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Sie schüttelte den Kopf und nun konnte sie den Tränen ihren natürlichen Lauf nicht mehr
verwehren. "Eben nicht," stiess sie gequält hervor. "Er wirft sie lebendigen Leibes....." Dann stand
sie auf und wollte fluchtartig die Küche verlassen. Aber Friedel stand ebenfalls auf und trat ihr in
den Weg. Der Zusammenstoss war unvermeidlich. Schluchzend lag sie an der Brust eines ihr
fremden Mannes und zitterte am ganzen Leib. Friedel strich ihr tröstend über den Rücken. Das
schien die Frau merklich zu beruhigen, denn sie hörte zu weinen auf und erhob ihren Blick. "Sie
können sich ja nicht vorstellen, was es heisst, mit einem Manne verheiratet zu sein, dem das Leben
von Kreaturen nichts weiter bedeutet, als Fressen für sich selbst oder für andere Tiere," kam es wie
ein lange vereister Wasserfall aus ihr heraus. "Sie müssen wissen, dass ich nicht aus einer
bäuerlichen Familie stamme. Mein Mann aber hat seit seiner Jugend nichts anderes gesehen, als
lebendige und tote Tierkadaver. Da ist es schon irgendwie verständlich, wenn ein Mensch verroht
oder total abstumpft. Aber ich selber habe da nie mithalten können. Immer wieder habe ich
versucht, das ganze auf ein humaneres Niveau zu bringen. Aber mein Mann lachte mich nur immer
aus. Wenigstens sind unsere drei Kinder nicht so geworden wie er. Das ist auch der Grund, warum
keines das Bauern hat weiterführen wollen. Aber seit der letzte der Buben unser Haus verlassen
hat, bin ich noch einsamer geworden mit meinem Mann." Sie bemerkte wohl erst jetzt die
merkwürdige Situation, in der sie sich befanden und wollte sich langsam aus den Armen Friedels
lösen. Aber dieser machte keine Anstalten, sie loszulassen. Im Gegenteil: Der warme Körper der
reifen Frau, die aber noch irgendwie eine rechte Portion Jugendlichkeit gerettet hatte, liess sein
Herz schneller klopfen. Und er merkte, dass auch sie nicht darauf bestand, losgelassen zu werden.
So standen sie eine ganze Weile da. Jedes genoss die Körperwärme des anderen. Schliesslich hob
Friedel mit seiner Rechten das Kinn der Frau zu sich hoch und küsste ihr langsam die Tränen von
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