Mein Großvater Karl Rasmus wurde unehelich geboren, was man
damals als peinlich empfand und tunlichst geheim zu halten versuch-
te. Dieser sogenannte Makel war später für mich ein großes Hemmnis
beim sogenannten ,,arischen Nachweis", der von den NS-Herren be-
fohlen wurde. Was bei den Nachforschungen herauskam, war für
mich dennoch wissenswert, nämlich: Meine väterlichen Vorfahren
stammen ursprünglich aus der Gegend um Ystad im südlichen
Schweden. Noch heute trifft man dort etliche Rasmus oder Rasmus-
sen an, wovon ich mich bei einer Reise dorthin selbst überzeugen
konnte. Während der schwedischen Kriegszüge zu Beginn des 18.
Jahrhunderts müssen einige Vorfahren auf der Insel Rügen hängen-
geblieben sein. Hier wurde mein Großvater 1869 geboren. Als junger
Mann geriet er auf irgendeine Weise nach Kiel, lernte die Bayerin
Margarethe Röll kennen und lieben und heiratete sie.
Gaarden, der auf dem östlichen Fördeufer gelegene Teil Kiels, ge-
noß als Wohngegend nicht gerade den besten Ruf und war be-
stimmt keine ,,feine Adresse". Ein großer Teil der Häuser stammte aus
dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Kiel, das den maßgeblichen
Kriegshafen des Deutschen Reiches besaß, vervielfachte seine Ein-
wohnerzahl in wenigen Jahrzehnten. Die Arbeit auf den Schiffswerften
lief auf Hochtouren. Aus allen Teilen Deutschlands strömten Arbeiter-
massen herbei. Für sie mußten schnell neue und vor allem billige
Wohnungen gebaut werden.
Meistens vierstöckig errichtet, oft mit handwerklich oder gewerblich
genutzten Hinterhöfen verbaut, boten diese Häuser keinen Komfort, wie
er etwa heute selbstverständlich ist. Die Wohnungsgröße überschritt
selten 2 bis 2_ Zimmer. Das berüchtigte ,,PIumps-Klo", überwiegend von
mehreren Mietparteien gemeinsam benutzt, machte sich durch einen
üblen Gestank bemerkbar: entweder ,,auf halber Treppe", wie man so
gemeinhin sagte oder, wenn es ganz schlimm kam, im Keller oder sogar
auf dem Hinterhof.
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