Benutzerprofil von stefan15
Endlich hatten wir jetzt in der Hand, um unsere gerechten Ansprüche geltend zu machen. Und beide waren wir - meine Frau und ich - auch davon überzeugt, das wir diesen Trumpf jetzt ausspielen durften und sollten:
Vor gut zwei Jahren hatte der Besitzer von zwei Nachbargrundstücken neben uns ein Haus gebaut. Wir hatten damals ein kleines Tauschgeschäft vereinbart: Wir würden ihm ein Durchfahrtsrecht über unsere eigene Einfahrt zu seinem Haus einräumen, und er würde uns dafür neben unserem Haus einen gepflasterten Stellplatz mit Carport einrichten.
Unseren Teil hatten wir erfüllt und auch notariell beglaubigen lassen. Aber von seiner Seite war nie etwas geschehen. Auf Nachfrage hatte er immer wieder erklärt, dass er das Projekt jetzt dann bald angehen würde. Dabei war es geblieben.
Nun jedoch wollte er das zweite Grundstück verkaufen und hatte uns gebeten, dafür unsere notariell beglaubigte Zustimmung zur Löschung eines Geh- und Fahrtrechts für den neuen Besitzer abzugeben. Grundsätzlich sprach überhaupt nichts dagegen, und wir waren natürlich bereit, ihm diesen Gefallen zu tun - auch ohne weitere Gegenleistung. Aber uns wurde auch klar, dass wir nun wenigstens ein kleines Druckmittel hatten, um ihn dazu zu bringen, doch endlich sein altes Versprechen einzulösen und den Carport zu bauen.
Kaum war uns das klar geworden, stand die nächste Zusammenkunft unseres Bibelkreises an. Ich hatte die Vorbereitung übernommen und stellte das 'Wort des Lebens' des Monats in den Mittelpunkt: "Gebt, dann wird auch euch gegeben werden..." Schon während des Treffens fiel mir plötzlich unser Nachbar ein. Zuhause sagte ich zu meiner Frau: "Das mit dem Druckmittel ist nicht gut! Am Montag gehen wir zum Notar und geben unsere Zustimmung zu der neuen Anfrage, ganz egal, ob der Nachbar die alte Zusage nun erfüllt oder nicht."
So machten wir es, ohne unseren Nachbarn davon in Kenntnis zu setzen. Und was geschah? Am folgenden Morgen standen die Bauarbeiter vor unserem Haus und begannen, die Pflasterarbeiten des vom Nachbarn zugesagten Stellplatz mit Carport vorzubereiten...
Für Untersuchungen musste ich in die Klinik. Früh morgens begann es: eine Nummer ziehen, dann warten, bis ich zur Anmeldung aufgerufen wurde. Dort erhielt ich eine andere Nummer für die erste Untersuchung und wieder saß ich in dem riesigen Wartesaal.
So bekam ich mit, wie viele ältere Menschen ankamen und nicht wussten, wohin sie sich wenden sollten. Nach einiger Zeit gingen sie zur Anmeldung, um nachzufragen. Meist bekamen sie nur knapp und unwirsch zur Antwort, dass sie erst eine Nummer ziehen mussten.
Der Apparat dafür war wirklich unglücklich plaziert und nicht deutlich gekennzeichnet. So erhob ich mich und fragte beim Pförtner nach, ob er nicht ein Hinweisschild anbringen könnte. Aber er gab mir zur Antwort, dass das nicht seine Aufgabe sei. Wir diskutierten kurz, dann ließ er mich einfach stehen. Zunächst war ich wütend. Dann beschloss ich, die Wartezeit zu nutzen und setzte mich in die Nähe des Apparats. Für jeden Neuankömmling zog ich nun eine Nummer und hielt sie ihm entgegen.
Nach einiger Zeit kam ich mir lächerlich vor, alle Augen waren auf mich gerichtet. Dann fragte auch noch ein Besucher, warum ich das mache, schließlich könne die Klinik ja ein Schild anbringen. Zunächst wollte ich in seine Beschimpfungen einstimmen. Aber dann kam mir: "Und was ändert das?" Freundlich erklärte ich ihm, dass ich nachgefragt hatte, man aber wohl im Moment nichts machen könne. Deshalb hätte ich beschlossen, die Wartezeit zu nutzen.
