Die Luft in Städten ist dreckiger ist als außerhalb. Damit haben wir uns schon immer abgefunden. Im Vergleich zu den riesigen Metropolen dieser Welt, in denen man an schlechten Tagen kaum ohne Atemmaske aus dem Haus gehen kann, schneiden deutsche Städte ja ganz gut ab – also kein Grund zur Klage. Und wer saubere Luft möchte, muss eben aufs Land ziehen, oder? Diese Argumentation ist bewährt und wird aktuell zu neuem Leben erweckt.
Gibt man im Internet in die Suchmaschine das Wort “Luftverschmutzung” ein, sieht man den tagesaktuellen Belastungsgrad seines Standorts und den Hauptschadstoff – Stickstoffdioxid. Die Belastung durch Stickoxide wird zahlreichen Krankheitsbildern, wie Asthma oder Schlaganfällen zugrunde gelegt. In Berlin befindet sich der Balken auf der Skala heute gerade mal 5 Punkte vor dem gelb werdenden Bereich. Dabei ist die Schadstoffbelastung im Sommer noch wesentlich niedriger als im Winterhalbjahr.
Denken wir an Skandale aus der Vergangenheit, fallen uns zahlreiche Vorkommnisse aus der Lebensmittelindustrie ein. BSE, Gammelfleisch und Antibiotika sorgten für großes Entsetzen. Bei unserer Atemluft scheint das etwas anders zu sein. Vielleicht weil die Folgen nicht unmittelbar zu spüren sind – vielleicht aber auch weil Luftverschmutzung über Dekaden ein hervorragendes Marketing von Konzernen und Lobbies erfahren hat.
Software-Update bei niedrigen Temperaturen völlig unwirksam
Im Diesel Abgasskandal erleben wir nun nicht nur ein kriminelles Spielchen mit unsererGesundheit – sondern auch mit unseren Finanzen.
Der Verbau der illegalen Abschalteinrichtung, dem sich wohl die gesamte Autoindustrie bedient hat, zieht eine gravierende Kette an Folgen für die Autobesitzer nach sich. Mit der Schummelsoftware wurde sichergestellt, dass die Fahrzeuge auf dem Prüfstand die EU Schadstoffgrenzwerte nicht überschreiten. Im täglichen Straßenverkehr aber wurden die Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten und die Schutzfunktionen für gute Luft ausgehebelt. Warum? Weil sie dem Motor schadet und zwar erheblich. Die Fahrzeugbesitzer, die nun dazu verpflichtet werden, ein Software-Update durchführen zu lassen, bekommen danach ein Fahrzeug zurück, dass nun kontinuierlich in diesem Prüfstand-Modus fährt. Neue Probleme sind damit vorprogrammiert – und hohe Kosten für die Autofahrer auch. Schließlich behalten sich die Hersteller vor, welche Reparaturen in diesem Zusammenhang unter Kulanz verbucht werden und welche nicht. Neueste Messungen belegen zudem, dass das Update bei niedrigeren Außentemperaturen, teilweise bereits ab 14 Grad Celsius, völlig unwirksam ist und zum Teil sogar mehr Stickoxid (NOx) als vor dem Software-Update ausgestoßen wird. Die Abschaltfunktion ist also immer noch in den Fahrzeugen aktiv, nur ist sie diesmal vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigt.
Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Irreführender Werbung
Doch der Wahnsinn begann natürlich schon früher – denn die Autohersteller manipulierten nicht nur und nahmen die illegale Luftverschmutzung in Kauf. Sie warben auch noch mit “absolut sauberen” Diesel-Fahrzeugen und erzielten so Rekordumsätze. “Für die Luft die wir atmen” lautet eine besonders geschmacklose Werbebotschaft, die der Marketingabteilung von Daimler eingefallen ist. Darunter ein Bild von zwei Auspuffkörpern die eine Lunge darstellen sollen.Diesel-Fahrverbote werden sich flächendeckend in ganz Deutschland durchsetzen
Neben den tausenden Autobesitzern, die nach dem Software-Update zu Dauergästen in den Werkstätten geworden sind und dem horrenden Wertverlust der Fahrzeuge, sind auch die Fahrverbote eine herbe Pille für die Betroffenen. Allein in Stuttgart wird dies ab 2019 ca 30.000 Autofahrer treffen. Bei der sehr wahrscheinlichen Ausweitung auf Euro 5 Diesel ab 2020 verdoppelt sich diese Zahl nochmal. Da Deutschland nach europäischem Recht verpflichtet ist, die Schadstoffgrenzwerte einzuhalten, werden Fahrverbote langfristig auch flächendeckend in den anderen deutschen Städten durchgesetzt. Derzeit warten bereits 28 Verfahren bei den deutschen Verwaltungsgerichten auf eine Entscheidung. Diese Situation ist eine direkte Folge des Abgasskandals, unterstützt von einer Regierung die sich sehr klar auf die Seite der Autoindustrie stellt, statt den Bürger zu schützen. Da wundert es auch niemanden mehr, wenn der Leiter der Abteilung "Internationale und Europäische Politik" des Auswärtigen Amts, Jens Hanefeld, neben seinem öffentlichen Amt als Lobbyist für VW die Fahnen hochhält. Noch Fragen?Hardware-Nachrüstung wird blockiert
Verhindert werden können die Fahrverbote durch eine Hardware-Nachrüstung. Für diese möchten die Hersteller nicht aufkommen – dies möge bitte der Autobesitzer oder gar der Steuerzahler übernehmen. Nach einiger Diskussion wurde sich dann branchenintern auf die gemeinsame Aussage geeinigt, die Umrüstung sei technisch gar nicht möglich. Dies hat nun die Deutsche Umwelthilfe gemeinsam mit dem Emissions-Kontroll-Institut widerlegt. Ein sogenannter SCR-Katalysator ist in jedem Fahrzeug verbaubar – sogar in einem kleinen Smart. Die Technologie sei nicht nur erprobt und stabil sondern auch hocheffizient. So konnte beispielsweise bei einem VW Passat 1.6 TDI (Euro 5) der Ausstoß von 1.030 mg NOx / km auf nur 69 mg NOx / km reduziert werden und das unabhängig von der Temperatur. So könnten nicht nur flächendeckende Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge verhindert werden, es würde auch dem Wertverlust der Fahrzeuge entgegengewirkt. Die Nachrüstungen könnten in Serien-Nachbearbeitungen erfolgen, was in anderen Fällen völlig normal wäre. Beispielsweise wenn Fahrzeuge aufgrund eines Fehlerhaften Gurtes o.ä. zurückgerufen würden, sagt Dr. Axel Friedrich, internationaler Verkehrsberater und Leiter des Emissions-Kontroll-Instituts. Weiter betont er, dass die nötigen Bauteile für die Umrüstung bei den Autoherstellern vorrätig seien und bereits innerhalb der nächsten Monate über 500.000 Fahrzeuge umgerüstet werden könnten. Fraglich ist allerdings ob es jemals zu einer Anordnung der Regierung über eine SCR-Nachrüstung auf Kosten der Autohersteller kommen wird. Die sogenannte “Expertengruppe 1” auf deren fachlichen Urteil diese Entscheidung getroffen werden soll, wird nach eigenen Angaben der Gruppenmitglieder seit Monaten blockiert und entscheidungsunfähig gemacht. Währenddessen schießen die Zahlen der betroffenen Fahrzeuge in die Höhe – derzeit kann man von 5 Millionen Diesel-Fahrern ausgehen, denen Schummel-Fahrzeuge untergejubelt wurden. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Dies hat auch etwas damit zu, dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) sich ausgesprochen viel Zeit für die Prüfung eventuell betroffener Fahrzeuge einräumt. Rückrufe wurden vom KBA zum Teil erst 9 Monate nach einem triftigen Verdacht ausgesprochen. Auch hier werden am Ende nur die Verbraucher an der Nase rumgeführt.Was bleibt den Verbrauchern eigentlich übrig?
Den Verbrauchern bleibt oft nur der Weg zum Anwalt und die eigene Durchsetzung ihrer Rechte, um die Folgen des Skandals abzuwenden.Inzwischen haben sich die deutschen Gerichte auch deutlich auf die Seite der Geschädigten geschlagen. Derzeit werden bundesweit etwa 90% der Klagen gegen Volkswagen für die betroffenen Autobesitzer entschieden. Besonders im Bezug auf den Wertverlust der Fahrzeuge ist dies ein wichtiges Signal im Sinne des Verbraucherschutzes.
Haben Sie Fragen zum Diesel-Abgasskandal oder möchten über Ihre Probleme mit Ihrem eigenen Fahrzeug berichten? Kontaktieren Sie uns direkt oder in der Expertensprechstunde. Wir antworten Ihnen.
