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          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


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Haus bitten. Sagen, in Stube warten. Ich viel Hunger und Durst. Seit zwei Tage nichts mehr

gegessen und trinken. Denken, jetzt bekommen gut Essen und Trinken. Aber nicht Essen und

Trinken kommen, aber Polizei, was haben Pfarrer gerufen. Mich in Gefängnis gesperren. Noch ein

Tag ohne Essen und Trinken. Dann hinausgeworfen wann schwarze Nacht ohne Mond und gesagt,

sofort über Grenze verschwinden, sonst wieder in Gefängnis aber lange. Dann wieder auf

Lastwagen geklettert bei Tankstelle. Nun hier. Ist ganze Geschichte."


Friedel wusste nicht, ob er dem Manne glauben sollte, oder das Ganze als phantastisches Märchen

abzutun sei. Seine linke Hand fuhr während dem Fahren suchend auf dem Hintersitz hin und her,

wo er am Morgen noch seine "Notration" in einem Platiksack mitgenommen hatte. Endlich fand er

ihn und zog ihn nach vorne. Die belegten Brote waren bereits ziemlich hart und die Butter

dazwischen hatte sich dünn gemacht. Er reichte die beiden Brote dem Mann neben sich und suchte

weiter. Auch die Kanne mit dem Kaffe liess sich finden. Als er sie dem Fremden reichte, liess

dieser die Brote auf die Knie sinken und öffnete mit zitternden Händen den Drehverschluss. Ohne

je abzusetzen sog der den Inhalt gierig in sich hinein, bis zum letzten Tropfen. Dann liess er die

Flasche erschöpft zu seinen Füssen fallen. Er schloss die Augen und begann plötzlich am ganzen

Körper zu zittern. Krampfhaft versuchte er, Friedel zu verbergen, dass ihm die Tränen wie ein

Bach über das Gesicht liefen und auf dem geflickten Kittel verschwanden. Friedel scheute sich,

offen nach rechts in das Gesicht des Mannes zu schauen. Er hatte selber Mühe, die Tränen

zurückzuhalten.

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