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          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


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Hundegebell schlug ihnen von weitem entgegen. Beide standen bockstill. Dinos Rückenhaare

standen zu Berg. Friedel vergass einen Augenblick zu atmen. Was war denn heute in der Lichtung

los? Entschlossen der Sache auf den Grund zu gehen, setzte er seinen Marsch fort. Da bot sich

ihnen ein recht ungewohntes Bild: Mitten auf der Lichtung standen zwei Zigeunerwagen, im

rechten Winkel zueinander gestellt. Ein grosser, struppiger Hund, an einer langen Kette

angebunden, kläffte und stellte sich auf die Hinterpfoten. Mit den Vorderpfoten ruderte er in der

Luft herum, als wollte er den beiden Eindringlingen die Gesichter zerkratzen.


Das kam aber nun Friedel gar nicht gelegen. Er konnte unmöglich hier seiner geliebten

Freizeitbeschäftigung nachgehen, inmitten dieser Zigeunerwagen und dem kläffenden Hund.

Immerhin war seine Neugierde grösser als der Ärger über die verpatzte Gelegenheit. Er näherte

sich vorsichtig den beiden Wagen, immer von einem Baum zum anderen gehend, da er nicht die

Absicht hatte, aufzufallen. Dino aber nahm keine Rücksicht und kannte überhaupt keine

Hemmungen. Schnurstracks steuerte er auf den verwilderten Artgenossen zu. Etwa zwei Meter vor

ihm blieb er stehen. Die Nackenhaare waren zwar gesträubt, der Schwanz aber redete eine ganz

andere Sprache: "Lass doch das blöde Bellen, du Angeber. Wir wollen dir ja nichts zuleide tun,

kommen in friedlicher Absicht," sollte das wohl heissen. Und der Zigeunerhund schien zu

verstehen. Er hörte mit dem Bellen auf und auch sein buschiger Schwanz redete in der

internationalen Hundesprache: "Naja, entschuldige. Weisst, wir bekommen schliesslich nicht alle

Tage Besuch. Und wenn mal einer kommt, dann ist es gewiss der Gendarm, der uns wegweist vom

Boden, wo wir eben unser Lager aufgestellt haben. Na komm schon. Ich kann ja leider nicht

kommen, das siehst du doch, oder? Bin ja an der Kette."

          Georg von Signau: Noch weit bis Eden