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          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


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bewirtschaftet wurden. In guten Jahren gaben die Äcker genug Nahrung ab um die Bauern

selbst zu ernähren und ihren Zehntel ins Schloss zu bringen. In diesem Jahre aber, von dem

hier die Rede ist, war seit Jänner kaum ein Tropfen Regen gefallen. Was die Bauern auch

aussäten, es kam gar nicht erst zum Keimen. Nur gerade die Gärten, die sich die Frauen

rings ums Haus hielten, konnten bewässert werden, da auch die Brunnen langsam

austrockneten. Der Bach, der vom Berg herunter durch Göskon lief und in die Aare

mündete, war bereits ausgetrocknet, die letzten Krebse hatten sich im Schlamm eingewühlt

und wurden von den Bauern eingefangen, damit sie nicht nutzlos krepieren mussten. Sie

durften sie jedoch nicht selber verspeisen, denn die Schlossherren hatten das alleinige

Recht darauf. Und wehe, ein Untertan wurde dabei erwischt, dass er sich einen Krebs zu

Gemüte führte. Kuno drohte jedem, ihm eigenhändig einen Finger der rechten Hand

abzuschlagen als Strafe.

Natürlich war es nicht nur hier so trocken. Nein, im ganzen Land und sogar bis weit

über die Grenzen hinaus litten die Menschen unter einer bitteren Hungersnot. Viele in den

umliegenden Ländern wanderten aus. Die meisten in die Berge, wo die Gletscher die Bäche

noch einigermassen mit Wasser füllen konnten. Dieses aber wurde bereits für das

Bewässern der kargen Bergäckerlein verwendet, bevor es in die breiteren Flüsse gelangen

und auch die einst so fruchtbaren Täler des Mittellandes mit ihrem kostbaren Nass

befruchten konnte. Die Aare war nur noch ein schmales Rinnsal. Die Fische sammelten

sich in den wenigen tiefen Stellen und konnten bereits von Hand gefangen werden. Einige

Handwerksleute aus dem Lande Bayern kamen auf der Suche nach Arbeit und Essen bis

hierher, wo sie sich erschöpft nieder liessen. Klar, dass sie auch hier in der Gegend von

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