Wälder

Autor: ehemaliges Mitglied

für viele Leute bedeutet "Paradies" sowas wie eine Südseelandschaft. Für mich sind es Wälder, nordische Wälder! Obwohl ich die auch nur von Bildern und Filmen her kenne.

In natura kenne ich nur unsere Mittelgebirge und das auch nur teilweise.

Die Leidenschaft für Wälder hab ich von meinem Vater. Wann immer es ihm möglich war, nahm er uns Kinder mit auf Fahrten und Wanderungen in waldreiche, möglichst leicht gebirgige Gegenden. Im Siebengebirge kannten wir fast alle Wege, auch alle Abkürzungen und Schonungen, die eigentlich für Spaziergänger tabu waren.

Mein Vater war ein großer Naturfreund und –Kenner. Er half mir auch bei der Zusammenstellung meines Herbariums, das ich für die Drogistenfachprüfung brauchte. Wenn ich sage "half", heißt das soviel wie: er hat es eigentlich allein gemacht! Das tat er auch für die anderen Lehrlinge unserer Drogerie. Darüber hinaus organisierte er Botanisierfahrten für Schüler der Drogistenfachschule in Krefeld in die nähere Umgebung, vor allem an den linken Niederrhein.

Mein Ding war das Botanisieren nicht. Ich genoß die Wälder an sich, die charakteristischen Düfte von Nadel- Laub und Mischwäldern, von Holz, Erde und Kräutern, die Stille, den Gesang der Vögel, das Klopfen des Spechtes, das Gurren der Waldtauben, - das sich in der Dämmerung fast unheimlich anhört-, den Anblick der Sonnenstrahlen in den Bäumen frühmorgens und abends, den Kontrast zwischen dunklen Wäldern und hellen Lichtungen.

Und als Kinder genossen wir die Freiheit, die Vater uns ließ.

Wir durften anziehen, was wir wollten, herumtoben und uns dreckig machen! Auch Mutter hatte nie was dagegen. Wenn wir aber mit unserer Oma unterwegs waren, trugen wir gute Klamotten und mußten uns vorsehen. Da konnte es leicht geschehen, daß man beim Klettern über gefällte Baumstämme seine Sachen ruinierte! Einmal – ich trug weiße Kniestrümpfe und Lackschuhe – bin ich auf einer Wiese auf einen vermeintlichen Erdhügel gesprungen. Es war jedoch ein Kuhfladen, an der Oberfläche verkrustet, innen aber noch feucht und saftig! An der nächsten Quelle wurde ich notdürftig gesäubert, dann ging's ab "nach Hause", bzw. zurück zum Gasthof.

Der Gasthof im Siebengebirge hieß "Tannenhof" und war für uns wirklich wie ein zweites Zuhause. Meine Eltern nahmen die Tannenhofkinder und noch einige aus der Nachbarschaft oft mit auf unsere Wanderungen; ein paar dieser Kinder haben auf diese Weise zum erstenmal den Drachenfels kennengelernt!

Das Siebengebirge ist immer noch schön und gilt als Naturschutzgebiet. Es hat sich dennoch sehr geändert, neue Wege sind entstanden. Die Schonungen von damals sind zu Wäldern herangewachsen. Damals konnten wir stundenlang laufen, ohne irgendjemandem zu begegnen, das ist heute nicht mehr möglich. An den zahlreichen Quellen stehen Hinweise, wie "nicht als Trinkwasser verwenden". Früher haben wir damit unseren mitgebrachten Himbeer-, Kirsch- oder Zitronensirup verdünnt. Überhaupt haben wir gern auf das Mittagsessen verzichtet und uns statt dessen von der Gasthofmutter Lunchpakete zurechtmachen lassen. Manchmal sind wir auch irgendwo eingekehrt; damals durfte man noch mitgebrachte Lebensmittel essen und mußte nur Getränke bestellen.

Im Spätsommer hatten wir unsere Lieblingsplätze; wir fanden massenweise Him- und Brombeeren und sammelten auch unreife Haselnüsse, die wir nach den Ferien aßen, wenn sie nachgereift waren.

