Zur Autorenübersicht | Neuere Autoren | Impressum | Inhaltsverzeichnis "Ein deutscher Junge"

sollten wir tun? In diesem jämmerlichen Zustand konnten wir uns doch

nicht in die Öffentlichkeit wagen und uns dem Hohn und Spott unserer

Freunde aussetzen! Heftig fluchend rissen wir Rhabarberblätter ab

und versuchten damit, unsere Kleidung notdürftig zu reinigen. Wir

müssen wie Moschusochsen bestialisch gestunken haben. Aus tiefer

Beschämung warteten wir bis zum Anbruch der Dunkelheit und schli-

chen auf Umwegen nach Hause. Das häusliche Donnerwetter blieb

seltsamerweise aus.


Im Winter zogen wir in den nahegelegenen Werftpark (,,Horst-
Wessel- Park" hieß er damals - abgekürzt ,,Hoschen" oder ,,Hoschi")

zum Rodeln. Während sich die kleineren Kinder an einem flachen Ab-

hang vergnügten, stürzten wir mit kühnem Schwung die ,,Todesbahn"

oder die ,,Teufelsbahn" hinunter. Dabei gab es manche Schramme, a-

ber das nahm ein deutscher Junge bereitwillig in Kauf. Wir wollten ja

vor allem den Mädchen imponieren. Bei längerem Frost setzten die

Gärtner die Tennisplätze unter Wasser. Auf den entstandenen Eisflä-

chen ließ es sich vortrefflich Schlittschuh laufen. Auch hier wurde

manche Kunstnummer wegen der zuschauenden Mädchen abgezo-

gen, häufig mit grotesken Mißerfolgen.

Meine Mutter hatte mir die strikte Auflage erteilt, bei Anbruch der

Dunkelheit wieder im Hause zu sein. Meistens schaffte ich es nicht

rechtzeitig, denn ich legte den Beginn des Dunkelwerdens großzügig

zu meinen Gunsten aus. Wenn ich dann völlig durchnäßt und durch-

gefroren nach Hause schlich, plagte mich mein schlechtes Gewissen.

Aber meine Mutter hat immer für mich ein liebesvolles Verständnis ge-

habt, so daß mir nur selten etwas Unangenehmes passierte.

Während der Sommerferien fuhren wir täglich an den Falkensteiner

Strand. War das ein herrliches Vergnügen! Den Kleinen wurde eine

Dauerfahrkarte (zum Preis von fünf Mark) um den Hals gehängt, zu

Fuß ging's unter Aufsicht einiger größerer Mädchen an die Gaardener

Anlegerbrücke, von wo aus wir schon von weitem sehen konnten, wel-

ches Schiff uns aufnehmen würde. War es die ,,Gaarden" - wir nann-


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