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Die nächsten Monate waren ausgefüllt mit Putzerei und Renovation des neuen Heimes. Dazu
kamen noch die Vorbereitungen für die Hochzeit. Mutter Sonja fühlte sich in ihren eigenen
Brautstand zurückversetzt. Sie kam so in Fahrt mit guten Ratschlägen und tatkräftiger Mithilfe,
dass man hätte meinen mögen, nicht die Tochter, sondern sie wäre die Braut. Am Anfang war
Friedel total dankbar für jeden Rat aus ihrem Munde. Als die beiden Frauen aber das Heft so fest in
die Hände nahmen, dass er sich bald einmal an die Wand gedrückt vorkam, schwante ihm so nach
und nach, was auch fürderhin im Hause Reist für ein Geist herrschen werde, und es wurde ihm
langsam unheimlich zumute.
Zum Fest bekam auch Silvias Vater formhalber eine Einladung. Niemand glaubte an eine Zusage.
Denn schliesslich hatte er sich in den vergangenen Jahren überhaupt nicht mehr um Kind und
ehemalige Frau gekümmert. Aber man hatte sich getäuscht. Ein paar Tage vor dem grossen Fest
erhielt das Paar einen Anruf, bei dem sich der Vater herzlich bedankte und sein Erscheinen in
Aussicht stellte. Die schon aufgestellte Tischordnung musste eilends umgekrempelt werden. Da
aber niemandem seine unmittelbare Nachbarschaft am Tisch zugemutet werden konnte, beschloss
der kleine Familienrat, den abtrünnigen Vater an das Fussende des Tisches zu plazieren. Links und
rechts von ihm kamen die ebenfalls eingeladenen alten Freunde Lutz und Margit zu sitzen, die man
aus diplomatischen Gründen auch nicht ohne Einladung hatte lassen können. So, meinte man, sei
das Möglichste getan, den dummen Sprüchen des Erzeugers aus dem Wege zu gehen.
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