Manchmal führten uns unsere Wanderungen auch hinunter nach Honnef oder Königswinter.

In Honnef und Umgebung gab es überall wilde Apfelbäume; die Äpfel waren zwar klein, unansehnlich und oft wurmstichig, schmeckten aber wunderbar aromatisch!

In der Nähe der Insel Grafenwerth gab es 2 riesige Sandplätze, auf denen wir ausgiebig spielten. Umgeben waren diese Plätze von herrlichen Blumenwiesen. Wir pflückten bunte Sträuße, die sich aber leider nicht lange hielten. Wildblumen wollen nicht gepflückt sein!

Heute sind Sandplätze und Blumenwiesen einer großen Tennisanlage gewichen. Schön für die Sportler, aber ich finde es schade!

An der äußersten Spitze der Insel Grafenwerth badeten wir im Rhein. Oder wir unternahmen eine Fahrt mit dem Ruderboot.

Aber so schön es in Honnef auch war, wir freuten uns immer wieder, hinauf in unsere Wälder zu kommen!

Mit Vater bin ich auch mal in Italien gewesen, und zwar in Torbole am Gardasee. So sehr es uns auch dort gefiel, und obwohl wir auch von dort aus Waldgegenden bewanderten, nichts fanden wir so schön wie die Wälder, die wir von zu Hause her kannten. Und in meiner Erinnerung gehören diese Wälder und mein Vater untrennbar zusammen!


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Kommentare (6)

ehemaliges Mitglied Gerd (traumvergessen): die Erinnerungen werden lebendig beim Duft von Nadelbäumen, Brombeeren, Himbeeren. Außerdem beim Anblick von Sonnenstrahlen die morgens durch Bäume fallen. Und morgens früh von etwa März bis Juni, wenn ich am Arbeitsplatz ankomme (bald ja nicht mehr, da in Rente). Der Arbeitsplatz ist in der Nähe des Duisburger Waldes.
Auch alte Fotos lassen die Erinnerungen lebendig werden. Weiterhin manche Volkslieder, die mein Vater und ich gesungen haben.
Die in meiner Birne gespeicherten Erinnerungen sind natürlich immer da! Aber nur manchmal sind sie lebendig. Und das ist dann ein Unterschied wie zwischen einer auf dem PC gespeicherten ...ini und seiner ...exe-Datei!
LG, Ilse
samti sind wie eine wärmende Decke, wenn sie so empfunden werden. Beim Lesen deiner Erinnerung hatte ich, erst unbemerkt, ein Lächeln im Gesicht. Wie anders war doch unsere Kindheit, verglichen mit der unserer Enkel. Ich meine doch viel schöner, weil nicht so vom Konsum bestimmt. Ach, es gäbe noch so viel zu erzählen. Heute erzählt der Fernseher. Erzählen also wir uns unsere schönen Erinnerungen. Ganz liebe Grüße. Helga
ehemaliges Mitglied Hallo Ilse,

Du schreibst Deine Erinnerung sehr nachvollziehbar. Ist es nur eine Erinnerung oder empfindest du heute, trotz geschilderter Veränderungen, noch genau so? Wird dann die Erinnerung lebendig?

liebe Grüße von Gerd
Britt und Ausflüge in die Natur, in das Riesegebirge und nach Italien bist du geprägt worden und kannst aus dem Herzen heraus berichten. Ich schalte "Text vorlesen" ein und genieße deine Erzählung, danke sagt Britt
marlenchen sind was schönes,ich habe sie in Kindertagen auch genossen,auch heute mache ich gerne noch solche Spaziergänge,denn jeder Baum,jeder Grashalm hat seine Besonderheiten,man muß nur mit offenen Augen durch die Natur gehen.Das hast du wunderschön geschrieben,liebe Grüße von marlenchen
floravonbistram kann ich deine Liebe verstehen. Wunderbar zu lesen, denn auch viele Erinnerungen werden wach
Ich lebe direkt am Wald und bin 2x täglich in ihm unterwegs
Flo

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