Selbstständig Leben trotz Sehbehinderung

Wie ein selbstständiges Leben trotz Sehbehinderung durch eine altersabhängige Makuladegeneration möglich ist – und warum grelle Farben und helles Licht dabei eine Rolle spielen, erklären Experten der Selbsthilfevereinigung PRO RETINA.
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©dassel | Pixabay.com

Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) betrifft in Deutschland rund 7,5 Millionen Menschen – und ihre Angehörigen. Die fortschreitende Augenerkrankung schädigt, zunächst meist unbemerkt, die Sehnervenzellen der Makula („gelber Fleck“). Dieser Bereich auf der Netzhaut ist zwar sehr klein, jedoch ist dort das Zentrum des scharfen Sehens angesiedelt. Die zunächst langsam verlaufende trockene Form der AMD kann in rund 20 Prozent der Fälle in die schnell fortschreitende feuchte AMD übergehen. Dann entstehen Flüssigkeitsansammlungen in und unter der Netzhaut, die zu einer deutlich schnelleren Schädigung der Sehnervenzellen der Makula führen: Betroffene sehen in der Mitte des Sichtfelds etwa nur noch einen grauen Fleck, gerade Linien erscheinen verzerrt, Farben verblassen. Genau die Dinge, die wir ganz genau sehen wollen – die Schrift auf der Medikamentenpackung, die Einstellungen am Herdknopf, der Busfahrplan – werden unkenntlich.

Im Gegensatz zur trockenen Form der AMD ist die aggressivere feuchte Form behandelbar: Mittels Injektionen werden Wirkstoffe (VEGF Hemmer) ins Auge gebracht. Diese kleinen Proteinmoleküle verhindern, dass sich die schädliche Flüssigkeit unter der Netzhaut bildet und die Erkrankung weiter fortschreitet. Je frühzeitiger die feuchte AMD erkannt und behandelt wird, desto länger lässt sich die Sehkraft erhalten – und damit die Unabhängigkeit. Regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen beim Augenarzt sind auch deshalb ab dem 50. Lebensjahr so wichtig.

Auch wenn die fortschreitende Augenerkrankung schon zu Seheinschränkungen geführt hat, lässt sch die Selbstständigkeit lange erhalten – teilweise mit einfachen Hilfsmitteln, die das Zurechtfinden in der Wohnung oder Alltagstätigkeiten wie Kochen und Wäschewaschen vereinfachen. Welche das sind, erklärten Experten von PRO RETINA im Rahmen der AMD-Aktionswoche vom 14. bis 21. November 2020 – hier ein kleiner Überblick über unkomplizierte, aber sehr hilfreiche Veränderungen, die den Alltag leichter machen:

Kontraste und Licht

Der weiße Lichtschalter auf der weißen Wand, das weiße Geschirr auf der weißen Tischdecke: „Kein Wunder, dass Betroffene dann Schwierigkeiten haben, den Lichtschalter oder ihren Teller zu finden“, sagt Wolfgang Schweinfurth, stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Barrierefreiheit und Mobilität bei PRO RETINA. „Liegt eine dunkle, kontrastfarbige Tischdecke oder ein entsprechendes Platzdeckchen unter dem Geschirr, hilft das sehr. Um Restaurantbesuche stressfreier zu gestalten, lohnt es sich, einen dunklen Untersetzer für das Glas mitzunehmen – so können Unfälle mit umgekippten Getränken vermieden werden.“ Lichtschalter sollten Betroffene mit kontrastfarbigen, bunten Klebebändern umrahmen, empfiehlt Schweinfurth. „Wichtig ist: Welche Farben den besten Kontrast bieten, muss jeder für sich selbst ausprobieren – Farben, die für normal Sehende kontrastreich erscheinen, können für Betroffene kaum unterscheidbar sein.“

Gleiches gilt für die Beleuchtung: „Wichtig ist, selbst auszuprobieren, welche Lichttemperatur, also ,warmes‘ oder ,kaltes‘ Licht, am besten funktioniert und ob die Lampe zu den Bedürfnissen passt“, erklärt Petra Haurand, Leiterin des Arbeitskreises Hilfsmittel bei PRO RETINA. „Denn gerade AMD Betroffene brauchen wirklich viel Licht – und gute Lampen, die so einstellbar sind, dass sie nicht blenden.“

Kleine Noppen und Ordnung für mehr Sicherheit

Mal schnell die Heizung hochdrehen oder den Herd herunterschalten, damit das Essen nicht anbrennt: Das ist schwierig, wenn die Markierungen auf den Schaltern nicht zu erkennen sind. „Um hier nicht ständig unsicher zu sein oder jemanden fragen zu müssen, lohnt es sich, diese Schalter mit erhabenen Markierungspunkten zu kennzeichnen. Diese kleinen selbstklebenden Noppen sind sehr hilfreich, beispielsweise auch zur Kennzeichnung der Programme an der Waschmaschine“, sagt Petra Haurand.

Ebenfalls ein wichtiger Punkt, der auch die Angehörigen betrifft: Die Ordnung. „In bestimmten Bereichen muss alles seine Ordnung, also seinen festen Platz haben – sonst ist die Person mit der Sehbehinderung aufgeschmissen. Gerade in der Küche ist das wichtig, damit ein selbstständiges Kochen möglich ist,“ sagt Wolfgang Schweinfurth.

Mehr Informationen

  • PRO RETINA Deutschland e.V.: Selbsthilfevereinigung von Menschen mit Netzhautdegenerationen mit vielen Beratungsangeboten und hilfreichen Infos. www.pro-retina.de
  • Alltagshelfer: Selbstklebende Markierungspunkte und weitere Hilfsmittel gibt es auf www.inclusion.de
  • Informationen zur AMD: Diese bietet das Gesundheitsportal des Bundes, www.gesund.bund.de
 

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