Ihr Team BRR (BRR Baumeister Rosing Rechtsanwälte)
Weitere Informationen über uns finden Sie unter www.diesel-gate.com sowie unter www.baumeister-rosing.de.
Termine Expertensprechstunde 2018:
03. September bis 10. September / 15. Oktober bis 22. Oktober / 05. November bis 12. November / 03. Dezember bis 10. Dezember
Die Expertensprechstunde findet jeweils von Montag bis Montag um 10 Uhr statt.
Die Expertensprechstunde ist jetzt geöffnet!
Um unseren Experten Fragen stellen zu können, müssen Sie Mitglied im Seniorentreff sein.
Hier gelangen Sie zur Expertensprechstunde.
Die Expertensprechstunde ist ein Projekt des Deutschen Seniorenportals und BRR Baumeister Rosing Rechtsanwälte. Für den Inhalt des Textes ist BRR Baumeister Rosing Rechtsanwälte verantwortlich.
Kommentare (4)
Was könnte denn wichtiger sein als . . . " Für die Luft, die wir atmen ?"
Also mal ganz höflich gefragt, haben die Verantwortlichenin den Stadtverwaltungen die entsetzliche Luftverhältnisse in den Städten
nicht mitbekommen ? ? ?
Drei Fragezeichen deshalb, weil es ist ja alle soooooo komliziert . . . . .
ach neee,
EINE . . . wird ja noch nicht eimal beantwortet . . . .
Was ich besonders schlimm finde ist, dass die Autonindustrie dermaßen "wichtig" für Arbeitsplätze ist und sie somit immer wieder geschützt wird..., dass sämtliche Alarmzeichen einfach mal unter den Teppich gekehrt werden , ist ja nichts Neues.
Das aber hier in Deutschland der blöde Autobesitzer dafür auch noch büßen muss, weil er einfach mal mit seinem Diesel beschissen wurde und letztlich keinen Schadensersatz für seinen bekommt ( Motto: selber Schuld...), wie in den USA , ist mehr als eine Frechheit.
Gut, wenn nun endlich deutsche Gerichte im Sinne der Geschädigten einschreiten, mal schauen, was daraus wirklich wird...
Wenn dieses Abgasproblem nicht sinnvollerweise weltweit angegangen wird, ist es doch eh für die Katz..., was nützen Umweltstandards und große Umweltabkommen, die sowieso nur auf dem Papier stehen, damit die Politikerseele beruhigt ist und man sich großartig gegenseitig auf die Schulter klopfen kann...
Es ist alles ein Witz, leider aber auf Kosten unser aller Gesundheit !
Der mündige Bürger wäre ganz sicher gerne bereit, ein schadstoffarmes Auto zu fahren oder endlich vielleicht auch ein E-Auto, nur ist doch niemand von der Autoindustrie daran interessiert, dass diese serienmäßig hergestellt werden.
Dafür sorgen schon die absolut überhöhten Preise !
Alles ein Irrsinn !!!
Danke, das ist ein sachlich guter und informativer Bericht. Die Politik sollte verpflichtet werden, sich von den "Industrie-Lobbyisten" zu lösen um die demokratische Neutralität für ihre Bürger wahren zu können.
Kürzlich hörte ich sogar, daß die gebrauchten Dieselfahrzeuge nun von den Autohändlern in die östlichen Europ. Länder verschachert werden. Auch dazu ist bereits ein großer Handelsmarkt mit eigenen Lobbyisten entstanden.
Dadurch werden u.U. unsere Umweltstandards evtl. weitgehend gewahrt, doch in den östlichen Ländern dafür umso mehr belastet. Und - wie wir wissen, kann man die Luft nicht in ein Kasterl sperren. Sie ist Grenzen-überschreitend.
....... seit Jahre steht schon ein Schild in die Garage , Vorsicht beim laufenlassen des Benzin Motors : Veriftungsgefahr ! Beim Diesel ist es nicht anders . Es gibt inzwischen so viel Autos , das jährlich ca. 20 000 Menschen in der BRD an die schlechte Luft Sterben !!
..... und nun das BLA .... BLA !!! Es muß gehandelt werden und zwar SOFORT !! Ich bin Rentner und habe mein Auto abgeschaft , und fahre einen kleinen E- Roller , es geht auch ohne Auto . Die anderer Meinung sind haben Glück , das die nicht 1945 gelebt haben , denn Damals hatten wir Alle kein Auto !!!