ihnen galt ich allein schon deswegen als krasser Außenseiter, weil ich
eine höhere Schule besuchte.
Wenn bei Geburts- oder Feiertagen ein Zusammentreffen nicht zu
vermeiden war, kam es häufig zu unangenehmen Zwischenfällen. Bei
dummen Streichen wurde immer ich als der Schuldige oder Anstifter
hingestellt, oft sogar regelrecht verraten. So hatten einmal mein Vetter
Rolf und ich aus der Dachluke eine unten im Garten tafelnde Familie
mit dem Luftgewehr beschossen. Die Leute hatten schnell die Quelle
des Übels ermittelt und beschwerten sich heftig beim Großvater, der
mich sofort mit einigen Ohrfeigen bestrafte, ohne nach den näheren
Umständen zu fragen. Mein Vetter dagegen kam mit einem Verweis
davon. Auch konnte ich nie und nimmer begreifen, daß man mir an der
Kaffeetafel stets absichtlich das kleinste Stück Kuchen zuteilte.
Die wenigsten Probleme hatte ich noch mit dem gleichaltrigen Rolf.
Kusine Margret hatte einen Augenfehler, der dazu führte, daß ihre Li-
der fast geschlossen waren. Möglicherweise habe ich das - natürlich
völlig zu Unrecht - als eine besondere Art von Hochmut gedeutet und
mich ihr gegenüber schroff verhalten. Mit der drei Jahre älteren Kusine
Gretel verband mich überhaupt nichts, weil sie sich für zu fein hielt, mit
ihren Verwandten zu spielen. Sie wollte sich ihre Kleider nicht schmut-
zig machen.
Es gab damals kaum verheiratete Frauen, die einen Beruf ausüb-
ten. Ich vermute aber, daß meine Mutter gern Hausfrau war.
Hausfrauenarbeit in den zwanziger und dreißiger Jahren bedeutete
schwere Knochenarbeit. Wir können uns heute kaum ein Leben ohne
Zentralheizung, Staubsauger, Kühlschrank und diverse Küchenma-
schinen vorstellen. Damals wurde noch alles per Hand verrichtet. Be-
sonders der monatliche Waschtag ist mir in Erinnerung. Schon in der
Morgendämmerung ging es hinauf in die Waschküche auf dem Boden
zum Anheizen des großen Waschkessels. Ich wunderte mich immer,
woher der viele Dampf kam, der den Raum einnebelte. Gewöhnlich
half eine Nachbarin meiner Mutter. Die beiden Frauen schufteten den
18