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          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


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Friedel übergab sein Instrument einem Kollegen, mit der Bitte, es zu seiner im Saal sitzenden

Freundin zu bringen und begab sich in den Schminkraum, wo die zuerst auftretenden

"Schauspieler" bereits voller Lampenfieber den Finish auf ihre Gesichter brachten.

Glücklicherweise kam Friedel erst etwas später an die Reihe mit dem Auftritt, so konnte er sich in

aller Ruhe in den dümmlichen Polizisten verwandeln.


Während sich die Akteure auf der Bühne die grösste Mühe gaben, den immer lauter werdenden

Lärm im Saal zu übertönen, wurde unten serviert, gegessen, geschmatzt, geprostet, getrunken und

gerülpst, dass es eine Wonne war. Hin und wieder ertönte ein "Pschschscht" von einigen

Zuschauern, die ganz gerne das aufgeführte Stück hätten geniessen wollen. Dann klang der Lärm

für einen Moment ab, aber nur, um kurz darauf umso lauter zu werden.


Als der Vorhang nach dem ersten Akt fiel, nahm das kaum mehr die Hälfte der sich im Saal

befindenden Gäste wahr. Und als er für den zweiten Akt wieder hochging, waren die Akteure

bereits heiser vom Schreien.


Bei der herzzerreissenden Szene, wo der Wegmacher das ertrunkene Kind aus dem Hochwasser

führenden Wildbach zog, war er von der Anstrengung bereits nasser, als die vorher ins Wasser

getauchte Puppe, die das ertrunkene Kind darstellen sollte. Das Schluchzen der verzweifelten

Mutter hörte kein Mensch mehr.

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