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          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


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der routinemässigen Stichkontrollen, würde ihn wohl der Eliminator erwarten, wie es vor einem

Jahr seinem besten Freund geschehen war.


Inzwischen hatte die Sonne ihre Wärme verloren. In ein, zwei Stunden würde sie hinter den

riesigen Wolkenkratzern verschwinden und die Gesetze der Nacht begannen in Kraft zu treten.

Wenn er dann noch nicht in der schützenden Garnisonsstube war, dann würde man ihn erschiessen,

ohne lang zu fackeln und ihn nach seinen Gründen zu fragen, wer er sei und warum er sich zu der

verbotenen Zeit noch draussen herumtreibe. Aber die Neugierde hatte ihn gepackt. Ein paar

Minuten würde er noch riskieren. Er fuhr hastig fort, die Steine zu beklopfen. Schon wollte er

resigniert aufgeben, als ihm schien, der eine Stein sei doch tatsächlich nicht so hart wie seine eben

beklopften Nachbarn. Und hatte er sich denn nicht um einen Bruchteil von einem Millimeter

bewegt? Nochmals klopfte Fedor an den Stein. Kein Zweifel, er fühlte sich an wie aus der gleichen

Papiermasse, die Fedor und seine Schulkameraden in den Bastelstunden verwendet hatten, um

Masken zu formen. Hastig bückte er sich, um einen kantigen Kiesel aufzunehmen. Mit diesem

kratzte er vorsichtig am Stein. Ein grauweisses Pulver rieselte leise zu Boden. Fedor suchte in

seinen Taschen nach dem Messerchen, das er sich im Basar unter den Nagel gerissen hatte, als sie

letzte Woche auf der "Erziehungstour" die Läden der hundertvierzigsten Strasse gefilzt hatten.

Zwar war es bei Todesstrafe verboten, in den Läden Messer zu verkaufen, aber was unter

Klingenlänge fünf Zentimeter lag, galt als Souvenir und unterstand nicht dem Subversivenartikel

des Gesetzes.

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