Inzwischen wurde meine Nummer aufgerufen, und so ging ich zum Untersuchungszimmer. Nach etwa zweieinhalb Stunden kam ich wieder am Wartesaal vorbei und sah erfreut, dass neben dem Apparat inzwischen ein anderer Besucher saß, der den Neuankömmlingen jeweils eine Nummer entgegen hielt...
Warum interessant? Weil die Jugend keine Schwierigkeiten hat, auch mit Tricks eine zerbrochene Beziehung wieder herzustellen. Wie hier unser Pieter aus Holland.
"Wir spielten gerade Fangen im Pausenhof. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie wurden wir mit der Zeit immer grober miteinander. Irgendwann schubste auch ich einen Mitschüler etwas zu heftig. Als mir klar wurde, dass das nicht in Ordnung war, bat ich ihn um Entschuldigung. Er aber wollte sich nicht mit mir versöhnen.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war schuld daran gewesen, dass wir uns zankten, und deswegen wollte ich auch den ersten Schritt der Versöhnung machen. Aber was sollte ich tun, wenn er überhaupt nicht wollte? "Ich muss mir einen Trick einfallen lassen", sagte ich mir.
Zu Hause habe ich einen Würfel. wo auf jeder Seite ein Tages-Motto steht, zum Beispiel: alle Menschen lieben, oder: als erster lieben, oder: die Feinde lieben, oder: immer lieben ... -
Ah, das ist der Trick!, dachte ich. Es reicht wohl nicht, ihn um Entschuldigung zu bitten. Ich muss ihm einfach, so oft ich kann, Gutes tun.
In der Nachmittagspause hatte er die Aufgabe, den Pausenraum nach dem Essen aufzuräumen - ein Job, den keiner von uns gerne macht. Und so räumte ich an seiner Stelle den Raum auf.
Als wir die Schule verließen, bemerkte ich, dass er die Schlüssel von seinem Fahrradschloss liegen gelassen hatte. Da lief ich noch mal zurück, um sie für ihn zu holen. Er sagte kein Wort; an diesem Nachmittag wollte er sich einfach nicht mit mir versöhnen.
Aber am nächsten Tag kam er sofort in der Frühe auf mich zu und gab mir die Hand. Er wollte neu beginnen. "Der Trick hat tatsächlich funktioniert!", dachte ich bei mir."
(Pieter, Holland, 14 Jahre. )
Diese Sache, von der hier die Rede ist, erfuhr ich in unserer Gruppe, wo wir uns so einmal im Monat treffen, und über verschiedene Themenbereiche sprechen. Das Thema lautete diesmal: 'Freundschaften auf der Arbeitsstelle'. Ein Teilnehmer berichtete über seine diesbezügliche Erfahrung:
"Es war kein böser Wille, sondern eher Nachlässigkeit. Trotzdem ärgerte ich mich über meinen Mitarbeiter. Ich brauchte dringend Informationen für meine Arbeit, und er hatte sie mir zum wiederholten Male nicht zukommen lassen.
Auch wenn es mir unangenehm war: Ich musste ihn deswegen zur Rede stellen und ihn zurechtweisen. Ihm gegenüber fiel mir das noch schwerer, weil wir häufiger freundschaftlich miteinander sprachen, in vielen Dingen übereinstimmten und uns auch gegenseitig sympathisch fanden. Wie sollte ich jetzt die richtigen Worte finden? Ich wollte ihn nicht verletzen, musste aber dennoch Klartext reden.
Die Aussprache verlief so recht und schlecht. Ich war nicht ganz sicher, ob es mir gelungen war, das auszudrücken, was ich mir vorgenommen hatte.
