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          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


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darauf zurückzuführen, dass sie als Einzelkind hatte aufwachsen müssen und ihre Mutter sich nur

wenig um sie kümmern konnte, weil der Vater seiner Alimentenpflicht nur sehr sporadisch

nachkam. So musste die junge Mutter eben ganztags arbeiten gehen. Ihre Eltern halfen zwar wo sie

nur konnten, finanziell und mit Hütedienst. Ein Autounfall, bei welchem beide ums Leben kamen,

gebot aber hier ein brutales Ende. Zwar war eine kleine Erbschaft fällig. Aber die musste Sonja,

die Mutter von Silvia, noch mit drei Geschwistern teilen. So blieb nach den Beerdigungskosten

und nach Auflösung des Haushaltes nur noch ein geringer Betrag übrig, den zu teilen sich kaum

lohnte. So brachte für vier Töchter und sieben Enkelkinder der plötzliche Verlust ihrer Eltern und

Grosseltern sehr grosse Veränderungen. Denn die Grosseltern waren nicht nur für Silvia, sondern

auch für die sechs anderen Enkel der ruhende Pol gewesen.


So war auch verständlich, dass Sonja sich nicht eitel freute, als Silvia ihr mitteilte, sie werde in

Kürze mit ihrem Freund zusammenziehen. Sonja wusste zwar aus eigener Erfahrung, dass ein

Sich-querstellen genau das Gegenteil bewirkt hätte von dem, was man eigentlich gerne gemocht

hätte; nämlich eine Verlängerung des engen Mutter-Tochter-Verhältnisses. Trotzdem versuchte sie

möglichst diplomatisch, ihrer Tochter die Nachteile des Zusammenlebens mit einem Manne

realistisch darzustellen. Aber Silvia hätte nicht die Tochter ihrer Mutter sein müssen, wenn sie

nicht genau realisiert hätte, was die eigentlichen Beweggründe der Mutter waren. So kehrte sie den

Spiess eben um. Es wäre doch auch für sie recht nützlich, sagte sie, wenn im engeren Umkreis ein

Mann für alle Fälle erreichbar war.

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