Weltfrauentag - Vatertag
Wir hatten nie darüber gesprochen, ob mein Mann jemals als Kind, als Jugendlicher zu seinem Geburtstag Glückwünsche bekommen hatte. Ich wusste nur, wie ungeliebt er das Tun seiner psychisch kranken Mutter in seiner Kinder- und Jugendzeit hinnehmen musste. Das wollte ich nach unserer Hochzeit ändern.
Für mich gab es – bewusst – das erste Mal zu meinem 10. Geburtstag einen kleinen Gabentisch. Vielleicht, weil es mein erster runder Geburtstag war, denn darauf folgte in meiner Kinderzeit so etwas nicht mehr. Es war mir eher peinlich, als dass ich gejubelt hätte …
Doch, es gab auch vorher einmal ein Geburtstagsgeschenk: Wir waren alle zusammen, Vater mit uns drei Töchtern, die Oma sowie die Krankenschwester unserer Mutter, nach dem Tod unserer Mutter nach Borkum gefahren und ich hatte mir den Ziegenpeter eingeladen! Da durfte ich ein paar Tage nicht mit an den Strand, musste das Bett hüten – ausgerechnet als ich in jenen Tagen sieben Jahre alt wurde! Ich bekam ein Mikado-Spiel. Ob das allerdings als Trostbeschäftigung gedacht oder ein Geburtstagsgeschenk war – ich weiß es nicht.
Als ich dannn selbst verheiratet war, war es anfangs üblich, den Partner an seinem Geburtstag zu beschenken. Es wurde allerdings jeweils eine etwas teure Woche, denn unsere Geburtstage lagen nur zwei Tage auseinander. Er hatte zwei Tage vor mir Geburtstag. Als wir 1980 in unser eigenes Haus eingezogen waren, plötzlich die Kreditzinsen von 6 % aus 13 % gestiegen waren, wir auch zuvor dummerweise auf unseren Bankberater gehört hatten und nur Kredite mit einem variablen Zins, was wir zum Ende der Bauzeit ändern wollten, vereinbart hatten, waren wir plötzlich mit sehr hohen Zinsen belastet. Wir ließen August August sein, es gab keine Geschenke.
Bis zu dieser Zeit hatte ich als Hausfrau und Mutter unsere Kinder erzogen, war 14 Jahre nicht mehr arbeiten gegangen. Nun suchte ich mir einen Job, der in unserer prekären Lage genügend Geld einbrachte, um die monatlichen Zinsen bedienen zu können. Die Kindergeburtstage kamen, ebenso Nikolaus und Weihnachten und die Kinder sollten nicht unter dieser Situation leiden. Aber was uns Eltern anging, erklärte mein Mann, wir hätten uns gegenseitig das Haus geschenkt, das sei genug, es gäbe keine gegenseitigen Geschenke für uns Zwei mehr.
In der anfangs ja recht ernsten Situation war ich damit einverstanden. Aber – da ich doch recht bald unsere Finanzlage im Griff hatte – fand ich es im Verlauf des folgenden Jahres schon recht seltsam, dass ER ganz selbstverständlich mit einer Extrasumme ausgestattet auf Vatertagstour ging, der Muttertag, mein Geburtstag kein Blümchen wert war. Als ich im Folgejahr am Valentinstag vom Einkauf eine Rose an der Kasse geschenkt mit nach Hause brachte, animierte das meinen Göga lediglich zu der eifersüchtigen Frage, von wem ich denn die geschenkt bekommen hätte!
Es blieb dabei: bei verbesserter Finanzlage, da ich nun dauerhaft, anfangs halbtags, später ganztags, berufstätig war: jedes Jahr erhielt er wenigstens von mir zum Geburtstag und zu Weihnachten eine kleine Gabe, wollte ihm eine Freude machen, hoffte auch auf eine kleine Anerkennung. Aber ich schaute in die Röhre! Und sein Geburtstag wurde immer wieder an meinem Geburtstag gefeiert, da es nahe lag, dass vor allem seine Schwester sich dann die Zeit nahm, ihren großen Bruder mit ausgesuchten Geschenken zu besuchen. Ich durfte alle gern mit Kuchen und abendlichen Grilladen bewirten. Dass oft der „Feiertag“ auch mein Geburtstag war, wurde gern geflissentlich übersehen … Und ich war dumm und geduldig genug, das zu akzeptieren, nahm mich nicht so wichtig.
