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kaum spürbar. Schnell sprang er zur Seite und rief: ,,Nicht schlagen, Herr. Das Lederzeug
hängt, wie ihr es mir befohlen habt, neben dem Brunnen auf der Stange. Und es ist
vorzüglich vom Schweiss des Pferdes gewaschen und eingewichst. Ihr wisst doch, Herr,
dass ich es nicht wagen würde, euren Befehl zu missachten."
Kuno, Gerolds Gebieter beruhigte sich. Gerold wusste aus Erfahrung, dass er nach
seinem Mittagsschlaf noch bärbeissiger war als sonst schon. Kuno wickelte sich den
Lederriemen der Peitsche ein paarmal über Hand und Ellenbogen und steckte ihn dann
zusammen mit dem Schaft wieder zurück in den Stiefel. Dann schritt er gemächlich zum
Ziehbrunnen und begutachtete Gerolds Arbeit. Langsam verflog der böse Ausdruck aus
seinem Gesicht. Es konnte ihm nicht entgangen sein, dass Gerold das Lederzeug mit
Spucke und Speckschwarten gut eingerieben und danach mit alten Lappen auf Hochglanz
poliert hatte. Natürlich konnte er, nachdem er ihn grundlos zusammengestaucht hatte, nicht
etwa zu erkennen geben, er hätte gute Arbeit geleistet. Schliesslich war er ja der Herr und
Gerold nur ein geduldeter, stinkender Niemand, wie er sie sich dutzendweise im Schloss
halten konnte. Deshalb gab er dem Sattel einen überflüssigen Tritt mit dem Stiefel, dass das
Leder einen Ton von sich gab, das an das Grunzen eines Frischlings erinnerte. Dann aber
raunzte er Gerold über die Schulter zu: ,,Versorg das Zeug in der Remise, du Affe!" Dann
zog er mit langen Schritten davon und verschwand über die Treppe im Schloss.
Vor dem Schloss, am Hang quasi angeklebt, waren Ställe und die Hütten der Bediensteten
der Schlossherren. Hier wohnte auch Gerold mit seiner Frau Kathrin und seinen zwei
Kindern. In einiger Distanz lagen um das Schloss ein paar Höfe, die von Leibeigenen
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