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ritt um Wild zu jagen, dachte er meist weniger an vierbeiniges denn an zweibeiniges. Und
es machte ihm wenig aus, wenn es Kinder dabei hatte. Sichtete er eine ihn geil machende
Frau, schickte er die Kinder einfach weg, sie sollten anderswo ihre Beeren ablesen. Dann
fiel er über die Frau her, die aus Angst, es könnte ihr oder der ganzen Familie vom bösen
Herrn noch weit grösseres Ungemach zuteil werden, das Unvermeidliche über sich ergehen
liess. Falls eine ihm gar scheinbar entgegenkam in seinen abartigen Wünschen, konnte sie
mit einem saftigen Hasen- oder Rehbraten rechnen noch in der gleichen Woche.
Ihren Männern verheimlichten die Frauen diese Dinge. Aber es konnte nicht bis in
alle Ewigkeit verheimlicht werden. Da sie es manchmal, wenn sie den inneren Druck nicht
mehr aushielten, ihren Nachbarinnen oder Freundinnen erzählten, und weil diese dann,
trotz hochheiligem Versprechen, es niemandem zu verraten, wiederum ihrer besten
Freundin weitersagten, konnte der Moment nicht verhindert werden, da der eigene Mann es
vernahm.
Bevor die grosse Trockenheit kam, ging Kathrin jeweils wenn Not am Manne resp.
der Frau war, ins Schloss, wo sie bei der Wäsche oder in der Küche aushalf. Lohn erhielt
sie, wie auch Gerold und die anderen Bediensteten, nur in Form von Esswaren und
Kleidern. Höchstens gegen das Jahresende zu, oder wenn die Bauern den Zehnten ins
Schloss lieferten, und wenn Kuno gerade gnädig gestimmt war, gab es eine Silbermünze,
die dann sofort für das Nötigste in der Familie oder im Haushalt umgesetzt wurde.
Etwa ein Jahr nach dem Raubzug nahm Kathrin ihre beiden Kinder Thomas und
Gerhardt mit in den Wald zum Beeren pflücken. Als Gerold spät nachts nach Hause kam,
sass seine Frau in einer Ecke, still vor sich hin starrend. Auf dem Herd war kein Essen zum
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