Auch unsere nah beieinander liegenden Hochzeitstage Mitte Mai vergaß er stets. Es gab kein einziges Blümchen in 46 Ehejahren, nicht mal aus unserem Garten. Daraufhin bestand ich jedes Jahr darauf, dass wir zum Essen als Paar ausgingen. Zu unserem 10-Jährigen hatte er in seinem Beruf einen Vertreter zu Besuch, der ihm als Dank für den Einkauf für's Geschäft eine abendliche Einladung anbot. Mein Mann war dann doch clever genug, die Einladung anzunehmen. Allerdings verriet er auch, dass wir sowieso an diesem Abend essen gehen wollten und auch, weshalb. Das Ergebnis war, dass wir - gemeinsam mit diesem Mann ein Lokal besuchte, wo er uns vor dem Heimweg ein paar zusammengestellte technische teure Geräte auf einer schönen kleinen Holzleiter angebracht zu unserem Hochzeitstag schenkte. Er sah das immer als sein Geschenk an. Heute hängt es in meiner Wohnung und zeigt mir, so oft ich will, die Tageszeit, den Luftdruck, die Zeit und die Luftfeuchtigkeit im Raum.
Als wir 1990 Silberhochzeit hätten feiern können, hatten wir beide längst keine Lust mehr darauf, auch noch für unsere schief gelaufene Ehe Gäste einzuladen. Ich schlug vor, einfach nach Norderney zu fahren, fragte meinen Chef, der dort ein Gästehaus besaß, ob er für eine Woche ein Appartement frei hätte und mir vermieten würde. So geschah es auch. Die Woche auf Norderney war schon eine kleine, schöne Ausnahme, zumal wir dort auch noch auf meinen Trauzeugen trafen. Als ich meinem Chef diesen Aufenthalt auf der Insel bezahlen wollte, hatte er von meinen Kolleginnen inzwischen erfahren, was der Grund für diesen Urlaub gewesen war. Großzügig erklärter er das als sein Hochzeitsgeschenk für das Silberpaar! Zumindest als kleines Dankeschön erhielt ich auch in jenem Jahr kein einziges Blümchen vom Silberbräutigam …
Die Nachbarn hatten sich so abspeisen lassen. Aber da sie nun wussten, wann wir Hochzeit gehabt hatten, planten sie für unseren 30. Hochzeitstag fünf Jahre später eine große Feier, mit allem Pi, Pa, Po! Es nutzte nichts, dass ich für meine Familie – inzwischen mit Partner-Anhang meiner Kinder sowie deren Hunde – dieses Mal auf Juist eine Hotel-Etage buchte. Als wir zurück kamen, hatten die Nachbarn recht bald unsere große Garage geentert, gaaanz viel Tannengrün vorgefahren und begannen, uns einen Tannenkranz zu binden sowie viele Papierblüten zu fertigen. Klar, wir hatten nun doch viel Spaß. Der Kranz wurde am Hauseingang angebracht, mit den vielen Blüten geschmückt und für die vielen Nachbarn der Straße ein Cateringservice bestellt. Einen Glückwunsch-Blumenstrauß für mich gab es nicht …
Zehn Jahre später hatten wir uns auf den Campingplatz bei Norddeich geflüchtet, wo uns unser Sohn seinen Campingwagen zur Verfügung gestellt hatte. Wir hatten uns lediglich vorgenommen, abends im nahen Lokal ein wenig genussvoller zu essen. Darauf hatte ich bestanden! Mittags erschien plötzlich der Platzwart mit einem dicken Blumenbukett. Es sei für mich!, ließ er wissen. Als ich erwartungsvoll die beiliegende Karte las, entdeckte ich als Absender den Bruder meines Mannes! Der hatte unseren Hochzeitstag nicht vergessen und auch nicht, welche Ansicht mein Göga ihn irgendwann einmal hatte wissen lassen. Gekränkt verzog sich mein Mann mit seinem Fahrrad … Es folgte kein zweiter Blumenstrauß.
Stattdessen ließen wir dann vom Hafen aus ein Insel-Hopping per Schiff folgen. Irgendwie war mir so ein Schmankerl nun fällig!
