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          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


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Erst jetzt wurde ihm richtig bewusst, in welcher Gefahr sie sich befunden hatten. Seine Beine

wurden schwer und eine Last legte sich auf seine Brust. Langsam kam ihm aber auch zu

Bewusstsein, dass er vermutlich sein Leben dem Männchen zu verdanken hatte, dem er nur

widerstrebend gefolgt war. Er drehte sich um, um zu danken. Aber Mann und Hund waren

verschwunden. Unschlüssig ging Friedel ein paar Schritte zurück. Aber wo er auch hinschaute,

kein Mann und kein grosser Hund waren zu sehen. Die einzigen Lebewesen die er sah, ausser ihm

selber und Dino, waren eine Gemsmutter und ihr Junges, die sich in etwa hundert Metern von

ihnen entfernt gemächlich dem Berg zu bewegten.


Friedel formte seine Hände zu einem Trichter und rief in alle Windrichtungen. Aber nur das Echo

schallte schauerlich und vielfältig zurück. Die Gemsmutter hielt in ihrem Gang inne und schaute

zurück. Dann schüttelte sie ihr Haupt und setzte ihre Wanderung fort. Das Junge folgte ihr brav.


Friedel merkte, wie sich ihm die Haare sträubten. Auf den Armen sah er eine Gänsehaut sich

bilden. Rasch setzte er seine Wanderung nun fort, denn er wollte noch vor der Dämmerung in

Kandersteg sein. Das Geröllfeld überquerte er zwar mit einigem Unbehagen, aber in der Hoffnung,

es werde sich ja nicht zweimal hintereinander eine Rüfe lösen. Dino hüpfte vergnügt von

Felsklumpen zu Felsklumpen und schien überhaupt nicht beeindruckt worden zu sein von dem

eben Erlebten.


In der Nähe eines Stadels sah Friedel einen Sennen mit seiner Frau beim Heuen. Als er in ihre

Nähe kam, hielten sie in ihrer Arbeit inne und beguckten die Ankömmlinge, als sähen sie Wesen

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