Zur Autorenübersicht | Neuere Autoren | Impressum | Inhaltsverzeichnis "Ein deutscher Junge"

es wurde um sie oft und heftig gestritten. Gern spielten wir auch - ge-

meinsam mit den Mädchen - ,,Abticken", (das mit einem Auszählreim

begann: ,,Ele, mele muh, raus bist du, raus bist du noch lange nicht, du

mußt erst sagen, wie alt du bist"), ,,Verstecken" oder ,,Liebesball". Ein

sehr beliebtes gemeinsames ,,Spiel", aber nur mit wenigen und sorg-

fältig ausgesuchten Beteiligten, war das ,,Doktorspiel". An geheimen

Orten, oftmals im Keller oder in einer Bodenecke, zeigte man sich ge-

genseitig die ,,verbotenen" Körperteile oder berührte sie sogar. Unter

gar keinen Umständen durften die Eltern von diesem verruchten Tun

erfahren. Das Thema Sexualität, auch in dieser durchaus harmlosen,

frühkindlichen Form, war damals absolut tabu. Soweit ich mich erin-

nern kann, haben meine Eltern niemals mit mir darüber gesprochen.

Meine diesbezügliche Neugier wurde allerdings gestillt durch die um

zwei Jahre ältere Margot P.; leider konnte ich mit den gewonnenen Er-

kenntnissen herzlich wenig anfangen.

An regnerischen oder besonders kalten Tagen spielten wir Kinder in

der Wohnung. Sehr beliebt war das Basteln von Schiffs- oder Flug-

zeugmodellen. Wer es sich finanziell leisten konnte, hatte mehrere

teure ,,Wiking-Modelle" von Kriegsschiffen, die dann in großen See-

schlachten ,,versenkt" wurden. Bei einigen Spielkameraden traf man

kleine Figuren von SA- und SS-Männern oder Soldaten an, die dann in

Formationen aufeinander losgelassen wurden. Ich kann nicht be-

haupten, daß mir dieses Spiel besonders gefallen hätte. Dagegen ge-

fiel mir schon eher das Schießen mit dem Luftgewehr, nicht nur auf

Zielscheiben, sondern auch auf Singvögel. Die Brettspiele ,,Mensch-

ärgere-dich-nicht" und ,,Halma" spielte man überwiegend mit Eltern o-

der Geschwistern.

Aus ganz besonderem Grund spielte ich auch gern mit Robert L.

Sein Vater hatte am Vinetaplatz ein Feinkostgeschäft. Darin wimmelte

es nur so von köstlichen Dingen, von denen ich stets träumte, die ich

aber nie kaufen konnte: feinstes Marzipan, Schokolade in allen For-

men, alle möglichen Bonbons und knallbunt gefärbte Gummibärchen.

Robert und ich schlichen uns nach Ladenschluß ins Geschäft, wenn

sein Vater im Kontor arbeitete, und stopften unsere Mägen und unsere


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