Einige Tage später traf ich ihn wieder. Er sah schlecht aus. Ich sprach ihn auf unser Gespräch an. Tatsächlich hatte die Unterredung ihn aufgewühlt und ihm den Schlaf geraubt. Das ging wiederum mir an die Nieren, weil ich ihn menschlich und auch beruflich sehr schätze. Abends schrieb ich ihm eine persönliche Karte und legte ein Geschenk für seine kleine Tochter bei.
In den folgenden Wochen lief der Informationsfluss bei der Arbeit wieder besser, und ich spürte, dass mein Mitarbeiter meinen Hinweis ernst nahm.
Dann kam die gemeinsame Betriebs-Urlaubszeit. Zurückgekommen, überreichte mir dieser Mitarbeiter strahlend eine kleine Kostbarkeit aus seinem Urlaubsland.
Offenbar war von unserem Konflikt in ihm kein Schatten geblieben. Und in mir war ein starkes Gefühl der Freude und Dankbarkeit für unser gemeinsames Ringen um Ehrlichkeit und um den Erhalt unserer guten gegenseitigen Beziehung." M.W.
Hier habe ich ein schönes Beispiel für einen guten Umgang untereinander von Jugendlichen verschiedener Nationen erfahren:
"Ich verbringe viel Zeit mit meinem BMX im Bike-Park. Dort kennen sich fast alle, und deswegen sind wir eine ziemlich gute Clique. Unangenehm wird es nur, wenn sich an schönen, arbeitsfreien Tagen nicht nur die guten Fahrradfahrer und Skater dort aufhalten, sondern auch viele Kinder oder andere Leute. Dann muss man sehr aufpassen, dass einem niemand in die Speichen läuft. Da kann es dann schon mal passieren, dass wir etwas genervt sind.
An so einem Tag waren wir wieder einmal ziemlich angespannt. Da fuhr ein Kumpel von mir eine hohe Rampe hinunter und rammte einen anderen Biker. Der schnauzte meinen Freund in schlechtem Deutsch an. Als mein Kumpel mitbekam, dass der andere ein Türke war, beschimpfte er ihn mit "Kanacke", und "du hast hier in Deutschland sowieso nichts verloren" und anderen Unfreundlichkeiten. Ein paar meiner Freunde fanden das cool und stiegen in den Streit mit ein. Und natürlich rotteten sich auch die Türken zusammen.
Da sagte ich mir: Das ist nicht mein Ding! Ich will nach der 'Goldenen Regel' leben, das heißt: die anderen so behandeln, wie ich selbst behandelt werden möchte. Wenn ich Ausländer in einem Land wäre, dann würde ich nicht wollen, dass man mich so beschimpft. Einen meiner Kumpels, dem ich zutraute, dass er mich versteht, bat ich, mir zu helfen, die Leute zu beruhigen, - was uns dann auch einigermaßen gelang.
Als ich am nächsten Tag wieder auf den Bike-Platz fuhr, sah ich aus der Ferne meine Kumpels, aber auch die Türken. Zuerst fuhr ich zu meinen Freunden und dann ging ich zu den Türken hin und fragte, ob mit dem Rad alles in Ordnung ist. Wir haben uns dann richtig gut unterhalten. Meine Kumpels beobachteten das skeptisch. Später fragte mich einer: "Warum bist du jetzt mit den Kanacken zusammen?" Ich antwortete ihm: "Stell dir vor, dein Vater hätte Dich ins Auto gepackt, als du noch ein kleines Kind warst, und wäre mit dir in ein fremdes Land gefahren, um dort zu arbeiten. Weil du die Sprache nicht gut kannst, bekommst du Schwierigkeiten in der Schule, dann keinen richtigen Abschluss und deshalb auch keinen guten Job." Das war zwar vereinfacht gesagt, aber ich wollte, dass er sich in die Ausländer hineindenkt. Er hörte mir zu und gestand dann nachdenklich: "Ja so habe ich das noch nie gesehen."
Heute sind wir im Bike-Park unserer Stadt eine super multikulturelle Fahrrad-Clique aus Türken, Russen und Deutschen." (P.H., 16 J.)
stefan15 hat das Thema PERLEN IM SCHNEE - Weihnachtsgeschichte im Forum Weihnachten & Advent eröffnet
Eine gute Bekannte war ganz verzaubert von dieser Geschichte. Sie erzählte sie mir; und sie war auch einverstanden, dass sie hier erscheint...!
