Zur Autorenübersicht | Neuere Autoren | Impressum




          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


56


Aber wenn es mal eingehakt hat, das Ungemach, dann lässt es sich so leicht nicht wieder

ausklinken. Irgendwie mussten Friedels Kunden spüren, dass der Vertreter auf Futter, Getreide und

Dünger heute nicht seinen besten Tag hatte. Jedenfalls wo immer er auch anklopfen wollte, hatten

die betreffenden Verantwortlichen für den Einkauf entweder den ausgemachten Termin vergessen,

oder sie wimmelten ihn nach einigen belanglosen Worten einfach ab. Friedel konnte sich heute

aber auch gar nicht auf seinen Job konzentrieren. Immer wieder durchkreuzten seine Gedanken die

Bilder des gestrigen Tages mit den Zigeunerinnen und diejenigen der Träume in der Nacht

vermischten sich mit ihnen. So konnte er unmöglich seiner Pflicht genügen. Er beschloss, die

restlichen paar Kunden, die er auf seinem Terminkalender hatte, anzurufen und ihnen mitzuteilen,

er sei leider heute wegen Krankheit verhindert und werde sich für einen neuen Termin wieder

melden. Dann steuerte er seinen Wagen in einen nahe der Autobahn gelegenen Wald und parkierte

ihn in einem Seitenweg.


Dino bellte wie verrückt, als er bemerkte, dass er heute zu einem ungeplanten Ausflug unter

Tannen und Buchen kam. Oder wenigstens meinte er, er käme dazu. Aber Friedel traf überhaupt

keine Anstalten, seinen Wagen zu verlassen, sondern öffnete nur sämtliche Fenster um Handbreite

und stellte die Rücklehne des Fahrersitzes so, dass er sich zu einem Nickerchen hinlegen konnte.

Aber bis er zu einem solchen kam, musste er dem Hund noch sehr energisch klarmachen, es läge

überhaupt kein Waldspaziergang drin, wenigstens die nächste Stunde nicht. Dino begriff endlich

und kuschelte sich, nachdem er sich noch knurrend ein paar Runden auf dem Beifahrersitz gedreht

hatte, ebenfalls zu einem Schläfchen hin.

          Georg von Signau: Noch weit bis Eden