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ist. Glaubst du denn, die anderen Klassenkameraden seien alle pflichtschuldigst und schnurstracks
zu ihren Ehepartnern gefahren? So ein kleiner Flirt am Klassentreff ist doch üblich und fast
obligatorisch. Lass den Motor an, fahr mich nach Hause und vergiss es."
Friedel tat mechanisch, wie ihm geheissen. "Musst mir aber noch sagen, wo du überhaupt wohnst.
Wie soll ich dich denn nach Hause fahren?"
"Ach ja, das habe ich ja noch gar nicht erwähnt. In Immen wohne ich. Ist ja gleich um die Ecke. In
einer halben Stunde hast du mich los. Bist du froh?"
Wieder stoppte Friedel den Wagen brüsk. Dann riss er die Frau an sich und überdeckte sie mit
Küssen. "Nein, ich bin überhaupt nicht froh," keuchte er. "Ich möchte dich für ganz. Aber ich
werde mich beherrschen müssen." Dann stiess er sie zurück, startete den Wagen wieder und sie
fuhren ohne ein einziges weiteres Wort nach Immen.
Zwei Strassen vor ihrem Heim hiess Margit Friedel anhalten. Sie ordnete Haar und Kleider und
stieg, als ob sie von einem Taxi heimgebracht worden wäre, aus. "Leb wohl Friedel. Es war schön
mit dir. Davon kann und muss ich eine Weile leben, denn mein Lutz verwöhnt mich nicht in
Sachen Liebe. Fahr jetzt nach Hause zu dir und schlaf dich aus. Vielleicht rufen wir uns mal an?"
Ohne eine Antwort abzuwarten ging sie schnellen Schrittes davon. Friedel wendete seinen Wagen
und fuhr in den beginnenden Morgen.
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