groß. Kurz entschlossen stahl ich es. Während der ganzen Rückfahrt
wurde ich von panischer Furcht gequält. Ich stellte mir vor, an der
Gaardener Anlegebrücke würde mich schon die Polizei erwarten und
mich unverzüglich ins Gefängnis stecken. Aber nichts dergleichen ge-
schah. Übrigens: den zweiten Diebstahl meines Lebens beging ich fast
sechzig Jahre später in einem Potsdamer Hotel - ich klaute einen A-
schenbecher.
Mit sechs Jahren lernte ich schwimmen. Ich wollte unbedingt den
tollkühnen Jungen nacheifern, die von den Brückenpfeilern aus
die festgemachten Hafenschiffe enterten und waghalsig vom obersten
Deck kopfüber ins Wasser hechteten, was natürlich strengstens ver-
boten war. Ich habe aber niemals erlebt, daß einer dieser Burschen
erwischt wurde.
Bei schlechtem Wetter stiegen wir in Falkenstein nicht aus, sondern
blieben auf dem Schiff und fuhren hin und zurück, immer wieder hin
und zurück, vertrieben uns die Zeit mit Spielen und warteten auf den
Abend - die Dauerkarte machte es möglich.
Ich kann mit Gewißheit sagen, daß keines von uns Kindern jemals
eine größere Ferienreise unternahm. Die geringen Einkommen unse-
rer Väter erlaubten es nicht. Vielleicht besuchte der eine oder andere
von uns Verwandte auf dem Lande oder in einer nahe gelegenen
Stadt - aber das war es auch schon. Größere Reisen, womöglich ins
Ausland, waren nicht vorstellbar. Häufig aber unternahmen wir Rad-
touren in die nähere und weitere Umgebung Kiels. Dabei entstanden
keine Kosten, denn die Verpflegung wurde mitgenommen. Mit dem
Eintritt in die Hitlerjugend kamen mehrtägige Fahrten oder Wanderun-
gen hinzu. Die ,,Pimpfe" fuhren für mehrere Tage ins Zeltlager oder ü-
bernachteten beim Bauern in der Scheune. Auch das waren natürlich
für Kinder schöne Erlebnisse - wer wußte damals schon von den poli-
tischen Hintergründen!
Großes Vergnügen bereiteten uns die häufigen sonntäglichen Kino-
besuche in der ,,Jahn-Halle" am westlichen Ende der Kieler Straße.
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