Manche Momente möchte man festhalten. Sie bringen Licht ins Leben. Sie verzaubern den Alltag. Sie sind so kostbar und selten wie Perlen im Schnee. So dachte ich am vergangenen Heiligen Abend. Zugegeben, es ist immer ein besonderer Abend. Da glitzert und flimmert es in allen Stuben. Da steigt der Duft von Weihrauch durchs Haus. Und weihnachtliche Melodien rühren uns an. Alle Jahre wieder...!
Ab 2011 war etwas anders, jedenfalls in dem kleinen Städtchen, wo ich wohne. Ich war zu Gast ins Chinarestaurant eingeladen zusammen mit Herrn G.*, einem Flüchtling aus China.
Aber schon beim Hereinkommen erkannte ich auch unter den Gästen einen Polizeibeamten aus dem Polizeianhaltezentrum unserer Kreisstadt. Dort war Herr G. festgehalten worden, bis man nach vier Monaten seinen vorläufigen Aufenthaltsstatus klärte. Und dort hatte auch ich ihn im Rahmen meiner Tätigkeit kennengelernt.
Auch Herr G. sah beim Betreten des Chinarestaurants auf den ersten Blick jenen - jetzt allerdings zivil und privat anwesenden - Polizeibeamten, den er bisher nur in Uniform kannte, der aber im Polizeianhaltezentrum die Gefängniszellen auf- und zuschließen, Anordnungen erteilen, Wache halten mußte, und was auch sonst noch so zu seinem Aufgabenbereich gehörte...
Und dann geschah etwas am Heiligen Abend, als der ehemalige politische Gefangene und der jetzt zivile Polizeibeamte sich zufällig wieder sahen: Sie umarmten einander, begrüßten sich wie Freunde, die sich nach langer Zeit wieder treffen, frei von auferlegten Rollenverpflichtungen auf der einen Seite, frei von Bitterkeit und Ressentiments auf der anderen Seite. Sie begegneten sich von Mensch zu Mensch in gegenseitiger Wertschätzung und Herzlichkedit. Ein tiefer Moment!
Doch damit nicht genug. Das Restaurant füllte sich mit Gästen - im wahrsten Sinne des Wortes. Denn wir, ausnahmslos alle, unabhängig vom sozialen Status, von Nationalität und Religionszugehörigkeit, wurden eingeladen und mit einem Gratis-Weihnachtsmenü beschenkt. Unsere chinesischen Gastgeber verwöhnten uns.
Es gab im Restaurant zwar kein Christbaum und keine Krippe. Und doch wurde ich unwillkürlich an die biblische Friedensbotschaft von Weihnachten erinnert und an die Sterndeuter aus dem Morgenland mit ihren kostbaren Geschenken, die sich vor dem fremden Kind verneigten...
Ja, es war ein Heiliger Abend!
(M.R.S.)
In unserer Gruppe kommen die unterschiedlichsten Menschen mit den unterschiedlichsten Erlebnissen zu Wort. Diesmal war es Stefan, ein Student, der uns von sich erzählte:
"Stefan", sagte ich zu mir selbst, "das darf doch nicht wahr sein!" Unwillkürlich hatte ich meinen Stuhl nach rechts gerückt, als Michaela (Name geändert) links neben mir Platz genommen hatte. Diese Kommilitonin war mir schon beim letzten Mal unangenehm aufgefallen, weil sie sich mit mehreren gestritten und öfter ungefragt ihre ziemlich unqualifizierte Meinung kundgetan hatte. Mein Erschrecken über mich selbst hatte gute Gründe: Seit geraumer Zeit versuche ich, mein Verhalten so auszurichten, dass ich den anderen mit Wertschätzung und Zuneigung begegne. Doch Michaela war mir einfach unsympathisch.