Als ich fünf Jahre später von ihm mit einem völlig grundosen heftigen Streit überzogen wurde, er mich auch noch schlagen wollte, mir die Scheidung anbot, entschloss ich mich, dieser unguten Verbindung endlich ein Ende zu machen. Die Kinder waren aus dem Haus, das Haus – dank meiner Zusatzrente und meinem Erbe zu dreiviertel von mir bezahltwar! Es dauerte ein dreiviertel Jahr, bis ich so weit meine Dinge geregelt hatte – natürlich stets nur dann, wenn ER sich mal wieder in irgendwelche Abwesenheitsalibis verzogen hatte – dass ich meinen Abgang durchziehen konnte. Ich wollte das Haus nicht mehr bewohnen, das er als sein Eigentum ansah, das aber tatsächlich zu 2/3 meins war! Ich zog aus, ließ ihn dort zurück, da ich zunehmend körperliche Beschwerden hatte, wenn ich hörte, dass mein Göga wieder die Wohnung betrat. Mein Körper protestierte spür- und sichtbar. Ich hatte 10 kg abgenommen, stets einen unsichtbaren Igel im Hals, wenn ich IHN nur hereinkommen hörte.
Es war mir bewusst, dass ich die erste Sitzung unseres Modellbauklubs 2011 noch mitzumachen hatte. Sie fand am Samstag, dem 5. März statt, wo für das beginnende Jahr einiges zu regeln war und ich war als Kassenwartin verpflichtet, daran teilzunehmen. Ich lieferte meinen Kassenbericht ab und als sich die Versammlung auflöste, um heimzufahren, übergab ich dem ersten Vorsitzenden meine Unterlagen mit meiner Kündigung, so dass die anderen es nicht mitbekamen.
Dieses Wochenende – das letzte in meinem Haus – nutzte ich, wenn möglich dazu, all die Dinge, die ich angesammelt hatte und mitzunehmen gedachte, in starken Müllsäcken zu verstauen, die ich in meinem Kleiderschrank versteckte. Ich verschob den angedachten Montagsfluchttermin auf den Dienstag, in der Hoffnung, es endlich tun zu können. Im Verlauf des Dienstagvormittags stand mein Göga auf, machte sich auf der Terrasse eine Liege fertig, um dort eingepackt in eine warme Decke in der Mittagssonne seinen restlichen Rausch der vergangenen Nacht ungestört auszuschlafen – und ich packte die Müllsäcke ins Heck meines großen Hondas, fürchterlich nervös, ob es mir heute gelingen würde, unentdeckt zu entkommen, vergaß, den Abschieds- und Erklärungsbrief auf den Küchentisch zu legen und fuhr los. Meine Flucht gelang, Eine erste „Belohnung“ erhielt ich mit den Radionachrichten: es war der Weltfrauentag!! Was für ein Termin für meine Freveltat!!
Jahrzehnte hatte ich, hatte sich mein/em Mann selbstverständlich den Vatertag gegönnt, mich jedes Jahr zum Muttertag mit der Ausrede „Du bist doch nicht meine Mutter!“ (aber die Mutter seiner Kinder!) abgespeist. Dass heutzutage immer mehr öffentlich darauf Wert gelegt wird, dass unsere Gesellschaft erkennt, dass wir Frauen keineswegs so gewertet werden, wie es sein sollte, für viele Frauen immer noch Unterdrückung, Gewalt zur Tagesordnung gehört, hat wohl auch die „metoo-Bewegung“ bewirkt.
In der Nachschau meines Lebens fühle ich mich als Frau nicht unterdrückt, obwohl es sicherlich das eine oder andere Mal so war. Aufgrund vieler Entscheidungen, die getroffen werden mussten, zu denen aber von meinem Mann nichts kam, habe ich dafür gesorgt, dass alles seinen Gang ging! Es war auch meine eigene Schuld, mein Leben so zu erleben, wie ich es zugelassen hatte. Ich hatte schon als kleines Mädchen lernen müssen, dass ich die bösen Vorwürfe meiner großen Schwester, an der Erkrankung und dem Tod unserer Mutter Schuld zu sein, allein zu verarbeiten hatte. Wann immer eine Entscheidung zu treffen war, wurde es meine Entscheidung.
Heute stehe ich auf dem Standpunkt, dass jede Frau, jeder Mann sein Leben selbst in die Hand nehmen muss. Dass oft nicht alles gut, nicht richtig ist oder war, liegt zum Teil wohl auch an den Erlebnissen, die die Zeiten des Lebens unserer Vorfahren zuvor mit sich brachten, in denen unsere Eltern, unsere Großeltern so erzogen wurden, eben so leben „mussten“.
