufgeteilt in
,,Betragen", ,,Fleiß", ,,Aufmerksamkeit" und ,,Ordnung": alles Tugenden,
die heute leider als ,,Sekundärtugenden" abqualifiziert werden. Einge-
schult wurde zu Ostern; bekannt ist noch immer der Begriff ,,Osterkü-
ken" für die Schulanfänger.
Zusammenfassend läßt ich aus meiner Sicht sagen, daß entgegen
der gegenwärtig weitläufig verbreiteten Meinung die damalige Schule
keineswegs eine Angst und Schrecken verbreitende Terror-
Organisation gewesen ist. Obwohl sie eine ,,Lernschule" im strengen
Wortsinn war, machte das Lernen den meisten Schülern doch erhebli-
chen Spaß. Am Ende der Schulzeit hatte man ein profundes Wissen
erworben, weitaus umfassender als die Abgänger aus den heutigen
sogenannten Hauptschulen es je erlangen können (und wollen).
Die ersten vier Jahre meiner Schullaufbahn in der 13. Knaben-
Volksschule an der Iltisstraße verliefen für mich glücklich und oh-
ne besondere Höhepunkte. Mit viel Geduld, aber auch mit unerbittli-
cher Strenge brachte uns Klassenlehrer Assi das Lesen, Schreiben
und Rechnen bei. Um seine Arbeit war er bestimmt nicht zu beneiden,
denn er mußte in allen Fächern unterrichten - und das bei 46 Schü-
lern! Assi hatte - wie die meisten anderen Lehrer auch - die unange-
nehme Angewohnheit, bei ,,vergessenen" oder schlampig angefertig-
ten Hausaufgaben zum Rohrstock zu greifen und den Übeltätern eini-
ge deftige Hiebe zu verabreichen. Auch wenn ein Schüler die Höchst-
grenze tolerierbarer Fehler im Diktat überschritt, gab es Senge. Ab ei-
ner Quote von fünf Fehlern trat ein dicker Stock in Aktion; wenn aber
jemand die Zahl von zehn Fehlern übertraf - das war für Assi die ab-
solute Scheidelinie des Erträglichen -, ließ Assi seinen dünneren
Stock tanzen, der uns Schülern erheblich mehr Schmerzen bereitete.
Vermutlich wegen des Gewöhnungseffektes hatten diese Strafaktio-
nen aber keinen durchschlagenden Erfolg. Es beschwerte sich auch
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