Das änderte sich auch nicht im Verlauf dieser zweiten Stunde unseres Psychologiepraktikums. Und als es hieß, dass wir uns beim nächsten Mal in Dreiergruppen einteilen und wechselseitig die Rolle des Therapeuten und des Klienten einnehmen sollten, war mir eines klar: Mit Michaela wollte ich auf keinen Fall in der Gruppe sein. Nach der Stunde merkte ich, dass offenbar niemand mit ihr zusammenarbeiten wollte; hinter den Kulissen wurden bereits Strategien entwickelt, um das zu verhindern.
Mir ließ das keine Ruhe. Ich spürte, dass es nicht richtig war, Michaela auszugrenzen. Sicher gab es auch an ihr positive Züge zu entdecken. Im Laufe der Woche nahm ich also Kontakt mit einer anderen Studienkollegin auf, von der ich mir Verständnis für meine Überlegungen erwartete. In der Tat war auch sie bereit, gegebenenfalls mit Michaela in eine Gruppe zu gehen. Beim nächsten Mal kam alles wie erwartet: Schnell hatten sich die Gruppen gebildet - ohne Michaela. Wir gingen also auf sie zu und schlossen uns zu einer 'Therapiegruppe' zusammen.
Die ersten Sitzungen waren ziemlich schwierig. Dennoch ließ ich es mir nicht durchgehen, über Michaela zu urteilen. Für die nächsten Begegnungen brachten die andere Kommilitonin und auch ich abwechselnd Tee und Süßigkeiten mit, inklusive einer Tasse für Michaela.
Mit der Zeit veränderte sich ihr Verhalten. Hatte sie anfänglich viel gesprochen, so hatten nun auch wir anderen beiden Gelegenheit, etwas zu sagen.
Irgendwann fiel mir auf, dass Michaela nach den Praktikumsstunden nie mit in die Mensa ging, sondern immer schnell verschwand. Mit etwas Geschick konnte ich es so einrichten, dass Michaela uns ein neues Bistro zeigen konnte, das eine günstige Mittagskarte hatte. Mittlerweile gehen viele Praktikumsteilnehmer regelmäßig in dieses Bistro, - und Michaela ist immer dabei.
Heute, zurückschauend, muss ich sagen: Eigentlich hatte es gar nicht viel gebraucht, um Michaela in die Gruppe zu integrieren. Und inzwischen kann ich ehrlichen Herzens sagen, dass ich sie richtig mag." S.B.
Von einem Freund stammt diese Erzählung, die er bei einem Bierchen abends vom Stapel ließ:
"Machen Sie das gerne?", fragte mich eine Frau, die im selben Gebäude arbeitete. Ich war gerade dabei, die Räumlichkeiten für Weihnachten zu dekorieren. "Ja, es macht mir Spaß", antwortete ich ihr freundlich. Ganz unversehens fuhr sie mich ganz grob an und sagte: "Also, ich hasse das!", drehte sich um und ging weg.
Ich verstand nicht, warum sie mich dabei so angefahren hatte, und das setzte mir richtig zu und ich war wütend. Deshalb reagierte ich zuerst auch trotzig. Ich fühlte mich auch im Recht, denn sie war bekannt dafür, dass sie oft grob mit den Leuten umsprang. Einige Tage gelang es mir nicht einmal, ihr in die Augen zu schauen, wenn wir einander in Korridor begegneten.
Doch es ließ mir keine Ruhe. Weihnachten kam näher und dann Krach unter uns, wer mag denn so was. Eines Tages ging ich dann mit dem festen Vorsatz in die Arbeit, wieder auf sie zuzugehen. Die Gelegenheit bot sich schnell, denn bald traf ich sie im Gang. Sie trug einen schweren Stapel an Arbeitsmaterialien. "Guten Morgen!", grüßte ich. "Wie geht es Ihnen heute?" Sie starrte mich perplex an. Dann nahm ich ihr ohne zu fragen den Stapel ab. Sie ließ es zu. Als wir wieder ins Büro ankamen, schauten sie mir gerade in die Augen und sagte zum erstenmal seit Wochen "Danke".