Allein die Tatsache, dass Männer einfach muskulöser „angelegt“ sind, Frauen, um Kinder, die in ihnen gut neun Monate heranwachsen, grundsätzlich „weicher“ gebaut sind, um diesen Nachwuchs geschützt und gesund in die Welt zu entlassen, bedeutet doch nicht, dass Männern die Herrschaft über Frauen zuzugestehen sei. Heutzutage sollte die Männerwelt doch akzeptieren, dass es auch sie ohne Frauen gar nicht gäbe! Kein Mann kann einem Kind in sich das Heranwachsen zugestehen. Die vielen Glaubensrichtungen (oft frauenfeindlich!) unserer Welt – von Männern erdacht und erklärend bestimmt – haben die Frauen in eine Ecke gedrängt, die es nicht wirklich geben dürfte!! Auch heute nehmen sich Männer noch das Recht, Frauen zu beherrschen, sie als ihr Eigentum anzusehen!! Nicht nur einmal musste ich mir von meinem Mann anhören, wenn er nicht mehr leben wolle, würde er zuerst mich mit seiner bereit liegenden Pistole erschießen und dann sich. Ob es eine Ansichtsänderung bei ihm bewirkt hat, wenn ich ihm dann erklärte, dass mein Leben nur mir gehöre, nicht ihm??
Es wird Zeit, Rechte, die es nicht geben dürfte, zu streichen! Dann bräuchte es auch keinen Weltfrauentag mehr, keine Demonstrationen, um die Rechte von Frauen einzufordern. Wir sind alle Menschen – gleichberechtigte Menschen.
Übrigens: Meiner fast 50-jährigen Tochter wurde als 19-Jähriger aus medizinischer Sicht von den behandelnden Ärzten verboten, jemals schwanger zu werden, entweder sofort ein Kind zu kriegen oder nie! Dafür gab es durch eigene gesundheitliche Gründe sowie durch erhaltene Blutübertragungen zu zwei großen Operationen Hemmnisse, die das nicht gestatten würden. Sie hielt sich Jahrzehnte mit viel Beklommenheit daran. Als aber eine Bekannte mit ähnlichen Symptomen mit 48 Jahren noch ungewollt schwanger wurde, dennoch ein gesundes Mädchen zur Welt brachte, brachen auch bei meiner Tochter alle Dämme. Sie ließ sich erneut untersuchen – und siehe da, mit 41 Jahren brachte sie ihren Sohn, meinen einzigen Enkel gesund auf die Welt.
Seither bekommt natürlich Max zum Geburtstag jedes Jahr seine Geschenke, aber auch meine Tochter von mir einen dicken Blumenstrauß, dass sie dieses Risiko, als Spätgebärende nicht nur ihr Leben, ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt zu haben, denn durch die Versteifung ihrer Lendenwirbelsäule gab es die Gefahr, dass die Geburt des Kindes sie in den Rollstuhl zwingen würde. Auch ein möglicherweise nicht gesundes Kind dann pflegen müsste, (Down-Syndrom) hätte ihr ungeheuer viel abgefordert. Es brauchte die alten Röntgenaufnahmen aus ihrer Jugend und viele Tränen der werdenden Mutter, um der anderen Ansicht der Gynäkologin Einhalt zu gebieten, eine Kaiserschnittgeburt nicht zuzulassen. Ich bin seither der Meinung, auch meine Tochter hat für diese „Tat“ Anerkennung verdient!!
Liebe NMamflor, da hast Du Dir ein ganzes Leben "von der Seele geschrieben", man kann sich nur wundern, wie ein Mensch sich so lange mit den Gegebenheiten quälen kann, aber Du hast ja doch noch den "Ausstieg" geschafft und ich hoffe, Deinem "Ex" nicht allzu leicht Dein Haus überlassen...
Mich würde interessieren, wie es Dir heute geht ? Bist Du wieder in einer Partnerschaft und bist Du glücklich ? Auch ohne die kann man das sein !
Ich wünsche Dir jedenfalls alles Gute für Dein nachfolgendes Leben und hoffe, dass Du jetzt Deine Interessen besser schützt !
Liebe Grüße, Marianne, teilweise ähnliches Schicksal...