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          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


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"Alles was ich haben ist drin," antwortete der Mann.


Friedel blickte in die Augen des Mannes, die wie ein unergründlicher blauer Bergsee leuchteten.

So konnten keine Augen leuchten, die einem Halunken gehörten, dachte Friedel. Er entriegelte die

Türen und beugte sich nach rechts um zu öffnen. Der Mann trat vorsichtig einen Schritt zurück.

Als die Türe offen stand, trat er wieder näher und beugte sich ins Wageninnere. "Kein Raucher und

kein Trinker," konstatierte Friedels Nase, der etwas gegen solche Typen hatte, die seinen

Nichtraucherwagen mit ihren üblen Düften füllten.


Dino hatte sich ganz unüblich nicht mit Bellen bemerkbar gemacht. Nun aber streckte er seine

Schnauze dem Fremden entgegen und beschnupperte ihn. Dieser hielt ihm mit einem Lächeln, das

ein lückenloses, kräftiges weisses Gebiss entblösste, einen Handrücken entgegen. Dino

beschnupperte auch diesen und beleckte ihn zutraulich. "Test bestanden," dachte Friedel. Denn

wenn Dino den Fremden als harmlosen Gesellen einstufte, dann konnte auch er ihm trauen. "Also

wo genau wollen Sie denn hin?" fragte er nach. "Ich fahre zwar bis nahe zur Grenze. Aber hinüber

will ich eigentlich nicht, denn ich habe dort nichts zu suchen. Warum wollen Sie denn nach

Deutschland?"


"Ist lange Geschichte," antwortete der Fremde und seine Miene verfinsterte sich. "Ist lange

Geschichte. Aber wenn mich mitnehmen, soweit möglich, ich erzählen Sie."

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