haben. Es war damals aus vielerlei Gründen für ein Arbeiterkind
schwierig, in eine höhere Schule aufzusteigen. Deren Besuch hätte
Schulgeld gekostet - wie sollte mein Großvater das jemals aufbrin-
gen?
Großvater Rasmus zeigte sich geschickt in praktischen, vor allem
handwerklichen Dingen. Oft hockte er in der kleinen Küche und be-
sohlte die Schuhe seiner Familie. Zu seinen Lieblingsbeschäftigungen
zählten Decken streichen, Wände tapezieren, Wasserhähne reparie-
ren und verstopfte Abflüsse reinigen. Zur besseren Versorgung mit
fleischlicher Kost hielt er sich in seinem Schuppen Hühner, Gänse und
Kaninchen. Kaninchen pflegte er bei Schlachtungen mit einem einzi-
gen gezielten Schlag hinter die Löffel ins Jenseits zu befördern. Bei
der Gänsemast allerdings erwies er sich für mich als roher Tierquäler:
er stopfte ihnen riesige Futterbrocken in den Schlund, um sie zu ,,nu-
deln", wie man das nannte.
An die Umgangssprache im Hause meines Großvaters erinnere ich
mich nur mit Grausen. Das fürchterliche Kauderwelsch aus Platt- und
Hochdeutsch, vermischt mit den bayerischen Brocken meiner
Großmutter, klingt mir noch heute unangenehm in den Ohren. Wie mir
mein Vater später erzählte, hat er unter den katastrophalen häuslichen
Verhältnissen außergewöhnlich gelitten. Allem Geistigen abhold, ver-
langte Karl Rasmus totale Unterordnung - und die setzte er mit Bra-
chialgewalt durch. Er verprügelte seine Kinder für kleinste Vergehen.
Für seine liebenswert-gutmütige Frau muß das Zusammenleben mit
diesem Mann die Hölle gewesen sein.
An dieser Stelle möchte ich einige Anmerkungen über meines
Vaters Geschwister und deren Kinder einfügen. Die Wohnung
meiner Großeltern war der einzige Ort, an dem ich mit unseren Ver-
wandten in Verbindung trat. Zu meinem Vetter und zu meinen Kusinen
hatte ich von je her ein gespaltenes Verhältnis. Es mag zwar überheb-
lich klingen - aber ich konnte mit ihnen nichts Rechtes anfangen. Bei
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