Weihnachtsfeiertagen die Großeltern und brachte ihnen kleine Ge-
schenke.
Eine weitere Attraktion des Jahres war neben dem Kindergeburts-
tag der Silvesterabend, an dem ich so lange aufbleiben durfte, wie ich
wollte. Um Mitternacht gingen wir gemeinsam nach unten auf die
Straße und ließen die Frösche und Böller krachen. Die Knallerei hielt
sich aber in Grenzen - und, was ich heute erstaunlich finde, die Über-
reste der Knallkörper wurden sorgfältig entfernt. Alle Nachbarn
wünschten sich gegenseitig Glück und Gesundheit für das neue Jahr.
Meine Mutter liebte die Musik. Hin und wieder, wenn es ihre Zeit
erlaubte, setzte sie sich ans Klavier und spielte den Donauwel-
len-Walzer und andere Charakterstücke. Dazu sang sie mit ihrer hel-
len Sopranstimme. Ich saß neben dem Klavier auf dem Fußboden und
lauschte hingebungsvoll der Musik. Es scheint, daß ich die musikali-
sche Begabung meiner Mutter geerbt habe. Schon als ganz kleiner
Junge versuchte ich ihr nachzueifern. Nur nach Gehör konnte ich die
Stücke nachklimpern, was allgemeine Verwunderung und sogar Be-
geisterung hervorrief.
Als ich etwasechs Jahre alt war, beschlossen meine Eltern, meine
musikalische Begabung sei zu fördern. Also erhielt ich den ersten
Klavierunterricht bei einer Musikpädagogin namens Gertrud H., die in
der Kieler Straße wohnte. Diese Frau, - ich sollte sie lieber Dame
nennen - eine üppige Mittdreißigerin mit wogendem Busen, kam mir
damals betörend schön vor. Aber sie hatte höchst eigenartige päda-
gogische Vorstellungen. Einerseits belohnte sie mich für gute Leistun-
gen auf dem Klavier mit Schokolade, Streicheleien und manchmal so-
gar mit Küssen, andererseits schlug sie mir unter heftigem Schimpfen
mit einem Lineal aus hartem Metall erbarmungslos über die Finger,
wenn ich nicht den erforderlichen Übungseifer aufgebracht hatte - und
das kam leider häufig vor. Trotzdem ging ich viele Jahre lang gern zu
Gertrud, ja, ich fieberte jedesmal dem Übungstag entgegen, weil sie
immer so zauberhaft nach feiner Seife und erlesenem Parfum duftete.
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