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          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


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Neuigkeit auf einem Ritt Kuno, dem Schlosshern, als er einen Anstandsbesuch bei ihm

machte.

Diese Nachricht bereitete Kuno schlaflose Nächte. Natürlich hätte auch er die

nötigen Goldstücke gehabt, damit er Waren im Ausland hätte beschaffen können. Aber

diese Lösung wäre ihm wohl nur in äusserster Lebensnot eingefallen. Nein, sein Trachten

ging schon bald in die Richtung, wie er dem verhassten Göskoner die eingeschifften Waren

abspenstig machen könnte. Als er die Lösung gefunden zu haben glaubte, rief er Gerold,

den Schmied Jufli und seine Kollegen, die Stallburschen Bernhard, Karel und Friederich in

das Schloss, was eine absolute Seltenheit war, denn Kuno schaute sonst mit eiserner Härte

darauf, dass das Niedere Gesinde keinen Fuss über die Schlosstreppe machen durfte. Kuno

sass auf seiner Stabelle am riesigen Eichentisch und stierte sie an. ,,Ihr wisst ja alle", fing er

seine Rede an," dass wir alle am Hungertuch nagen." Dann machte er eine Kunstpause, was

Gerold Gelegenheit gab, in seinem Kopf den Gedanken hochkommen zu lassen, dass er

zwar wusste, wie das ganze Schloss und die Bauern jeden Abend mit knurrenden Mägen in

die Strohsäcke krochen. Aber bei ihrem Herrn Kuno sah man noch keine einzige Rippe am

Leib hervortreten. "Und ihr wisst ja alle auch", fuhr Kuno fort, ,,dass mir der Göskoner

noch eine Menge Geld schuldig ist". Wieder machte er eine Pause und schaute mit seinen

stechenden Augen allen lauernd ins Gesicht, ob sie wohl wüssten, dass die Wahrheit doch

eher andersherum war, nämlich, dass Kuno für ein Ross, das er dem Göskoner vor einem

Jahr abgekauft hatte, noch immer den Kaufpreis schuldig war. Dies wusste ja im Umkreis

von ein paar Meilen jedes Kind, denn solche Nachrichten verbreiteten sich wie ein

Lauffeuer auf dem Oltner Markt. ,,So ist es denn nicht mehr als recht, wenn ich versuche,

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