Das Eis war gebrochen, und so blieb es nicht bei dieser Episode. Als die anderen Angestellten in dem Gebäude mein Verhalten sahen, gingen auch sie mit der Zeit freundlicher mit der Frau um. Und sie ihrerseits begann, die ihr gegebenen Grüsse zu erwidern. Nach einigen Wochen mußten wir ehrlich untereinander zugeben, dass sich die Arbeitsatmosphäre merklich geändert hatte." M.A.
Guillermo war nervös und hatte Angst, dass er nicht zurecht käme. Der 13jährige Ecuadorianer hatte zwei Monate lang im Rahmen eines Schüleraustauschses bei uns gelebt. Nun war der Moment seiner Abreise. Er sollte am Münchener Flughafen seine Schulkameraden aus Ecuador treffen und mit ihnen zurückfliegen.
Ich hatte alle Möglichkeiten durchgespielt, aber es war mir einfach nicht möglich, Guillermo mit dem Auto die 250 Kilometer nach München zu fahren. Ob ich wollte oder nicht: Ich musste ihm zumuten, alleine den Zug zu nehmen.
Ich bemerkte, dass Guillermo damit überfordert war, denn er konnte kaum Deutsch, und er hatte Angst, dass ihn jemand auf Deutsch ansprach. So unternahm ich das möglichste , um ihm die Sorge zu nehmen. Ich suchte nach einer direkten Zugverbinduing. Dann kontaktierte ich seine Begleitpersonen und klärte mit ihnen ab, wann er ankommen und wo sie ihn abholen würden. Mit Guillermo sprach ich öfters alles bis aufs Detail durch, gab ihm alle Informationen schriftlich und versicherte ihm, er werde am Bahnsteig abgeholt. Obwohl ich alles sorgfältig geplant hatte, blieb ich unruhig. Was würde geschehen, wenn irgend etwas Unvorhergesehenes eintritt?
Am Bahnhof kamen wir frühzeitig an. "Wo fährt der Zug nach München ab?" fragte uns eine Dame. Die Frau schien mir ein Geschenk des Himmels zu sein. Sofort dachte ich daran, ihr Guillermo für die Reise anzuvertrauen. Ich gab ihr die Auskunft und bat sie gleichzeitig: "Unser Gastkind aus Ecuador muss auch nach München. Kann er sich zu Ihnen setzen?"
"Was? Er ist aus Ecuador?", rief sie, "ich bin aus Bolivien!" Und gleich sprach sie Guillermo auf Spanisch an. Er konnte sein Glück kaum fassen. "Ich kann es nicht glauben, ich kann mich mit jemandem aus Spanisch unterhalten!" wiederholte er ständig. Seine Sorge war verflogen. Wir hatten uns um vieles gekümmert, und es hatte sich alles wunderbar gefügt! Wir alle waren darüber froh...
Hier nun eine kurze Erzählung, die ich von einem jungen Studenten aus Ungarn hörte:
"Ein junger dunkelhäutiger Mann fuhr mit dem Taxi vor und begehrte Einlass in das Krankenhaus, an dessen Pforte ich arbeitete.
Der Mann wollte eine Unterkunft für die Nacht. Er hatte zu dieser späten Stunde keine Möglichkeit mehr, mit dem Zug weiterzufahren. Auch war es ihm fast unmöglich, irgendwo noch ein Quartier zu bekommen. Er war Student und wollte am nächsten Morgen weiterreisen. Der Taxifahrer hatte ihm den Rat gegeben, bei uns nachzufragen. Ich war etwas unsicher, aber die Worte aus der hl. Schrift "denn ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen", ließen mich meine Beklommenheit überwinden.
So sprach ich mich mit der diensthabenden Ärztin ab. Sie meinte, wenn ich bereit sei, den Mann in der Nähe der Pforte auf den dort stehenden Sitzpolstern übernachten zu lassen, damit ich ihn auch im Auge behalten könnte, würde sie ihr Okay geben.
Also versorgte ich den fremden Mann mit einer Decke und gab ihm etwas zu essen und zu trinken. Er war sehr überrascht, bedankte sich überglücklich und schlief tief und fest bis zum nächsten Morgen..." R.K. (Ungarn)