che Abenteuer zu unterlassen und lieber die ausgewiesene Rodelbahn
zu wählen. Aber nein, alles Bitten nutzte nichts, keine Tränen halfen.
Wie ich befürchtet hatte, endete die Fahrt mit blutigen Schrammen und
Rissen im Stacheldrahtzaun.
Die Großeltern Rasmus bewohnten eine 3-Zimmer-Wohnung mit
abgeschrägten Wänden in der Elisabethstraße 88, 5. Etage. Vom
Balkon aus hatte man einen weiten Blick auf den Süden Kiels mit Ha-
fen und Werften. Auf dem geräumigen Hinterhof hatten die Hausbe-
wohner kleine Schuppen errichtet, in denen sie Hühner, Gänse oder
Kaninchen hielten.
Ich habe nie erfahren, ob mein Großvater Karl Rasmus jemals ei-
nen ordentlichen Beruf erlernt hat. Er arbeitete auf der Germania-
Werft, der ehemaligen Kaiserlichen Werft, in untergeordneter Stellung
als ,,Nietenklopper". Um seinen kargen Verdienst ein wenig aufzubes-
sem - er hatte Frau und vier Kinder zu versorgen - wartete er in sei-
ner knappen Freizeit die Segeljacht der angesehenen Kieler Arztfami-
lie L. Er muß schon im frühen Mannesalter der Arbeiterbewegung ver-
bunden gewesen sein, vermutlich sogar als eingeschriebenes Mitglied
der SPD. Daß er trotzdem als glühender Verehrer Wilhelms II. galt, hat
mich später verwundert. Über dem Sofa in der ,,guten Stube" - sie
wurde nur bei festlicher Gelegenheit benutzt - prangte ein überle-
bensgroßes Porträt des letzten deutschen Kaisers, daneben das weit
verbreitete kitschige Bild (bekannt als ,,Der letzte Mann") eines unter-
gehenden Schiffes, kieloben ein Matrose mit der Reichskriegsfahne in
der Hand.
Mich irritierte es, daß ich meinen Großvater nie ,,Opa" nennen durf-
te. Wenn ich es dennoch versuchte, fuhr er mich an: ,,lck bün nich dien
Opa, ick bün dien Grotvadder!". Bildung oder gar Kultur waren für
Großvater Rasmus anscheinend etwas Verwerfliches. Derlei tat er
verächtlich ab als ,,Hun'schietkram". Ich darf diesem Mann heute kei-
nen Vorwurf daraus machen für das Versäumnis, die zweifellos vor-
handenen geistigen Veranlagungen meines Vaters nicht gefördert zu
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