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          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


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Natürlich wurden die toten Männer am Aareufer im Schilf entdeckt. Allerdings nur drei.

Vom vierten fehlte jede Spur. Man wusste ja nicht mal, dass es eigentlich vier hätten sein

sollen. Die Tat sprach sich wie ein Lauffeuer im ganzen Land herum. Eine hektische

Untersuchung begann. Aber noch in der selben Woche begann es endlich zu regnen. Sieben

Tage und Nächte lang goss es wie aus Kübeln. Anfänglich jubelten alle. Aber die Bauern

sahen mit Sorgen, wie die ausgetrockneten Äcker sich mit dem Regenwasser zu

schmutziggelben Rinnsalen vermischten. Wo die Äcker an Hängen lagen, war dies

verheerend. Tiefe Rinnen bildeten sich zu Sturzbächen, die samt Erde in die Bäche flossen.

Auf den Äckern der Ebene aber begann die Saat, die vor Monaten ausgesät worden war, in

Rekordzeit zu spriessen. Falls das Wetter und die Sonne mitspielten, konnte im Spätherbst

noch mit reifem Korn gerechnet werden. Auch das Gras auf den Wiesen schoss in die

Höhe. Endlich bekamen die Kühe wieder reichlich Futter. Die Schweine hatten nie Not

gelitten, denn sie waren von den Frauen in die Wälder zum Eicheln fressen getrieben

worden. Dort fühlten sie sich wie im Paradies, wenn sie als besondere Leckerbissen dicke

Würmer und Larven aus dem lockeren Boden rüsseln konnten. Ein paar Sauen paarten sich

sogar mit den reichlich vorkommenden Keilern, so dass nach ein paar Monaten die ersten

Mischlinge zwischen Sauen und Wildschweinen zur Welt kamen. Auch die meisten

Menschen hatten nun ausgesorgt.

Das Erlebnis an der Aare hatten sie verdrängt. Jeder hütete sich ängstlich, es wieder

auszugraben. Dass jedoch jeder sich in Gedanken damit beschäftigte, sah man daran, dass

sie sich nicht mehr so offen in die Augen sehen konnten wie früher.

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