Zur Autorenübersicht | Neuere Autoren | Impressum




          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


58


lebendig in seinem Gedächtnis bleiben. Und wer weiss, dachte er, vielleicht würde er ja irgendmal

in ferner Zukunft sein ganzes Leben zu Papier bringen. Dann wäre so ein Nachschlagewerk

bestimmt von Nutzen. Und wie er so intensiv mit diesem Gedanken sich anfreundete, kam ihm

plötzlich ein Duft in seine Erinnerung: der Duft einer Flasche, die er gestern zwischen den alten

Autoreifen gefunden hatte. Und er sehnte sich plötzlich nach einem Schluck dieses Zaubertrankes,

auf dass er sich erheben könne in die nächste Ebene seines Daseins. Dabei kam ihm ebenso

plötzlich ins Bewusstsein, dass er schon oft in seinem Leben Momente erlebt hatte, die ihm

schlagartig so vorkamen, als hätte er sie schon mal erlebt. Und dass er dann immer gedacht hatte,

wenn er den Faden zu diesem merkwürdig unwirklichen Geheimnis finden würde, dann könnte

auch er in die Zukunft schauen, wie ein Hellseher.


Aber brüsk wurde er aus seinen Träumen, Wünschen und Gelüsten aufgeschreckt durch ein

Beissen in der Lendengegend. Als er automatisch mit der Rechten in den Hosenbund fuhr, spürte

er mit den Fingern einige eng aneinander liegende Schwielen, die ihn zu intensivem Kratzen

verleiteten. Aber je mehr er kratzte, desto mehr biss es ihn nun auch noch an anderen

Körperstellen. Er öffnete den Gürtel und hielt Nachschau. Kein Zweifel: er war über und über

voller Flohpickel. Wo die zum Teufel wohl herrührten? Da erst bemerkte er, dass auch Dino sich

hingebungsvoll am Bauch kratzte. Nun war die Sache aber klar: Dino hatte gestern mit dem Hund

der Jenischen gespielt und dabei als Gastgeschenk eine Menge Flöhe aufgelesen! Und weil diese

durch Dinos emsiges Kratzen in ihrer beschaulichen Ruhe gestört worden waren, wechselten sie

ihren Wirt. Gewiss waren auch schon die ganzen Polster im Auto und vielleicht sogar die in der

Wohnung von diesen ekligen Plagegeistern okkupiert.

          Georg von Signau: Noch weit bis Eden