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          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


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Und wieder kamen Friedel im Halbschlaf Brocken des vermeintlichen Traumes, den er glaubte, am

Vortag geträumt zu haben. Er sah sich in eine Art Uniform gekleidet. An der Seite trug er

merkwürdige Geräte, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Waffen zu haben schienen. Und er sah

wieder die Räume, die in Fels gehauen schienen und trotzdem eine wohnliche Atmosphäre

ausstrahlten. Und plötzlich schreckte er auf mit der Gewissheit, dieser Traum sei keiner gewesen,

sondern erlebt. Und die Worte Elviras kamen ihm wieder in den Sinn. Diese so unverständlichen,

unglaubwürdigen Behauptungen von den verschiedenen Zeitebenen, die alle gleichzeitig ablaufen

würden und doch zu einer anderen Zeit. Und dass auch sie ja mit ihrer ganzen Hellseherei nichts

sehen könne, was nicht schon vorhanden war, irgendwo, irgendwann. Und schliesslich kam

Friedel, das Kind des aufgeklärten zwanzigsten Jahrhunderts zur Erkenntnis, dass er sich am

Abend des gestrigen Tages in einer anderen Welt befunden hatte, einer Welt, die es für ihn, den

Friedel noch gar nicht gab, die aber trotzdem vorhanden war, nur halt eben auf einer anderen

Zeitebene. Und als er sich nun einmal dazu durchgerungen hatte, dies alles zu akzeptieren, musste

er auch akzeptieren und glauben, dass da zu irgendeiner Zeit und auf einer anderen Ebene ein

Mensch war, der zwar nicht Friedel hiess, aber doch ganz einfach und logisch er selber. Er schloss

seine Augen und sah nun in ganz klaren Bildern alles, was er in der Nacht vorher glaubte geträumt

zu haben, wie einen Film im Zeitraffertempo nochmals abrollen. Einerseits erschreckte ihn dieser

Film. Aber andererseits liess ihn die Gewissheit, dass der Tod, der auch ihn in absehbarer Zukunft

besuchen werde, nicht das Ende aller Dinge, sondern nur ein Neuanfang sein werde für ihn. Ein

schalkhaftes Lächeln stahl sich auf seine Lippen und er wusste, dieser Abstecher in die andere

Ebene würde nicht ein einmaliger gewesen sein. Aber er nahm sich vor, von nun an Tagebuch zu

führen. Denn er wusste, die Bilder, die er eben wieder gesehen hatte, würden nicht für immer so

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